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Lebensraum Institution: Alltagsgestaltung für Menschen mit einer kognitiven Beeinträchtigung und/oder Verhaltensauffälligkeiten in einer dezentralisierten Institutionsform

AutorAlexandra Zilioli
VerlagBachelor + Master Publishing
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl69 Seiten
ISBN9783955497637
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis14,99 EUR
'Menschen mit einer kognitiven Beeinträchtigung und Verhaltensauffälligkeiten sind in unserer Gesellschaft wohl bekannt jedoch kaum akzeptiert und integriert.' Alexandra Zilioli In diesem Fachbuch werden Erklärungssätze über die Entstehung von Verhaltensauffälligkeit und 'Behinderung' beschrieben. Es wird gezeigt wie die Aufgabe von Fachleuten aussehen kann, die Gesellschaft zu sensibilisieren und dadurch eine zeitgemäße Wohnform zu ermöglichen, die den Menschen mehr Lebensqualität bringt und ihnen die Chance auf eine gesellschaftliche Integration bis zur Inklusion bietet. Der 'Lebensraum Institution' wird anhand eines Beispiels aus der Praxis über eine dezentrale Wohnform dargestellt und die Alltagsgestaltung in den jeweiligen Bereichen (Wohnen/ Arbeit/ Freizeit) verdeutlicht.

Alexandra Zilioli wurde 1987 in Zürich geboren. Als starke Legasthenikerin schloss sie die Ausbildung als Fachfrau für Betreuung im Behinderten Bereich nach ART. 32 in St.Gallen ab. Darauf folgten Weiterbildungen wie Kurse in Maltherapie und ein Modullehr

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Leseprobe
Textprobe: Kapitel 4.3, Normalisierungsprinzip und die Umsetzung im sozialpädagogischen Alltag: Das Normalisierungsprinzip entstand in den 60er Jahren weitgehend für die Arbeit mit Menschen mit einer kognitiven Beeinträchtigung. Bank-Mikkelson hat den Normalisierungsgedanken in der dänischen Gesetzgebung verankert und Bengt Nirjie hat in Schweden das Normalisierungsprinzip in acht Punkten formuliert. Der Normalisierungsgedanke wurde in den USA und in Kanada bei vielen Kongressen und in verschiedenen Ausprägungen maßgeblich weiterentwickelt. Nebst Bengt Nirjie übernahm Wolf Wolfensberger dabei in den USA eine tragende Rolle. Er setzte sich für Verbesserungen der Bedingungen in den Institutionen, Einrichtungen und Anstalten durch Aufnahme des Normalisierungsgedankens ein. Dadurch wurden verschiedene Verbesserungen erzielt. Parallel zu den Kongressen in den USA wurde auch in den deutschsprachigen Ländern der Gedanke des Normalisierungsprinzips in den Fachdiskurs aufgenommen. In den verschiedenen Ländern wurde im Zusammenhang mit dem Normalisierungsprinzip der Prozess der Deinstitutionalisierung angestoßen. Pointiert auf den Punkt gebracht hat es Bengt Nirjie: 'Das Normalisierungsprinzip beinhaltet, allen Menschen mit geistiger Behinderung Lebensmuster und Alltagsbedingungen zugänglich zu machen, die den üblichen Bedingungen und Lebensarten der Gesellschaft soweit als möglich entsprechen [...].' (Nirjie, zitiert in Eisenberger, 1999, S.3) Bengt Nirjie hat das Normalisierungsprinzip in acht Punkten formuliert. Diese werde ich in der Folge an Beispielen aus der Wohngemeinschaft erläutern, in der ich arbeite. 1., Ein normaler Tagesablauf: Normalisierung bedeutet, Gelegenheit zu einem normalen Tageablauf zu haben. Wir verstehen unter einem normalen Tagesablauf, dass die Wohngemeinschaft regelmäßige Essenszeiten hat. Dies heißt nicht, dass die Bewohnenden nicht früher oder später essen können. Mittags- und Abendmahlzeiten werden jeweils auf 12:00 Uhr und 18:00 Uhr mit Bewohnenden zusammen zubereitet. Die Betreuung beginnt morgens um 07.30 Uhr. Auch nachts ist immer jemand auf Pikett im Haus. Die Arbeitszeit für die Bewohnenden beginnt intern um 09:00 Uhr. Die extern Arbeitenden machen sich um 09:00 Uhr auf den Arbeitsweg. Die Zeiten für Znüni, Mittagessen, inklusive Mittagspause und Zvieri sind als Tagesstruktur gegeben. Die extern Arbeitenden kommen gegen 17:00 Uhr zurück und auch die interne Arbeit wird um diese Zeit beendet. Nach der Arbeit gibt es verschiedene Freizeitangebote; wie bspw. im Dorf eine Gaststätte aufsuchen, Spiele spielen, Musik hören, Filme schauen, abendliche Spaziergänge ect. Die Bewohnenden werden aufgefordert, selbständig auszuwählen. Der Rückzug ins eigene Zimmer ist außerhalb der Arbeitszeit immer möglich. Für zwei Bewohnende, eine ältere Frau und ein Bewohner, welche die Tagesablauf- Strukturen nicht einhalten können oder wollen, besteht die Möglichkeit, diese so zu gestalten, wie sie das wünschen. Von uns werden jedoch die verschiedenen Angebote nur in den festgelegten Zeiten gemacht. Das Sich- einfügen in die angebotenen Strukturen ist für alle Bewohnenden grundsätzlich offen. Dies bedeutet zum Beispiel, dass wenn der Bewohnende nicht rechtzeitig zum Mittagessen erscheint, das Mittagessen nicht abgeräumt wird und es besteht für den Bewohnenden die Möglichkeit, selbst etwas zu kochen oder sich aus dem Kühlschrank zu bedienen. An den Wochenenden werden oft nur Freizeitangebote gemacht. Der Zeitpunkt des Zu-Bett-Gehens wird von der Betreuung nicht vorgeschrieben, sie empfehlen es aber gelegentlich. In der Wohngemeinschaft gibt es keine Nachtwache, sondern es besteht ein Pikett Dienst. Nachtruhe gilt unter der Woche ab 22:00 Uhr, in dem Sinne, wie es das Gesetz grundsätzlich vorschreibt. 2., Ein normaler Wochenablauf: Das Normalisierungsprinzip bedeutet auch, Gelegenheit zu einem normalen Wochenablauf zu haben. Die örtliche oder räumliche Trennung von Arbeitsplatz und Wohnplatz schaffen wir, in dem wir eine Tagesstruktur anbieten, welche in den unteren Räumen (Atelier/Werkstatt) oder im Garten stattfindet. Bei den extern Arbeitenden wird besonders darauf geachtet, dass Probleme aus dem Arbeitsbereich nicht in die Wohngemeinschaft getragen und vermischt werden. Nirjie geht davon aus, dass für Menschen 'normalerweise' das Wohnen und das Arbeiten an einem jeweils anderen Ort stattfinden. Zum normalen Wochenablauf gehört auch die klare Trennung zwischen Wochentagen und Wochenenden. Wochentage sind bei uns Montag bis Freitag, Samstag und Sonntag sind Wochenende. Wir sind bemüht, dass alle Bewohnenden den Arbeitsort selbstbestimmt wählen können. Dies ist jedoch nicht immer umsetzbar, da externe Arbeitsstellen einzelne unserer Bewohnenden als 'nicht tragbar' eingestuft haben. Deshalb wurde mit diesen Bewohnenden zusammen eine individuell angepasste, interne Arbeitstagestruktur ausgearbeitet. 3., Ein normaler Jahresablauf: Das Normalisierungsprinzip bedeutet, den Jahresablauf durch Einhaltung von Feiertagen, Ferien- und Familientagen von persönlicher Bedeutung erleben zu können. Wir versuchen einen normalen Jahresablauf zu leben, indem wir die traditionellen Feiertage wie Weihnachten, Ostern oder auch Fasnacht unter Einbezug der Bewohnenden aktiv gestalten. Zum Beispiel färben wir vor Ostern Eier oder basteln im Advent Weihnachtsschmuck. Auch unser eigener Kräuter- und Gemüsegarten zeigt den Jahresablauf bestens auf. Die Bewohnenden führen verschiedene Arbeiten, zu den verschiedenen Jahreszeiten passend aus und können dann die saisonalen Gerichte zubereiten und kosten. Die Organisation der saisonalen Kleiderbesorgung gehört auch zum normalen Jahresablauf der Bewohnenden. Seit ein paar Jahren organisiere ich im Sommer 'Wohngemeinschaftsferien' in der Toskana. Dort ist der Tagesablauf so normal wie es sich gehört, wenn man eben Ferien macht. Diese Ferien sind für alle beteiligten Bewohnenden immer wieder ein Höhepunkt im Jahresverlauf.
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