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Menschen mit geistiger Behinderung und Sport

Unter besonderer Berücksichtigung der Entwicklung einer Fußballmannschaft und der Organisation eines integrativen Fußballturniers

AutorMatthias Dietrich
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2011
Seitenanzahl80 Seiten
ISBN9783640969777
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis23,99 EUR
Bachelorarbeit aus dem Jahr 2011 im Fachbereich Soziale Arbeit / Sozialarbeit, Note: 1,3, Georg-Simon-Ohm-Hochschule Nürnberg (Fachhochschule), Sprache: Deutsch, Abstract: In Kapitel 2 und 3 der vorliegenden Arbeit wird auf die Begriffe Sport und geistige Behinderung im Einzelnen eingegangen. Anschließend wird der Begriff der Normalisierung im Kontext der Behindertenhilfe erläutert, ehe das Paradigma Integration im Zusammenhang mit Sport gebracht wird. Diesem theoretischen Vorbau der Arbeit folgt die Frage, welche sozialen Kompetenzen bei Menschen mit geistiger Behinderung durch Sport gefördert werden können. In Kapitel 7 steht die Geschichte, Entwicklung und Philosophie von Special Olympics im Vordergrund. Dabei handelt es sich um die weltweit größte Sportbewegung für Menschen mit geistiger Behinderung. Damit endet der theoretische Teil der Arbeit. Der praktische Teil beginnt in Kapitel 8 mit der Beschreibung der Fußballmannschaft des Christophorus-Heims der Diakonie in Neuendettelsau, einer Einrichtung für Menschen mit geistiger Behinderung. Dabei wird auf die Entstehung der Mannschaft und die Ziele, das eigentliche Training und die pädagogischen Erkenntnisse, die daraus resultieren, eingegangen. Als zweiter Praxisteil folgt die Beschreibung der Organisation eines integrativen Fußballturniers. Das Fußballturnier fand am 14. Mai 2011 statt und wird in der Arbeit als Projekt beschrieben und in einzelne Phasen gegliedert. Im praktischen Abschnitt wird immer wieder auf Erkenntnisse aus dem theoretischen Abschnitt zurückgegriffen. Im Überblick wird ersichtlich, welche positive Rolle Sport im Leben von Menschen mit geistiger Behinderung spielen kann und welche Entwicklungspotentiale sich aus sportlicher Betätigung auch für andere Bereiche des alltäglichen Lebens ergeben können.

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Leseprobe

5. INTEGRATION


 

5.1 Integration - Begriffsdefinition


 

Der Brockhaus definiert Integration wie folgt: „Bezeichnung für Prozesse der bewusstseinsmäßigen oder erzieherischen Eingliederung von Personen und Gruppen in oder ihre Anpassung an allgemein verbindliche Wert- und Handlungsmuster. Der Grad der Integration bestimmt das Ausmaß des Konsenses der Gesellschaftsmitglieder über die gemeinsamen Ordnungsprinzipien und damit die gesellschaftliche Stabilität" (BROCKHAUS 2004).

 

Da Integration auch in anderen Bereichen der sozialen Arbeit - beispielsweise der Arbeit mit Migranten - von großer Bedeutung ist, ist es notwendig Integration im Bezug auf die Arbeit mit Menschen mit Behinderung zu definieren.

 

Der Professor für Pädagogik und Vorreiter der schulischen Integration Jakob Muth beschrieb Integration im Bezug auf die Behindertenhilfe mit folgenden Worten: „Integration meint die Gemeinsamkeit von behinderten und nichtbehinderten Menschen in allen Lebensbereichen der Gesellschaft." (CLOERKES 2007, S.211).

 

Speck bezieht sich in seiner Definition bewusst auf die soziale Integration; „Im Bereich der Behindertenarbeit wurde der Begriff soziale Integration im besonderen im Sinne gemeinsamer Gruppenzugehörigkeit behinderter und nichtbehinderter Kinder verstanden, aber auch im Sinne einer makrosozialen Akzeptierung und Eingliederung in das soziale Bewusstsein. Damit wird deutlich, dass soziale Integration nicht mehr allein auf den behinderten Menschen bezogen werden kann, sondern zugleich auch auf die Sozietät. Soziale Integration erweist sich als ein Wechselwirkungsprozess. Die Bereitschaft des behinderten Menschen, sich sozial anzupassen, erscheint dabei stärker als das Entgegenkommen der allgemeinen sozialen Umwelt (...)" (SPECK 1990, S.174).

 

5.2 Integration in der Behindertenhilfe


 

Soziale Integration ist in der Behindertenhilfe und auch in der Sozialpolitik der Bundesregierung seit Jahren ein Thema.

 

Wie in Abschnitt 5.1 definiert, steht soziale Integration also für die soziale Eingliederung von Menschen mit Behinderung in die Gesellschaft. Wie Speck (1990) bereits erwähnt, bedeutet dies nicht, dass Menschen mit Behinderung in die Lebenszusammenhänge nichtbehinderter Menschen eingepasst werden. Speck legt Wert auf einen Wechselwirkungsprozess, also die beidseitige Bereitschaft zur Veränderung. Nur so lassen sich Gemeinsamkeiten finden, die eine soziale Integration ermöglichen.

 

Speck unterscheidet dabei personale Integration und soziale Integration.

 

Personale Integration beschreibt er wie folgt:

 

„Selbstsein oder Einssein mit sich selber, sich selber bejahen und auch ertragen, darauf käme es an, wenn wir von personaler Integration reden. Dabei sind selbstverständlich alle Probleme, Widerstände und Unzulänglichkeiten mit eingeschlossen" (SPECK 1998, S.415). Soziale Integration definiert Speck wie folgt: „Gemeint ist das Finden und Aufbauen von Zusammenhängen des Individuums mit der sozialen Umwelt, die Eingliederung in Rollensysteme; (...)" (SPECK 1990, S.173). Von sozialer Integration spricht man also, wenn auch äußere Faktoren eine Rolle spielen, beispielsweise bei der Interaktion eines Menschen mit Behinderung mit einer sozialen Gruppe.

 

Der Professor für Sportwissenschaften Volker Scheid hat sich ebenfalls mit dem Thema Integration im Hinblick auf Sport beschäftigt. Er unterscheidet zwei konzeptionelle Merkmale von Integration:

 

- Integration als Ziel

 

- Integration als Mittel

 

„Integration als Ziel bedeutet die bestmögliche Teilhabe des Behinderten an Familie, Beruf, Öffentlichkeit und seine Selbstzufriedenheit; dies kann auch durch Separation angestrebt werden. Integration als Mittel hingegen ist gemeinsame Erziehung von Behinderten und Nichtbehinderten; nur in diesem Fall sind Ziel und Mittel identisch. Integriertheit als Ziel soll durch Integration, d.h. durch möglichst zahlreiche und frühzeitige Gemeinsamkeiten von Menschen mit und ohne Behinderung erreicht werden" (SCHEID 1995, S.17).

 

Der Integrationsprozess ist dynamisch und soll im folgenden Modell veranschaulicht werden.

 

 

Abbildung 3: „Komplexität der Interaktionsprozesse"

 

(SCHEID 1995, S.18)

 

Die Abbildung stellt die Komplexität der Interaktionsprozesse nach Gutberlet dar.

 

Entfremdung bzw. Annäherung finden auf drei Komplexitätsebenen der Sozialbeziehung

 

statt.

 

- innerpsychische Komplexitätsebene: meint die innere Einstellung eines Menschen gegenüber Menschen mit Behinderung. Die Pole auf dieser Ebene sind Verleugnung und Akzeptanz.

 

- interpersonelle Komplexitätsebene: meint die interpersonellen Kontakte und Beziehungen in der Gruppe. Die Pole sind Abstoßung und Begegnung.

 

- institutionelle Komplexitätsebene: meint die institutionelle Einbindung von Menschen mit Behinderung. Die Pole sind Aussonderung und Integration (SCHEID 1995, S.18).

 

Die Integration findet also auf drei Komplexitätsebenen statt. Der Prozess der Integration ist ein Modus der Annäherung:

 

- Akzeptanz: eigene Vorurteile abbauen, persönliche Einstellung gegenüber Menschen mit Behinderung ist auf Akzeptanz ausgelegt.

 

- Begegnung: erst nachdem man Vorurteile abgebaut hat, kann es zur Begegnung zwischen Menschen mit und ohne Behinderung kommen, die auf einer akzeptierenden Basis zustande kommt.

 

- Integration: ist der letzte Schritt des Modus der Annäherung; erst nachdem Akzeptanz und Begegnung verwirklicht wurden, ist Integration möglich (SCHEID 1995, S.18).

 

Nach Scheid ist Integration von persönlichen und sozialen Voraussetzung abhängig, d.h. für Integration müssen innere (persönliche Einstellung) und äußere (Umwelt) Voraussetzungen geschaffen werden.

 

Speck und Scheids Erklärung von Integration ähneln sich in manchen Punkten. Scheids Beschreibung ist schon auf das Thema Integration durch Sport ausgerichtet.

 

Im folgenden Punkt soll dieses Thema noch genauer betrachtet werden.

 

5.3 Integration durch Sport


 

Integration kann in vielen Bereichen des Lebens gefördert und unterstützt werden.

 

Sport als Medium der Integration ist in den letzten Jahren verstärkt in den Vordergrund getreten.

 

Gemeinsame sportliche Aktivitäten von Menschen mit und ohne Behinderung schaffen einen Rahmen um sich kennenzulernen und um Vorurteile abzubauen. Veränderungen auf der interpsychischen und interpersonellen Komplexitätsebene werden durch Sport ermöglicht.

 

In Anlehnung an das Modell der Komplexität von Integrationsprozess nach Gutberlet lassen sich drei Niveaustufen der Integration in vertikaler und horizontaler Richtung unterscheiden.

 

 

Abbildung 4: „Integration im und durch Sport"

 

(SCHEID 1995; S.20)

 

In vertikaler Richtung wird der Prozess der Integration dargestellt. Von Annäherung über Begegnung und Akzeptanz hin zur Integration.

 

Die horizontale Richtung unterscheidet drei Niveaustufen von Bewegung, Spiel und Sport:

 

- Bewegung, Spiel und Sport für Menschen mit Behinderung:

 

„Behindertenspezifische Angebote zielen auf einen Aufbau von motorischen und sozialen Kompetenzen, von Selbstständigkeit und sportbezogener Handlungsfähigkeit. Soziale Integration ist ein Richtziel dieser Maßnahmen. Erst durch die Existenz behindertenspezifischer Angebote und deren Präsentation kann in der Öffentlichkeit der Prozess der Akzeptanz in Gang kommen" (SCHEID 1995, S.19). Angebote auf diesem Niveau sind ausschließlich für die Zielgruppe der Menschen mit Behinderung gedacht, beispielsweise Fußballtraining in einer Einrichtung für Menschen mit Behinderung.

 

Bewegung, Spiel und Sport mit Menschen mit Behinderung:

 

„Behindertengerechte Spiel- und Sportangebote schaffen Begegnungssituationen in verschiedenen Lebensbereichen. Sie bieten Gelegenheiten, Vorurteile und Ängste zu thematisieren und abzubauen. Integration wird zum Erziehungsmittel" (SCHEID 1995, S.20). Integrativer Schulsport, also Sportunterricht mit Kindern mit und ohne Behinderung wird beispielsweise auf diesem Niveau eingeordnet.

 

- Bewegung, Spiel und Sport der Menschen mit Behinderung:

 

„Bewegung, Sport und Spiel in Eigenverantwortung und Selbstorganisation, institutionell verankert, beschließt einen erfolgreichen Annäherungsprozess. Gemäß den eigenen Bedürfnissen und Fähigkeiten sollte ein Sporttreiben in verschiedenen (Behinderten-) Sportgruppen möglich sein" (SCHEID 1995, S.20).

 

Eine Frage, die sich nun stellt: Auf welchem Niveau befindet sich Deutschland?

 

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