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Leviathan | Deutsche Übersetzung der Original-Ausgabe von 1651

Leviathan oder Stoff, Form und Gewalt eines kirchlichen und staatlichen Gemeinwesens | Teil 1 und 2

AutorThomas Hobbes
Verlagepubli
Erscheinungsjahr2019
Seitenanzahl331 Seiten
ISBN9783748518624
Altersgruppe1 – 99
FormatePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis2,99 EUR
Thomas Hobbes' 'Leviathan' zählt zu den einflussreichsten Schriften der politischen Philosophie. Hobbes argumentiert dafür, die Gewalt auf einen absoluten Herrscher zu übertragen, weil sich die Menschheit in einem 'Krieg aller gegen alle' befinde. Ausgehend von seinem negativem Menschenbild ('homo homini lupus': Der Mensch ist dem Menschen ein Wolf) entwickelt Hobbes hier eine der wirkmächtigsten politischen Schriften der Neuzeit. Das vorliegende Buch wurde sorgfältig editiert und enthält Teil 1 und 2 von Thomas Hobbes' Werk im Original-Wortlaut der deutschen Übersetzung. Ein verlinktes Inhaltsverzeichnis erleichtert die Navigation im E-Book.

Thomas Hobbes (1588-1679), englischer Staatstheoretiker und Philosoph.

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Leseprobe

2. Kapitel: Von der Vorstellungskraft


Was einmal ruht, wird, wenn es nicht anderweitig in Bewegung gesetzt wird, immer in Ruhe bleiben; das leuchtet wohl einem jeden ein. Daß aber ein einmal in Bewegung gebrachter Körper sich, wenn er nicht anderweitig daran verhindert wird, ohne Aufhören fortbewegen werde, das ist (obgleich der nämliche Satz: nichts vermag sich selbst zu bewegen, hierbei zu Grunde liegt) nicht so einleuchtend. Denn die Menschen beurteilen gewöhnlich alles nach sich selbst; wenn sie nur gewahr werden, daß bei ihnen auf Bewegung Schmerz und Ermüdung folgt, so vermuten sie bei allen bewegten Körpern ein Gleiches, als wenn diese zuletzt ermüdet nach Ruhe strebten. Sie denken aber nicht daran, daß das Streben nach Ruhe selbst eine Bewegung in sich schließt. Hierauf gründet sich der Lehrsatz in den Schulen: schwere Körper fallen aus Streben nach Ruhe und um der Erhaltung ihrer Natur willen an die für sie passendsten Orte nieder; und so schreiben die Menschen leblosen Dingen ein Streben und eine Erkenntnis dessen, was ihnen nutzt und schadet (woran es dem Menschen so gar oft fehlt) ganz unrichtig zu.

Sobald ein Körper in Bewegung gebracht worden ist, so wird er, wenn kein anderer Körper es hindert, sich immerfort bewegen; und dieses Hindernis hemmt die Bewegung nicht immer auf einmal, sondern auch allmählich und gradweise. Wie auf dem Meer nicht dann gleich Ruhe wiederkehrt, sobald der Sturm sich legt, ebenso ist es auch mit der Bewegung im Menschen, wenn er sieht, träumt usw. Denn wenn auch wirklich der Gegenstand sich entfernt oder das Auge geschlossen wird, bleibt dessen Bild dennoch unserer Seele, wiewohl etwas dunkler, gegenwärtig. Dieses Bild aber hat die Benennung Einbildungskraft veranlaßt. Noch richtiger nennen es die Griechen φαντασίαν, es entstehe, durch welchen Sinn es wolle; Bild aber kann nur eigentlich von Gegenständen des Gesichts gesagt werden. Die Einbildungskraft ist daher nichts als die aufhörende Empfindung, oder die geschwächte und verwischte Vorstellung und ist sowohl dem Menschen als auch fast allen Tieren gemein, sie mögen schlafen oder wachen.

Daß nach Entfernung des Gegenstandes die Vorstellung schwächer wird, rührt nicht von der verringerten Bewegung des Empfindenden her, sondern von anderen Gegenständen, die seine Sinne beschäftigen. Gleichwie der stärkere Sonnenglanz den Schimmer der Sterne verdunkelt, obgleich sie an und für sich bei Tag so gut wie in der Nacht gesehen werden könnten. Aber weil unter den vielen und mannigfaltigen Eindrücken, welche die Augen, Ohren und die übrigen Sinnesorgane durch alles, was von außen her auf sie wirkt, bei Tag bekommen, nur der stärkste Eindruck empfunden wird, — so ist auch der besonders starke Sonnenglanz die Ursache, daß die Eindrücke der Sterne eben nicht von uns bemerkt werden. Wenn auch nach Entfernung des Gegenstandes der Eindruck bleibt, so wird dennoch durch die folgenden Gegenstände und deren Wirkung die Vorstellung des Vorhergehenden geschwächt und verdunkelt, wie die Stimme eines Menschen im Lärm des Tages. Je älter also ein Anblick oder die ehemalige Vorstellung eines Gegenstandes wird, je schwächer wird dessen Bild oder Vorstellung bei uns. Auch eine fortdauernde Veränderung der körperlichen Werkzeuge zerstört mit der Zeit manches, was bei der Empfindung in Bewegung gesetzt wurde, und folglich sind hierin die Länge der Zeit und die Entfernung des Ortes bei uns von einerlei Wirkung. Denn wie in einer großen Entfernung uns Gegenstände wenig deutlich erscheinen, so daß wir die kleineren Teile derselben nicht unterscheiden können, die Stimmen uns auch schwächer und einförmig vorkommen, ebenso verliert sich nach Verlauf eines beträchtlichen Zeitraumes auch allmählich die Vorstellung des Vergangenen, es entfallen uns z.B. von den Städten, welche wir sahen, manche Straßen und von den Handlungen manche Nebenumstände. Die schwächer gewordene Empfindung in Hinsicht der Vorstellung selbst nennen wir, wie schon gesagt, Einbildung; sehen wir aber auf das Schwächerwerden, so heißt dasselbe Gedächtnis, so daß folglich Einbildung und Gedächtnis eins ist, und nur in dieser verschiedenen Hinsicht auch verschiedene Benennungen erhält.

Wer sich vieler Ereignisse erinnern kann, hat Erfahrung. Wenn wir uns nur die Gegenstände vorstellen, die wir ehedem entweder auf einmal oder teilweise durch unsere Sinne aufnahmen, so ist die Vorstellung, insofern sie den ganzen Gegenstand auf einmal enthält, eine einfache Einbildung; so z.B. wenn sich jemand einen Menschen oder ein Pferd, welches er einmal sah, vorstellt. Die Vorstellung aber, welche aus der Empfindung einzelner Teile von verschiedenen Dingen entsteht, wie wenn wir von dem gehabten Anblick eines Menschen zu einer Zeit und von dem Anblick eines Pferds zu einer anderen Zeit veranlaßt werden, uns einen Kentauren zu denken, heißt eine zusammengesetzte Einbildung. So oft wie jemand die Vorstellung seiner eigenen Person mit der Vorstellung von den Handlungen eines anderen Menschen verbindet: Jemand bildet sich ein, er sei Herkules oder Alexander (wie es dem leidenschaftlichen Leser der Heldengeschichten oft ergeht), so ist dies eine zusammengesetzte Einbildung und ein bloßes Hirngespinst. Es entstehen auch in uns, sogar wenn wir wachen, viele andere Vorstellungen aus dem bei der ersten Empfindung gemachten tiefen Eindruck; denn ein scharfer Blick in die Sonne läßt noch lange Zeit ein kleines Sonnenbild wie einen Fleck in unseren Augen zurück, und nach einer anhaltenden und aufmerksamen Betrachtung geometrischer Figuren stellen sich uns im Dunkeln, auch wenn wir wachen, Linien und Winkel vor. Ob diese Art von Vorstellung eine eigene Benennung habe, ist mir unbekannt; es ist selten hiervon die Rede.

Die Vorstellungen der Schlafenden sind Träume. Auch sie entstehen wie alle übrigen Vorstellungen entweder ganz oder zum Teil aus der Empfindung. Und weil die notwendigen Werkzeuge der Empfindung, das Gehirn und die Nerven, im Schlaf so stumpf werden, daß sie durch äußere Gegenstände sehr schwer in Bewegung gesetzt werden, so können Schlafende gar keine Einbildung haben; folglich auch keinen Traum, — außer insofern dergleichen von der inneren Bewegung des empfindenden Körpers hervorgebracht wird. Die inneren Teile (infolge der Verbindung, worin sie mit dem Gehirn stehen) bewegen nämlich ihre Werkzeuge oft zur Unzeit, und bewirken es so, daß sich ehemalige Vorstellungen dem Träumenden so gut vergegenwärtigen, als ob er wache. Weil aber angenommen wird, daß während des Schlafs die Werkzeuge der Sinne jedes neuen Eindrucks unfähig sind, so daß also kein neuer Gegenstand auf sie wirken kann, so muß bei diesem Ruhestand der Sinne ein Traum eine weit größere Klarheit haben als alle Vorstellung eines Wachenden. Dies ist auch die Ursache, weshalb es so schwer, ja manchem unmöglich zu sein scheint, eine Empfindung von einem Traum richtig zu unterscheiden. Wenn ich erwäge, daß ich im Traum selten und nicht immer dieselben Gegenstände, Orte, Personen und Handlungen mir vorstelle, die ich wachend bemerke, noch daß ich im Traum keiner so langen und zusammenhängenden Reihe von Gedanken mir bewußt sein kann wie sonst; und weil ich beim Wachen sehr oft das Widersinnige in meinen Träumen gewahre, welches ich aber während des Traums nicht zu tun imstande bin, so überzeugt mich dies hinlänglich, daß ich im Wachen mir dessen, daß ich nicht träume, bewußt bin, obgleich ich im Traum wirklich zu wachen glaube.

Weil indes die Entstehung der Träume in der Unbehaglichkeit einiger innerer Teile des Körpers ihren Grund haben soll, so werden notwendig, je nachdem dieselbe verschieden ist, auch verschiedene Träume entstehen. Daher kommt es, daß diejenigen, welche auf dem Lager Kälte empfinden, gewöhnlich fürchterliche Träume haben und Schreckensbilder zu erblicken glauben, (denn die Bewegung vom Gehirn zu den übrigen inneren Teilen geht von hier aus zu jenem wieder zurück). Sowie auch ferner der Zorn im Wachen einige innere Teile erhitzt, so bewirkt auch die Erhitzung dieser Teile im Schlaf den Zorn und schafft im Gehirn das Bild eines Feindes. Und wie der Anblick von Liebenden im Wachen Liebe erzeugt und einige innere Teile erhitzt, so bringt gleichfalls die Erhitzung dieser Teile im Schlaf das Bild der Liebe hervor. Mit einem Wort: die Träume und die Vorstellungen eines Wachenden sind umgekehrt miteinander verbunden; beim Wachen nämlich entsteht die Bewegung im Gehirn, beim Schlaf hingegen in den inneren Teilen.

Sobald wir uns etwa nicht deutlich bewußt sind, daß wir wirklich einschliefen, wird es auch allemal schwer sein, Träume von wahren Vorstellungen zu unterscheiden. Dies ist gewöhnlich bei dem der Fall, welcher eine Freveltat verübt hat, oder noch damit umgeht, und, von diesen Gedanken, ohne wie sonst sich auszuziehen und sich niederzulegen, einschläft; sowie auch bei dem, welcher auf einem Stuhl sitzend oder in einer unnatürlichen Lage schläft. Wer sich aber, wie gewöhnlich, schlafenlegt, der kann ein sich ihm darstellendes ungewöhnliches und seltsames Bild für nichts anderes als einen Traum halten. Marcus Brutus, ein ehemaliger Freund des Julius Caesar, dessen Gnade er allein sein Leben zu verdanken hatte, war dennoch so undankbar, daß er ihn ermordete. Von diesem erzählen die Schriftsteller: daß er in der Nacht vor der Schlacht gegen den Augustus Caesar bei Philippi, eine schreckliche Vorstellung gehabt habe, die allgemein als eine wahre Erscheinung vorgestellt wird. Wer aber die näheren Umstände dabei genau erwägt, der wird sogleich finden, daß es nicht eine Erscheinung, sondern ein Traum war. Denn da er im Zelt saß, wo er, wegen seiner verwegenen Tat, natürlich traurig und in sich gekehrt war, und nicht eigentlich...

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