2. PERSONALFREISETZUNGSPROBLEMATIK
Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Freisetzungsproblematik lässt sich bis in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts zurückverfolgen und wird seitdem in zahlreichen Publikationen erörtert. Eine einheitliche Begriffsbildung hat sich bisher jedoch nicht durchgesetzt.[14] So beschreiben bspw. Marr / Steiner[15] mit dem Begriff Personalfreisetzung die rein quantitative Verringerung der Zahl der Beschäftigten im Unternehmen. Gaugler[16], der als einer der ersten Autoren die Personalfreisetzung als eigenen Teilbereich der Personalplanung thematisierte, hebt hingegen hervor, dass Personalfreisetzung nicht primär mit Personalabbau oder Entlassung in Verbindung gebracht werden kann, sondern verschiedenste Variationen von Maßnahmen zur Veränderung der Personalstruktur beinhaltet. Bereits die eben beschriebenen, unterschiedlichen Interpretationen des Begriffes verdeutlichen die Notwendigkeit einer klaren Definition für den weiteren Verlauf der Arbeit.
Als Ansatzpunkt für eine inhaltliche Einordnung des Begriffes Personalfreisetzung soll dessen zentrale Funktion im Unternehmen dienen, nämlich personelle Überkapazitäten in qualitativer, quantitativer, zeitlicher und örtlicher Hinsicht zu beseitigen (oder vorab bereits zu vermeiden). Demnach wird in dieser Arbeit unter dem Begriff der Personalfreisetzung sowohl die Beendigung (z.B. durch Kündigung) als auch die Änderung bestehender Arbeitsverhältnisse bei gleichbleibendem Personalbestand (z.B. Einführung von Kurzarbeit) verstanden.[17] Darüber hinaus zählen auch so genannte freisetzungshemmende Maßnahmen ohne Änderung oder Beendigung bestehender Arbeitsverhältnisse zu den Instrumenten der Personalfreisetzung (z.B. Abbau von Überstunden).[18]
Für die Beschreibung der Veränderung betrieblicher Beschäftigungssituationen wird in der wissenschaftlichen Diskussion auf eine Vielzahl von Begriffen zurückgegriffen, die wiederum unterschiedlich abgegrenzt und definiert werden.[19] Klar abzugrenzen sind gegenüber dem hier definierten übergreifenden Begriff der Personalfreisetzung die Termini, die lediglich auf eine zahlenmäßige Reduktion des Personalbestandes abzielen. Personalabbau oder auch Personalentlassung umfassen ausschließlich den quantitativen und somit lediglich einen Teilaspekt des Entscheidungsfeldes der Personalfreisetzung.[20]
Denn „Personalfreisetzung geht über den zahlenmäßigen Rückgang des Personalbestandes hinaus und schließt ferner unter Berücksichtigung wirtschaftlicher und sozialer Gesichtspunkte Alternativen des organisationsübergreifenden Abbaus durch unterschiedliche Maßnahmen quantitativer, qualitativer, zeitlicher und örtlicher Variationen der Unternehmens und Personalstruktur mit ein“.[21] Personalfreistellung kann hingegen als Synonym für Personalfreisetzung verstanden werden.[22] Die uneinheitliche inhaltliche Interpretation des Begriffes ist spiegelbildlich für die im allgemeinen Sprachgebrauch häufige Gleichsetzung von Personalfreisetzung mit Entlassung. Im Folgenden soll deshalb dargestellt werden, welche Maßnahmen dem Unternehmen zur Beseitigung oder Vermeidung personeller Überkapazitäten konkret zur Verfügung stehen.
Die verschiedenen Maßnahmen der Personalfreisetzung werden in der Literatur nach unterschiedlichen Kriterien unterteilt.[23] Im Rahmen der bereits vorgenommenen begrifflichen Definition erfolgt hier eine Unterteilung der Maßnahmen in qualitativ, quantitativ, zeitlich und örtlich wirkende Veränderungen der Beschäftigungsstruktur:
Abbildung 1: Instrumente der Personalfreisetzung
In Anlehnung an: Kammel(2003): Sp. 13491350 ; Marr / Steiner (2003):S.73 ; Jung(2005): S.318 ; Mag(1986): S.162.
Die zeitlichen Personalfreisetzungsmaßnahmen sind dadurch gekennzeichnet, dass die Beschäftigungskapazität im Unternehmen bei gleichbleibendem Personalbestand (also ohne die Beendigung bestehender Arbeitsverhältnisse) und konstanten Leistungsgraden alleine durch die Verringerung der Arbeitszeit reduziert wird. Durch den Abbau von Überstunden können Personalkosten reduziert werden, da Überstundenzuschläge entfallen. Durch die vom Unternehmer bewusst gestaltete Urlaubsplanung (z.B. Anordnung von Betriebsferien) kann kurzfristigen, zeitlich vorhersehbaren Beschäftigungsschwankungen entgegengewirkt werden. Die Umwandlung von Voll in Teilzeitstellen durch Änderungskündigung stellt eine Arbeitszeitverkürzung für einzelne Arbeitnehmer auf den jeweiligen Arbeitsplätzen dar. Mit der Reduzierung der Arbeitszeit geht eine Reduzierung des Arbeitsentgelts einher. Eine dauerhafte Reduzierung der Regelarbeitszeit (z.B. Verkürzung der jährlichen Arbeitszeit) für alle AN ist nur durch Änderung der Tarifverträge oder durch Betriebsvereinbarungen möglich. Kurzarbeit beinhaltet die vorübergehende Verkürzung der betriebsüblichen Arbeitszeit als flexible zeitliche Anpassung an eine schwankende Personalauslastung.[24]
Qualitative Maßnahmen sind insofern für die Personalfreisetzung bedeutsam, um Arbeitskräfte für verschiedene Arbeitsplätze im Unternehmen verfügbar zu haben und verfügbar zu machen, weil sie dann durch hohe Einsatzflexibilität in einem anderen Unternehmensbereich weiter beschäftigt werden können. Diese Flexibilisierung des Personaleinsatzes kann erreicht werden durch Qualifizierung der Arbeitskräfte (z.B. Weiterbildung) oder durch arbeitsorganisatorische Maßnahmen (z.B. Arbeitserweiterung oder –bereicherung).[25]
Örtliche Maßnahmen beinhalten die Versetzung eines freizustellenden Mitarbeiters in einen anderen Unternehmensbereich (Kapazitätsverlagerung aus Überhang in Bedarfsbereiche[26]), vorausgesetzt es besteht dort ein Personalbedarf und der Mitarbeiter verfügt über die nötige Qualifikation. Die örtlichen hängen somit eng mit den qualitativen Maßnahmen zusammen.[27]
Quantitative Maßnahmen sind mit einer Beendigung von Arbeitsverhältnissen und dementsprechend mit einer zahlenmäßigen Verringerung des Personalbestandes verbunden. Sie entsprechen dem weit verbreiteten Begriff des Personalabbaus. Aufgrund der Art des Zustandekommens der Vertragsbeendigung erfolgt bei der Kategorisierung der Maßnahmen eine weitere Untergliederung. Dabei kann nach dem Kriterium unterschieden werden, ob mit der Reduzierung der Beschäftigungsverhältnisse eine „aktive“ Beendigung bestehender Arbeitsbeziehungen verbunden ist oder ob die Zahl der Beschäftigungsverhältnisse durch „passive“ Maßnahmen verringert wird.
Bei den passiv quantitativen Instrumenten verzichtet das Unternehmen auf Aktivitäten, die den Abbau der Personalkapazitäten explizit forcieren. Dies kann durch einen Einstellungsstop oder die Ausnutzung der natürlichen Fluktuation erfolgen. Vakante Stellen werden dabei per Einstellungsstopp nicht wieder besetzt.
Die andere Möglichkeit besteht in der Reduzierung der Beschäftigungsverhältnisse durch eine aktive Beendigung bestehender Arbeitsverhältnisse. Hinsichtlich der Art der damit verbundenen Vertragsbeendigung ist hier eine weitere Zweiteilung sinnvoll:
Bei der einseitig aktiven Form der quantitativen Personalfreisetzung kommt die Vertragsbeendigung durch eine einseitige Willenserklärung zustande. Zu diesem Bereich zählt die Kündigung (Entlassung).
Beim Abschluss von Aufhebungsverträgen oder bei Vorruhestandsregelungen wird vorab mit den betreffenden AN über die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses verhandelt und eine Willenserklärung von beiden Vertragsparteien ist erforderlich. Diese Maßnahmen zählen deshalb zu den aktiv zweiseitigen Maßnahmen. Bei den Instrumenten „Abbau von Leiharbeit“, „NichtVerlängerung befristeter Verträge“ und „Nichtübernahme von Auszubildenden“ liegt bei Vertragsschluss bereits eine Einwilligung der Vertragsparteien vor, so dass diese ebenfalls diesem Bereich zugeordnet werden können.[28]
Die vorgenommene Kategorisierung der quantitativen Maßnahmen ist aus dem Grund sinnvoll, weil je nach Art der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses die sozialen und ökonomischen Folgen unterschiedlich zu bewerten sind. Vor allem jedoch greifen je nach Form unterschiedliche arbeitsrechtliche Regelungen, die den unternehmerischen Gestaltungsspielraum bei der Personalfreisetzung beeinflussen. Hinsichtlich der mit den Instrumenten verbundenen sozialen Folgen werden in der Literatur die Formen des quantitativen Personalabbaus auch als „weiche“ (passive oder aktiv zweiseitige) oder „harte“ (aktiv einseitige) Abbauinstrumente bezeichnet....