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Mir nach!

Erfolgreich führen vom heiligen Benedikt bis Steve Jobs

AutorBenedikt Weibel
VerlagNZZ Libro
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl312 Seiten
ISBN9783038239543
FormatePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis18,30 EUR
Zwei Worte, eine klare Führungsanweisung: Mir nach! Über die Jahrhunderte hat sich Führung von der kruden Menschensteuerung zum partnerschaftlichen Umgang entwickelt. Die faszinierenden Geschichten über 1 500 Jahre Führung, von den Benediktinern über Napoleon, von Magellan über Maria Theresia bis zu Steve Jobs und vielen anderen zeigen, wie sich im Laufe der Zeit der Umgang mit Macht, Gehorsam, Disziplin, Loy alität, Verantwortung und Motivation verändert hat. Aber auch, dass sich Relikte bis heute erhalten haben, wie zum Beispiel Elemente höfischen Zeremoniells und Methoden der Einschüchterung. Gibt es ein Muster für erfolgreiche Führung? Dieser Schlüsselfrage geht der Autor in einer vergleichenden Analyse nach und kristallisiert fünf entscheidende Faktoren heraus. Benedikt Weibel hat lange Jahre selber geführt und sich aus verschiedenen Perspektiven mit Führung aus einandergesetzt.

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Leseprobe

2. Führung in der Armee

2.1  Die Preussen

«Preussen» ist im Verlauf seiner Geschichte zum Synonym für Militarismus geworden. «Das Bild des preussischen Militärs mit seiner arroganten, affektierten und herablassenden Pose verkörperte für viele… die schlimmsten Eigenschaften des Staatswesens.»108 Heinrich Heine fasst seinen Spott und Sarkasmus in die Verse:

Noch immer das hölzern pedantische Volk,
Noch immer ein rechter Winkel
In jeder Bewegung, und im Gesicht
Der eingefrorene Dünkel.

Sie stelzen noch immer so steif herum,
So kerzengrade geschniegelt,
Als hätten sie verschluckt den Stock,
Womit man sie einst geprügelt.

Die Nationalsozialisten bedienten sich sehr bewusst «preussischer Motive, um den Primat von Loyalität, Gehorsam und Wille zu betonen».109 Nach dem Krieg sprach Winston Churchill von der «Kriegsmaschine mit ihren eitlen, säbelrasselnden, Hacken zusammenschlagenden preussischen Offizieren und den dummen, fügsamen Massen von Hunnenkriegern, die über das Land herfallen wie ein Heuschreckenschwarm».110 Und er kam zum Schluss: «Was Europa ein für alle Mal abschütteln müsse, sei der preussische Militarismus mit seiner schrecklichen Philosophie.»111 Zwischen den Alliierten bestand ein Konsens, dass «dieser todgeweihte Leichnam Preussen endlich getötet werden müsse».112 Die déprussification wurde konsequent umgesetzt, auch der Name Preussen sollte für immer verschwinden. «Am 25. Februar 1947 unterzeichneten Vertreter der alliierten Besatzungsbehörden in Berlin ein Gesetz zur Auflösung des Preussischen Staates.»113

Der erste Satz der Präambel des Gesetzes ist unmissverständlich:

«Der Staat Preussen, der seit jeher Träger des Militarismus und der Reaktion in Deutschland gewesen ist, hat in Wirklichkeit zu bestehen aufgehört.»

Artikel I bestimmt: «Der Staat Preussen, seine Zentralregierung und alle nachgeordneten Behörden werden hiermit aufgelöst.»114

Preussen wuchs aus dem hohenzollerischen Brandenburg, einem «nicht gerade vielversprechenden Territorium».115 Das Land wurde im Dreissigjährigen Krieg (1618–1648) verwüstet. «Gräueltaten waren das charakteristische Kennzeichen dieses Krieges. Sie drückten etwas aus, was sich tief in das Gedächtnis eingrub: die Aufhebung jeglicher Ordnung…»116 Unter Friedrich Wilhelm, dem «grossen Kurfürsten», der sein Land von 1640–1688 ausserordentlich lange regierte, transformierte sich das Land grundlegend. «Friedrich Wilhelm hat das Amt des Kurfürsten sozusagen neu erfunden… [er] arbeitete härter als ein Sekretär… Seine Minister staunten über sein Detailwissen, sein Urteilsvermögen und seine Fähigkeit, ganztägige Arbeitssitzungen durchzustehen.»117 Gegen Ende seiner Regierungszeit verfügte Brandenburg über ein stehendes Heer von 30000 Mann. Dabei hatten sich bereits Elemente der späteren preussischen militärischen Kultur herausgebildet: «…regelmässiger, systematischer Drill der Truppen in Schlachtmanövern, starke funktionelle Ausdifferenzierung und ein diszipliniertes, professionelles Offizierskorps».118 Der grosse Kurfürst gründete eine Kadettenschule für Offiziersrekruten. Die Ausbildung der Offiziere wurde standardisiert und «der Zusammenhalt und die Moral der niederen Dienstgrade gestärkt, was sich in den 1680er Jahren an der hervorragenden Disziplin und der geringen Anzahl von Deserteuren ablesen liess».119 Später wurde die Kadettenschule durch eine Lehranstalt für junge Offiziere, eine eigentliche Eliteschule, ergänzt.120

Das brandenburgische Heer errang grosse Siege in Fehrbellin und Warschau. Dabei stand Friedrich Wilhelm, «mittlerweile ein korpulenter Mann von 55 Jahren, mitten im Kampfesgetümmel».121 Ende des 17. Jahrhunderts war Brandenburg-Preussen nach Österreich das zweitgrösste deutsche Fürstentum.122 1701 wurde Kurfürst Friedrich III. von Brandenburg mit riesigem Pomp zum König Friedrich I. von Preussen gekrönt, 1713 folgte ihm sein Sohn als Friedrich Wilhelm I. auf dem Thron. Der australische Historiker Christopher Clark spricht in diesem Zusammenhang von einer Kulturrevolution. Friedrich I. hätte zum Typ A gehört: ein «leutseliger, pompöser Verschwender, in erster Linie auf sein Image bedacht und der täglichen Regierungsarbeit eher abgeneigt», sein Nachfolger zum Typ B: «der asketische und sparsame Workaholic».123 Die Typen hätten sich in der Folge abgewechselt, wobei der Typ B präsenter gewesen sei. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger trug Friedrich Wilhelm I. eine Militäruniform, was «bis zum Ende der preussischen Monarchie nach dem Ersten Weltkrieg ein auffälliges Merkmal dynastischer Repräsentation der Hohenzollern» blieb.124 Die damit bezeugte demonstrative Bescheidenheit hatte religiöse Wurzeln. Preussens Protestantismus war von verschiedenen Strömungen beeinflusst: Lutheraner, Calvinisten und ganz besonders Pietisten (s. 1, 1.3). «Die Pietisten schätzten Zurückhaltung und Bescheidenheit und verachteten die Prunk- und Verschwendungssucht am Hofe. Dort und in den Organen der militärischen und zivilen Ausbildung förderten sie systematisch die Tugenden der Nüchternheit, Sparsamkeit und Selbstdisziplin…»125 «[Es] erscheint wahrscheinlich, dass die Pietisten mit ihrer moralischen Rigorosität und ihrem frommen Berufsethos mit dazu beitrugen, das alte Bild des Offiziers als eines draufgängerischen und verwegenen Hasardeurs zu diskreditieren und stattdessen einen Verhaltenskodex für Offiziersränge zu etablieren, der auf Mässigkeit, Selbstdisziplin und unbedingtem Gehorsam basierte, Eigenschaften, die mit der Zeit als typisch ‹preussisch› definiert wurden.»126

Als Friedrich Wilhelm I. 1740 starb, hatte das preussische Heer eine Stärke von 80000 Mann.127 Die einzige Verschwendung, die sich der Monarch leistete, waren die «Langen Kerls», hochgewachsene Soldaten, die in ganz Europa rekrutiert wurden.128 Der «Paradedrill» wurde unter seinem Regime intensiviert und damit die Manövrierfähigkeit grosser Truppenverbände verbessert.129 Indem er den Adel über die Kadettenschulen in die Armee integrierte, wurde eine militärische Tradition auf Basis der «ungebrochenen Macht der Junker, jener adeligen Gutsbesitzer in den Gebieten östlich der Elbe…»130 gebildet. «Die Folge sei eine tief greifende Militarisierung der brandenburgisch-preussischen Gesellschaft gewesen.»131

Den Höhepunkt der preussischen Geschichte bildete die 46-jährige Regentschaft von Friedrich II., dem Grossen (1740–1786). Eine Flut von Veröffentlichungen anlässlich seines 300. Geburtstages 2012 zeigt die ungebrochene Popularität und Faszination des Monarchen. Auf der Front des Spiegels erscheint er als Friedrich der Grösste.132 «Was die Grösse seines Intellekts angeht, kann es keinen Zweifel geben. Sein ganzes Leben hindurch verschlang er Bücher.»133 Während seiner Feldzüge führte er eine mobile Feldbibliothek mit. Sein eigenes literarisches Werk umfasst mehrere Dutzend Bände. Friedrich war auch ein ausgezeichneter Musiker. Er «übte und spielte unablässig [Querflöte], mit einem Perfektionismus, der an Besessenheit grenzte».134 Ganz in der preussisch-pietistischen Tradition hatte er eine «Abneigung gegen den friderizianischen Personenkult»135 und verzichtete auf die Insignien der dynastischen Monarchie. Der König trug stets «einen alten blauen Soldatenrock…, dessen Revers mit Spuren von spanischem Schnupftabak befleckt war».136 Auch fernere Nachfolger zelebrierten dieses Element preussischer Kultur. Der erste deutsche Kaiser und preussische König Wilhelm I. «behielt die knauserigen Gewohnheiten eines ostelbischen Junkers bei. … Kutschen mit Gummireifen lehnte er beharrlich mit der Begründung ab, sie seien unnötiger Luxus. In dieser Verschrobenheit steckte auch ein Element selbstbewussten Auftretens. Der König trachtete danach, die preussische Schlichtheit, Selbstdisziplin und Sparsamkeit zu personifizieren.»137

Die wichtigste politische Einzelaktion Friedrichs des Grossen war die Eroberung und Einverleibung von Schlesien, «eine Entscheidung, die der König allein getroffen hatte, gegen den Rat seiner höchsten diplomatischen und militärischen Berater».138 Damit «katapultierte [er] Preussen in eine gefährliche neue Welt der Grossmachtpolitik».139

Die Siege gegen Österreich und später gegen eine Koalition europäischer Grossmächte gründeten auf der Disziplin und Schlagkraft des preussischen Heeres: «…drei Reihen tief, Schulter an Schulter, die Bajonette aufgepflanzt, mit neunzig Schritt pro Minute… und beim Kontakt mit dem Feind auf siebzig verlangsamt – unbarmherzig, unaufhaltsam».140 Der preussische Drill versetzte die «Mauern aus blauen Uniformröcken in die Lage…, sich nach Belieben zu drehen und zu wenden, als hingen sie an unsichtbaren Fäden, und sich doppelt so schnell umzugruppieren wie die meisten anderen europäischen Armeen».141 Das Menschenbild, das der...

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