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Mobilitäten in Europa

Migration und Tourismus auf Kreta und Zypern im Kontext des europäischen Grenzregimes

AutorRamona Lenz
VerlagVS Verlag für Sozialwissenschaften (GWV)
Erscheinungsjahr2010
Seitenanzahl319 Seiten
ISBN9783531922874
FormatPDF
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis36,99 EUR


Dr. Ramona Lenz promovierte als wissenschaftliche Mitarbeiterin bei Prof. Dr. Gisela Welz am Institut für Kulturanthropologie und Europäische Ethnologie der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main.

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Leseprobe
4 Kreta (S. 175-176)

Griechenland hat knapp elf Millionen EinwohnerInnen (vgl. NSSG 2007, 35). Es grenzt an die Länder Albanien, Mazedonien, Bulgarien und Türkei, die alle – außer Bulgarien seit 2007 – nicht Teil der Europäischen Union sind, so dass die griechischen Landesgrenzen sowohl entlang der Küsten als auch auf dem Festland größtenteils gleichzeitig EU-Außengrenzen sind.1 Seit den 1960er Jahren ist Griechenland von einem rapiden Wachstum des Tourismus gekennzeichnet, 1981 wurde es Mitglied der Europäischen Gemeinschaft und spätestens seit Anfang der 1990er Jahre kann es als Einwanderungsland bezeichnet werden. Inwiefern die Tourismusentwicklung, die Orientierung Griechenlands in Richtung Europa und Migrationsbewegungen miteinander verschränkt sind, möchte ich am Beispiel meiner Forschung in Rethymno, einer Stadt im Norden Kretas, der größten griechischen Insel, verdeutlichen, die ich im Frühjahr und im Sommer 2004 durchführte.

4.1 Zur Feldforschung

Um einen möglichst breit gefächerten Eindruck von der touristisch-migrantischen Infrastruktur und ihrer Nutzung vor Ort zu bekommen, wählte ich verschiedene Unterkünfte für meinen Aufenthalt in Rethymno aus. Ich übernachtete sowohl in einem vor allem von dem Reiseveranstalter „Neckermann Reisen“ für Pauschalreisende aus Deutschland, Österreich, Polen und Ungarn gebuchten Hotel etwas außerhalb der Altstadt als auch in einem Gästehaus, einer Pension und einer Jugendherberge im Stadtzentrum. Ich sprach mit dem griechischen und nicht-griechischen Personal ebenso wie mit verschiedenen Gästen.

Es stellte sich dabei heraus, dass die touristische Infrastruktur nicht nur von TouristInnen genutzt wird, sondern auch von verschiedenen anderen Reisenden (vgl. hierzu auch Kapitel 6). Während meines Aufenthaltes in dem Neckermann-Hotel hatte ich es zwar vorwiegend mit PauschaltouristInnen zu tun, erfuhr aber von der Hotelmanagerin, dass einige Hotelzimmer über Winter häufig an StudentInnen vermietet würden. Ähnliches ließ sich auch in anderen Unterkünften beobachten. In der Pension traf ich beispielsweise zwei Erasmus-Studentinnen aus Frankreich und eine Studentin aus dem Norden Griechenlands, die auf Kreta studierten. In dem Gästehaus hatte sich ein ehemaliger deutscher Tourist, der später nach Kreta ausgewandert war, dauerhaft in einer Dachkammer eingerichtet.

Die Jugendherberge war zwar vor allem eine wichtige Adresse für Kurzaufenthalte von RucksacktouristInnen, gleichzeitig fanden sich aber auch hier viele Dauergäste unterschiedlichen Alters, vorwiegend aus Großbritannien, die auf Kreta arbeiteten. Auch von albanischen DienstleisterInnen erfuhr ich, dass die Jugendherberge ihre erste Übernachtungsgelegenheit auf Kreta gewesen war, bevor sie sich dann zu mehreren eine kleine Wohnung über den Sommer gemietet hatten. In allen Unterkünften traf ich zudem auf nicht-griechische Bedienstete.
Inhaltsverzeichnis
Geleitwort6
Vorwort8
Inhaltsverzeichnis9
Abbildungsverzeichnis13
Einleitung14
1Mobilitäten22
1.1Zum Begriff des Paradigmenwechsels23
1.2Zum Begriff des30
1.3Denken in Metaphern33
1.4Zur „Metaphysik der Sesshaftigkeit“35
1.5Zur „Metaphysik der Mobilität“40
1.6Metaphern der Mobilität – Leitfiguren der (Post-)Moderne?44
Flüsse, Netzwerke, Landschaften46
Wege, Transportmittel, Transiträume55
Menschen in Bewegung64
1.7 Zweifel und Kritik am mobility turn69
1.8Fazit73
2Migration und Tourismus77
2.1 Künstlerische Projekte zu Migration und Tourismus79
2.2 Sozial- und kulturwissenschaftliche Studien zu Migration und Tourismus86
2.3 Konzepte der Migrationsund Tourismusforschung94
Transnationalisierung94
Raum96
Authentizität98
Gastfreundschaft102
Der „touristische Blick“ und die Differenz107
2.4Fazit114
3Europa116
3.1Kapitelüberblick118
3.2 Historische Situierung statt selektiver Rückgriffe auf die Menschheitsgeschichte119
3.2.1 Räumliche Eingrenzung: Wo hört Europa auf?121
3.2.2 Zeitliche Eingrenzung: Wann beginnt Europa?122
Griechenland als „Wiege der europäischen Zivilisation“122
Die „Geburt Europas“ im Römischen Reich123
Der „Vater Europas“, das mobile Christentum und der Aufstieg der Städte imMittelalter124
3.3 Zur Herausbildung des europäischen Mobilitätsregimes seit dem Ende des Mittelalters unter besonderer Berücksichtigung Südeuropas128
3.3.1 Von der frühen Neuzeit bis zum Zweiten Weltkrieg128
Südeuropa und der Mittelmeerraum am Beginn der frühen Neuzeit128
Die Herausbildung von Nationalstaaten und die Formierung derDisziplinargesellschaft130
Das Zeitalter der Nation und des Massenverkehrs133
Die Herausbildung einer transnationalen Migrationsdynamik zwischen SüdostundWesteuropa und nach Übersee135
Der Erste Weltkrieg und das „Jahrhundert der Flüchtlinge“136
Der Zweite Weltkrieg und die Produktion von „BürgerInnen zweiter Klasse“138
3.3.2 Nach 1945140
Die Nachkriegsjahre140
Die westeuropäischen Migrationsregimes, Arbeitsmigration aus Südeuropa undder Ausbau des Massentourismus im Mittelmeerraum nach 1950141
Das Ende der Anwerbung und die Bemühungen um Rückkehr143
Die „neue“ Migration144
3.4 Migration und Tourismus als Regulationsobjekte des EU-Mobilitätsregimes146
3.4.1 Der EU-Erweiterungsprozess und die Regulation von Migration146
Die europäische Mobilitätsordnung der konzentrischen Kreise146
Die neue „Kunst des Regierens“ im erweiterten Europa148
Die „prinzipielle Variabilität der Grenzen“ und die „europäische Apartheid“149
Die Ausdifferenzierung der Grenzverläufe und -funktionen150
Die machtvolle Klassifizierung mobiler Personengruppen153
3.4.2 Der EU-Erweiterungsprozess und die Konstruktion einer europäischenIdentität in Programmen zu Mobilität, Kultur und Tourismus157
TouristInnen als Regulationsobjekte des europäischen Grenzregimes157
EU-Kulturpolitik und die Konstruktion einer europäischen Identität158
Tourismus als Gegenstand von Kultur- und Identitätspolitiken der EU und desEuroparats160
Kritik der Implementierungskritik163
Migration im Museum165
Die EU im Mittelmeerraum167
3.5Fazit169
4Kreta172
4.1Zur Feldforschung172
4.2Tourismus in Griechenland176
4.3Migration in Griechenland179
4.4Tourismus und Migration auf Kreta188
4.5 Touristische Blicke auf Kreta: Von authentischen Dörfern und echten GriechInnen195
4.6 Griechische ArbeitgeberInnen und DienstleisterInnen, der touristische Blick und das migrantische Personal204
4.7 Dauertouristische bzw. arbeitsmigrantische Blicke von WesteuropäerInnen auf GriechInnen und AlbanerInnen208
4.8 Migrantische DienstleisterInnen und ihre Erfahrungen im Umgang mit dem europäischen Mobilitätsregime, dem alltäglichen Rassismus inGriechenland und den touristischen Blicken213
Erfahrungen mit Behörden219
Erfahrungen mit ArbeitgeberInnen222
Erfahrungen mit griechischen Gästen223
Erfahrungen mit ausländischen TouristInnen224
Strategien225
Zukunftspläne226
4.9Fazit229
5Zypern233
5.1Zur Feldforschung233
5.2 Die Mobilitätsgeschichte Zyperns seit dem Ende der britischen Kolonialzeit bis zum EU-Beitritt235
5.3 Der EU-Beitritt, die ArbeitnehmerInnenfreizügigkeit und die Direktive 2003/109/EC241
5.4„Drittstaatenangehörige“ im Hotel-, Restaurantund Catering-Sektor246
5.5 Die Konstruktion von MigrantInnen als Bedrohung der „typisch zypriotischen Gastfreundschaft“253
5.6Migration und Tourismus in Plagia255
Illegalität und Schwarzarbeit257
EU-BürgerInnen zuerst: Ausbeutung trotz Arbeitsvertrag259
Illegale Jobvermittlungen und Europäerinnen ohne Arbeitsvertrag262
Zukunftspläne264
5.7Fazit268
6Zur Multifunktionalität touristischer Infrastruktur im Mittelmeerraum273
6.1„Hotel Royal“ – Ferienquartier und Abschiebelager273
6.2 Zur Plausibilität der in den Texten zum mobility turn angelegtenDichotomien am Beispiel von „Hotel Royal“274
Mobilität versus Immobilität275
Freiwillige versus erzwungene Mobilität277
Tourismus versus Migration278
6.3Ausblick280
Schluss283
Literaturverzeichnis287
Presse314
Bildnachweise315

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