Zahlreiche Studien haben gezeigt, dass attraktiven Menschen positivere Eigenschaften zugeschrieben werden als weniger attraktiven Menschen (Miller:1970; Byrne, London & Reeves:1968). Die Attraktivität eines Menschen setzt sich aus den verschiedensten Parametern zusammen, allerdings ist die Attraktivität des Gesichts am hervorstechendsten und ist somit am meisten untersucht worden. In einer Studie von Riggio, Widaman, Tucker & Salinas (1991) wird die Attraktivität des Gesichts als eine statische Variable angesehen, ebenso wie körperliche Attraktivität und Styling (zum Beispiel Kleidung, Körperpflege, Haarschnitt). Hinzu kommen aber auch dynamische Variablen, wie zum Beispiel Konversationfähigkeit, Sinn für Humor und expressives Verhalten (Riggio, Widaman, Tucker & Salinas:1991).
Es gibt verschiedene Formen zwischenmenschlicher Anziehung. Die stärkste Form ist die sexuelle Anziehung, die entsteht, wenn jemand als potentieller Ehe- oder Datingpartner in Frage kommt. Darüber hinaus entsteht auch Anziehung zu Freunden und Mitarbeitern und ganz besonders zu Menschen, mit denen es zu einer ersten Begegnung kommt. In all diesen zwischenmenschlichen Begegnungen beeinflussen die statischen und dynamischen Variablen den Gesamteindruck einer Person. Es stellte sich heraus, dass die Gesichtsattraktivität und die Ausdrucksfähigkeit die wichtigsten Beurteilungsfaktoren der Attraktivität sind. Dagegen haben die Variablen Körper und Kleidung nur einen geringen Einfluss auf die Gesamtattraktivität einer Person (Riggio et al.:1991). So hängen zum Beispiel die kommunikativen Fähigkeiten einer Person mit der Attraktivität der Stimme, auf die in dieser Arbeit genau eingegangen werden soll, zusammen.
Es hat sich herausgestellt, dass Eindrücke nicht nur von visuellen, sondern auch von auditiven Merkmalen abhängen, deshalb gehen Zuckerman & Driver (1989) von einem Attraktivitäts-Stereotyp[2] aus, der sowohl ein visuelles als auch auditives Phänomen darstellt. Um von einem Attraktivitäts-Stereotyp der Stimme sprechen zu können, ist es wichtig den Einfluss der stimmlichen Attraktivität auf Persönlichkeitseindrücke zu untersuchen und unter den Hörern muss es in Bezug auf die stimmliche Attraktivität Übereinstimmungen geben (Zuckerman & Miyake 1993: 119). In diesem Zusammenhang haben Zuckerman & Driver (1989) und Zuckermann, Hodgins & Miyake (1990:97) gezeigt, dass sich die Beurteiler einig sind (durchschnittliche Zuverlässigkeit = .85), ob eine Stimme attraktiv ist oder nicht. Die Zuverlässigkeit der Übereinstimmungen zur physischen Attraktivität war nur etwas höher (.90). Kramer (1964) versteht unter „stereotypen Stimmen“ diejenigen Stimmen, die einen Stereotyp bezüglich eines Persönlichkeitsmerkmals übermitteln, ohne dass dieser Stereotyp notwendigerweise Beweiskraft hat. Es hat sich gezeigt, dass stimmliche Hinweise dazu beitragen, wie Menschen die Persönlichkeiten anderer Menschen einschätzen. Deshalb passiert es, dass verschiedene Menschen eine Stimme hören und dieselben Rückschlüsse zur Persönlichkeit dieses Menschen ziehen, ganz egal, ob der Besitzer dieser Stimme diese Charaktereigenschaften besitzt oder nicht (Aronovitch 1976:208).
Viele Studien haben gezeigt, dass Frauen ihre Partner nach Anzeichen auswählen, die die Qualitäten des Mannes verraten (Johnstone 1995; Bruckert, Liénard, Lacroix, Kreutzer & Leboucher 2006).
So zeigen die Ergebnisse einiger Studien, dass Frauen Männerstimmen attraktiv finden, die durch eine mittlere oder starke Grundfrequenzvariation (Ray, Ray & Zahn 1991; Zuckerman & Miyake 1993) gekennzeichnet sind, die reif wirken (Zuckerman, Miyake & Elkin 1995), eine tiefe Grundfrequenz haben und/oder nicht monoton sind (Zuckerman & Miyake 1993). Ungewöhnlich scheint, dass nach einer Untersuchung von Raines, Hechtman & Rosenthal (1990) Männerstimmen attraktiv sind, die Unterwürfigkeit ausstrahlen. Denn eine Studie von Collins (2000) besagt, dass eine männliche Stimme mit einer hohen durchschnittlichen Grundfrequenz (avgF0) auf Frauen unattraktiv wirkt. Außerdem wird in dieser Untersuchung erklärt, dass eine tiefe durchschnittliche Grundfrequenz (avgF0) mit starker Dominanz assoziiert wird. Erklären lässt sich das dadurch, dass Frauen auf der Suche nach starken und dominanten Männern sind (Barber 1995).
Oguchi & Kikuchi (1997) fanden bei einer Befragung von japanischen Studenten heraus, dass die Männerstimmen als attraktiv bewertet wurden, die, im Gegensatz zu weniger attraktiven Stimmen, eine signifikant tiefere Stimme haben. Auch Collins (2000) stellte fest, dass niederländische Frauen tiefere Männerstimmen als signifikant attraktiver bewerten. Auch als in einer Studie Frauen und Männer gebeten wurden eine ‚sexy‘ Stimme zu simulieren, zeigte sich, dass davon ausgegangen wird, dass eine ‚sexy‘ Stimme tief sein muss, denn alle senkten ihre Stimme um 20-25 Hz (Tuomi & Fischer 1979).
Riding, Lonsdale & Brown (2006) untersuchten, wie sich Manipulationen der durchschnittlichen Grundfrequenz (avgF0) und der Varianz der Grundfrequenz (varF0) auf die stimmliche Attraktivität auswirken. Der Grundstock der Manipulationen bestand aus 9 Aufnahmen (alle 9 studentischen Sprecher mussten die Frage beantworten, wie sie ihr Hauptfach gefunden haben), die auf 9 Arten manipuliert wurden. Die drei möglichen Stufen der avgF0 (erhöht, normal, verringert) wurden mit den drei möglichen Stufen der varF0 (erhöht, normal, verringert) kombiniert, so dass insgesamt 81 Stimuli entstanden. Die Stimmen mussten von 54 Frauen auf 7stufigen Skalen (7 war die höchste Stufe) bewertet werden. Alle 9 Sprecher insgesamt hatten eine durchschnittliche Grundfrequenz (avgF0) von 117.29 Hz (die Werte gingen von 130.68 Hz bis 105.09 Hz; SD = 7.10 Hz) und eine durchschnittliche Varianz der Grundfrequenz (varF0) von 10.93 Hz (von 16.03 Hz bis 7.73 Hz). Es hat sich gezeigt, dass Stimmen mit mittleren (4.70) oder tiefen (4.71) durchschnittlichen Grundfrequenzen (avgF0) auf Frauen attraktiver wirken als Stimmen mit hohen (3.98) durchschnittlichen Grundfrequenzen (avgF0). Außerdem sollte untersucht werden, ob eine mittlere Varianz der Grundfrequenz (varF0) attraktiver beurteilt wird als eine niedrige oder große Varianz. Allerdings konnte hier nur eine ganz leichte Tendenz zur Bestätigung dieser Vermutung gefunden werden. Brown, Strong & Rencher (1974) konnten mit ihren Resultaten bestätigen, dass eine mittlere varF0 besser bewertet wird als eine hohe varF0. Interessant ist zum Vergleich das Ergebnis einer Studie von Addington (1968), das Stimmen mit einer erhöhten varF0 als ästhetisch und dynamisch bezeichnet, aber gleichzeitig auch als feminin.
Andere Untersuchungen haben gezeigt, dass Frauen in der fruchtbaren Phase ihres Menstruationszyklus maskulinere Gesichtszüge (Penton-Voak & Perrett 2001) und Gerüche (Grammer 1993) bevorzugen. Das sind neben der Stimme nur zwei weitere Präferenzen, die bei einem Mann durch Androgene verursacht werden und bei Frauen die Gewissheit bringen, ob ein möglicher Partner ihre Anforderungen an eine hohe genetische Qualität mit sich bringt (Andersson 1994). Allerdings hat eine Untersuchung von Penton-Voak & Perrett (2001) gezeigt, dass Frauen Androgen-abhängige Merkmale bei einem Mann mehr bevorzugen, wenn es sich bei diesem Mann nur um einen vorrübergehenden Sexpartner handelt und nicht um einen Mann für eine ernste und langfristige Beziehung. Da die tiefe Stimme eines Mannes auch ein Androgen-abhängiges Merkmal darstellt, ist die Beurteilung einer Männerstimme auch hier von der menstrualen Phase und der Beziehungswahl (kurzfristig oder langfristig) einer Frau abhängig (Puts 2005: 390). In der Studie von Puts (2005) zu diesen Themen wurden 142 Männerstimmen aufgenommen und manipuliert. Es entstanden von jeder männlichen Versuchspersonen 3 Stimuli, indem die Tonhöhen manipuliert wurden: gesteigert um einen Halbton, gesenkt um einen Halbton und unverändert. Die ursprünglichen Aufnahmen entstanden, indem die Männer vor einem Bildschirm saßen und ein Video von einer Frau sahen, der sie sich dann im Anschluss vorstellen und beschreiben sollten (ohne sie persönlich zu sehen). Den männlichen Teilnehmern wurde versprochen, dass sie ein Abendessen mit einer Frau aus einem Nebenzimmer gewinnen könnten. Außerdem wurden die Männer in einem Fragebogen gebeten, anzugeben wie viele weibliche Geschlechtspartner sie im vergangenen Jahr hatten. Anschließend durften 111 Frauen die Stimuli hören und bewerten, indem jede Frau 30 beziehungsweise 31 Stimuli der insgesamt 332 entstandenen Stimuli beurteilen musste und darauf geachtet wurde, dass nur höchstens eine Aufnahme jedes Sprechers und eine ausgewogene Anzahl an gesteigerten, gesenkten und unveränderten Stimuli vorkam. Vor den Bewertungen wurde jede Frau mit der geschehenen Aufnahmesituation vertraut gemacht (auch damit, dass den Männern ein Abendessen mit einer Frau versprochen wurde), ihnen wurde der Aufbau und Ablauf des folgenden Experiments erklärt und sie wurden gebeten, die Attraktivität jeder männliche Stimme zu bewerten, indem sie eine Unterscheidung zwischen einer möglichen kurzzeitigen, rein sexuellen Begegnung (One-Night-Stand) und einer ernsten, langfristigen Partnerschaft machen sollten. Ihre Bewertung gaben sie ab, indem sie auf einer Skala von „extrem unattraktiv“ bis „extrem attraktiv“ irgendwo eine Markierung machen...