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Kommunikativ predigen

Plädoyer und Anleitung für die hörernahe Auslegungspredigt

AutorHelge Stadelmann
VerlagSCM R.Brockhaus im SCM-Verlag
Erscheinungsjahr2015
ReiheTVG 
Seitenanzahl312 Seiten
ISBN9783417227994
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis19,99 EUR
Helge Stadelmanns Buch 'Evangelikale Predigtlehre' hat viele Jahrgänge von Studierenden geprägt. Für diese Neuausgabe hat der Autor sein Werk um ein aktuelles Kapitel ergänzt: 'Der Stellenwert der Exegese biblischer Texte in den Entwürfen aktueller Predigtlehren'. Die Neuformulierung des Titels 'Kommunikativ predigen' betont, worin die Leidenschaft des Autors besteht: in einer Predigt, die tief in den biblischen Texten wurzelt und sich den Hörern lebensnah verständlich macht.

Prof. Dr. Helge Stadelmann, Jahrgang 1952, ist Rektor und Professor für Praktische Theologie an der Freien Theologischen Hochschule Giessen (FTH). Zugleich lehrt er im Doktoralprogramm der Evangelischen Theologischen Fakultät Leuven/Belgien. Ehrenamtlich predigt er sonntäglich als Pastor einer evangelisch-freikirchen Gemeinde. Als Autor zahlreicher Veröffentlichungen ist er bekannt als Vertreter einer dem biblischen Text verpflichteten heilsgeschichtlichen Schriftauslegung und ihrer Umsetzung auf den verschiedenen Praxisfeldern der Gemeinde. Er ist beheimatet im Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden und in der Theologie des Pietismus.

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Leseprobe

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2. DIE ERARBEITUNG DER PREDIGT ZWISCHEN TEXT UND HÖRER


2.1 Hermeneutische Grundentscheidungen


Hermeneutik hat mit dem rechten Verstehen von Texten zu tun. Teils geht es dabei um Grundsatzfragen: Was ist eigentlich ›rechtes Verstehen‹? Wann ist ein Text richtig verstanden? Wie verhält sich die Sache, von der der Text redet, zu dem Denken über die Sache? Wer beziehungsweise was bestimmt, was der Sinn eines Textes ist? Wird der Sinn eines Textes durch das bestimmt, was der Entstehung des Textes vorausliegt: das heißt durch irgendwelche Vorformen des Textes oder Bewusstseinszustände seines Autors, die man hypothetisch rekonstruieren kann? Macht sich der Sinn eines Textes an der Aussageabsicht seines Verfassers fest, die sich am Wortlaut des Textes in seinem Kontext ablesen lässt? Oder ist der Sinn des Textes das, was er beim Leser beziehungsweise Hörer auslöst? Außerdem ist gerade in der Praktischen Theologie über den gesamten Verstehensbogen – vom Text über den Ausleger beziehungsweise Prediger bis hin zu den Hörern – nachzudenken. Was ist das Wesen, die Eigenart dieses Textes? Welche Anforderungen stellt er an den Ausleger? Welche Voraussetzungen muss der Ausleger mitbringen, um den Text verstehen zu können? Was ist bei der Textauslegung zu beachten? Wann hat der Ausleger den Text richtig verstanden? Wie kann er sicherstellen, dass ihn seine Hörer, denen er den Text auslegt, nicht missverstehen? Ist das, was der Text ursprünglich bedeutete, etwas anderes als das, was er für den Hörer heute bedeutet? Wie ist das Verhältnis von Auslegung und Anwendung? Fragen dieser Art gehören zur Hermeneutik als der Theorie der Auslegung von Texten.

2.1.1 Die Entwicklung weg vom Bibeltext als Verstehensnorm


In der Predigtlehre lag lange Zeit aller Nachdruck auf dem Bibeltext. Es ging um das Wesen dieses Textes als Gottes Wort, das seiner Aussageabsicht entsprechend auszulegen war. Die Predigt hatte das zu sagen, was der Text sagt. Seit der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg bis in die 1960er-Jahre vertrat die Mehrzahl der Prediger im Gefolge von Karl Barth und seiner ›Theologie des Wortes Gottes‹ diese Betonung. Hier sei an das Votum von Karl Fezer erinnert: Ein »Vortrag über religiöse Fragen, ja eine religiöse Ansprache ist selbstverständlich möglich auch ohne Text.1 Aber eine Predigt, die zur Aufgabe hat, die Gemeinde vor den lebendigen Gott zu stellen, gibt es nicht ohne das Wort, in dem der lebendige Gott uns seine Gemeinschaft schenkt, ohne den Text.« Karl Barth war überzeugt, die Predigt könne »in ihrer Substanz nichts anderes sein als Exegese«, weil nur die Heilige Schrift die geschehene Offenbarung bezeuge und ordnungsmäßig auf sie hinweise.2 Von daher gilt für die Predigt: »Wir Theologen haben nur das zu wiederholen, was Menschen von dem, was ihnen begegnete, sagen«; und: »Die Predigt ist nach Form und Inhalt unter allen Umständen gebunden als Schriftauslegung.«3

In den späten 1960er-Jahren änderte sich diese Betonung im Rahmen der so genannten ›empirischen Wende‹ in der Praktischen Theologie. Jetzt lag der Nachdruck nicht mehr so sehr auf dem Bibeltext, sondern auf dem Menschen, den Hörern. Es ist nicht von ungefähr, dass dem – in diesem Zusammenhang entscheidend wichtigen – Buch von Ernst Lange ein Gedicht von Sidney Carter mit dem Titel ›The Present Tense‹ (›Die Gegenwart‹) vorangestellt ist. In der ersten und vierten Strophe heißt es dort: »Your holy hearsay / is not evidence: / give me the good news / in the present tense. […] So shut the Bible up / and show me how / the Christ you talk about / is living now.«4 Die Aufforderung: »Mach’ die Bibel zu!« steht hier also zu Beginn eines Buches über Predigt. Das Interesse gilt nicht mehr dem Damals, wovon der Bibeltext spricht, sondern der Gegenwart – der lebendigen Wahrheit heute.5 Entsprechend vertritt Ernst Lange: »Die Frage nach dem Hörer und seiner Situation hat daher selbständigen Rang neben und in der Regel … sogar vor der Frage nach der Überlieferung.«6 Die Predigt ist inhaltlich zwar immer noch »bezeugende Interpretation der biblischen Überlieferung« – wobei der Nachdruck auf dem aktuellen Bezeugen liegt. Neben die Was-Frage (was also von der Bibel her zu sagen ist) treten jedoch die nun immer interessanter werdenden Fragen wem hier und jetzt zu predigen ist, welche Situation aktuell zum Predigen herausfordert, wozu in dieser Situation gepredigt werden soll und wie den Hörern verständlich gepredigt werden kann.7

Hand in Hand mit diesem vorrangigen Interesse der Homiletik am Hörer und der heutigen Situation ging eine hermeneutische Schwerpunktverlagerung: weg von einer textzentrierten Hermeneutik, die vor allen Dingen nach der ursprünglichen, vom biblischen Autor beabsichtigten Textbedeutung fragte, hin zu einer emanzipatorischen Hermeneutik, die den Ausleger beziehungsweise Hörer nicht bloß als jemanden sieht, der einen vorgegebenen Textsinn reproduziert, sondern der selbst im subjektiven Verstehen des Textes Sinn produziert. ›Verstehen‹ ist dann nicht mehr das genaue Wahrnehmen und Zu-Herzen-Nehmen dessen, was der Bibeltext gemäß seinem Literalsinn bedeutet, sondern das Resultat einer kreativen, Sinn generierenden Begegnung zwischen dem Text und seinen immer neuen Lesern. Verstehen wird zur Synthese, zur Horizontverschmelzung zwischen dem Texthorizont und dem jeweiligen Hörerhorizont.8

Die Reformatoren haben da noch anders gedacht. Sie wussten: Die Bibel ist Gottes Wort. Von daher hat für sie das, was Gott in diesem Buch sagt und was er damit meint, grundsätzlich Vorrang vor dem Reim, den sich der Mensch auf dieses Wort macht. Martin Luther ging es folglich bei der Auslegung darum, nach dem Literalsinn, dem »schrifftlichen odder buchstabischen tzungen synn«,9 zu fragen: also nach der vom biblischen Autor (und damit dem durch diesen Autor redenden Heiligen Geist) gemeinten ursprünglichen Textbedeutung. Dem war nichts hinzuzufügen; und davon war nichts wegzunehmen. Sondern wie Gott gesprochen hat, so sollte es gelten; exakt so war es zu verstehen; so war es zu überliefern und festzuhalten. Diese Sicht korrespondiert mit dem biblischen Selbstverständnis (vgl. 5Mo 4,1f; 6,1-9; Mt 5,19; 1Kor 15,1-3; 2Tim 2,2; Offb 22,18f). Wenn Gott redet, dann gilt das so, wie er es meint.

Die Konsequenz dieser Sicht ist, dass Verstehen nicht als ein kreativer Prozess aufzufassen ist, sondern als ein rezeptiver Prozess. Da gilt: »Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist und was der Herr von dir fordert …«! (Mi 6,8) Der emanzipierte moderne Mensch will sich aber nicht einfach so sagen lassen, was gilt. Auch nicht von Gott. Er will mitreden, interpretieren, auch mal uminterpretieren, sich auf jeden Fall nicht durch einen vorgegebenen Sinn binden lassen, sondern ihn ›nach der Regel der Freiheit‹10 selbst wahrnehmen – ohne irgendeine absolute Vorweggeltung der Wahrheit biblischer Sätze und ihrer Bedeutung. Was im Geschäftsleben noch gilt: nämlich dass man Briefe – in Sonderheit solche von Ämtern! – möglichst exakt so versteht, wie der Absender sie gemeint hat; was Theologen gern auch für ihre Bücher beanspruchen: dass die Leser sie doch bitte so verstehen mögen, wie sie vom Autor gemeint sind – das gilt in der Postmoderne offenbar nicht mehr so, und zwar nicht nur in der emanzipatorischen Interpretation von Literatur oder Kunst, sondern nun auch in der Auslegung des Buches, in dem Gott sich ausgesprochen hat. Der Mensch tritt zumindest als Mit-Stifter von Sinn auf. Und überhaupt versteht er die Bibel nicht mehr so direkt als Gottes Reden. Vielmehr sieht er zwischen einem (vielleicht) ursprünglich ergangenen Reden Gottes und dem modernen Ausleger oder gar Predigthörer einen langen Prozess von Interpretation und Sinn-Produktion, in den er kreativ (und eben nicht nur rezeptiv) mit hineingenommen ist.11

Aber nicht nur der Prozess der Textinterpretation bindet sich nicht mehr an die Aussage-Intention des Textautors, sondern wird kreativ sinnstiftend verstanden. Auch der Prozess von Predigtkommunikation und Predigtrezeption wird emanzipatorisch vom Hörer als Sinnstifter her gesehen. Haben sich die Prediger früher oft noch gegrämt, dass ihre Hörer sie häufig missverstanden oder zumindest anders verstanden hätten, als sie es in der Predigt gesagt und gemeint hätten, hat man heute aus dieser Not eine Tugend gemacht. Der postmoderne emanzipierte Prediger und sein emanzipierter Hörer haben das genannte Problem nicht mehr. In einer Aufsehen erregenden Antrittsvorlesung in Marburg hat Gerhard Marcel Martin 1983 die Predigt als ›offenes Kunstwerk‹ interpretiert: Sie wird als grundsätzlich mehrdeutig verstanden, wie ein für unterschiedliche Interpretationen offenes Stück Kunst, das auf jeden Betrachter anders wirkt und jedem etwas anderes sagt.12 So wie der Prediger den Text auf seine subjektive Weise gehört hat, gesteht er seinen Hörern zu, nun auch seine Predigt je auf ihre Weise zu hören. Wenn in solch subjektiver Betroffenheit gehört wird, ist im Ergebnis zwar nicht alles möglich,13 aber doch sehr viel – was man dann doch auch bitte als subjektiv authentisch gelten lassen solle! Kein Wunder, dass Wahrheit dann nur noch aus diversen individuellen Wahrheiten besteht. Verstehen wird vom Ansatz her zu etwas wesenhaft Subjektivem. Die Möglichkeit und die Wünschbarkeit der Vermittlung von gültiger Wahrheit, die auch noch zutreffend ihrer ursprünglichen Bedeutung nach verstanden werden könnte, wird bestritten....

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