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Rom

Aufstieg einer antiken Weltmacht - Ein SPIEGEL-Buch

VerlagDeutsche Verlags-Anstalt
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl256 Seiten
ISBN9783641189518
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis7,99 EUR
Triumph einer antiken Supermacht
Ihre Legionen eroberten ein Weltreich, ihre Sprache wurde zur Grundlage europäischer Bildung. Weder erbitterte Ständekämpfe im Inneren noch eine lange Reihe starker Kriegsgegner, allen voran der Karthager Hannibal, konnten die Existenz ihres Imperiums ins Wanken bringen. Aber wer waren die Römer? Wie konnte aus einem bäuerlichen Kleinstaat ein Großreich am Mittelmeer werden?

Von der sagenhaften Gründung bis zum tödlichen Attentat auf Caesar zeichnen Historiker und SPIEGEL-Journalisten das turbulente Schicksal eines keineswegs einheitlichen Staatswesens nach. Aber auch viele andere Aspekte der römischen Republik kommen zur Sprache: der Kampf mit den Galliern, Tischsitten und Speisevorlieben, Charakterköpfe wie der alte Cato, die Entstehung der lateinischen Sprache, die Nationaldichtung nach griechischem Vorbild oder die erstaunliche Haltbarkeit römischen Betons.

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Leseprobe

GLORREICHES GESINDEL

Roms Urzeit wimmelt von bewegenden Geschichten. Aber wie viel Wahrheit enthalten sie? Die Anfänge der Republik geben den Fachleuten einige Rätsel auf.

Von Christoph Gunkel

Jahrelang hatte er den Einfältigen gemimt. Den Trottel. So überzeugend, dass seine Zeitgenossen ihm den Beinamen Brutus (»Der Dumme«) gegeben hatten. Doch jetzt, im Jahr 509 v. Chr., zeigte Lucius Iunius Brutus sein wahres Gesicht. Er schwang sich zum klugen und mutigen Revolutionshelden auf, der die Herrschaft des tyrannischen Königs Lucius Tarquinius Superbus beenden wollte. Dessen Sohn Sextus hatte unmittelbar zuvor eine hoch angesehene Frau vergewaltigt: Lucretia, berühmt für ihre Schönheit und Tugendhaftigkeit. Aus Scham über ihre Schändung stieß sich Lucretia daraufhin im Kreise ihrer Familie einen Dolch ins Herz und starb.

Als die Emotionen hochkochten, nahm Brutus den blutverschmierten Dolch, riss ihn in die Höhe und setzte zu einer flammenden Rede an, die ihm niemand zugetraut hatte: »Bei diesem vor dem königlichen Frevel heiligreinen Blut schwöre ich und nehme euch, ihr Götter, zu Zeugen, dass ich den Despoten Lucius Tarquinius mit seiner gottlosen Frau und allen Kindern seines Stammes mit Feuer und Schwert und aller mir möglichen Gewalt verfolgen will.« Damit nicht genug: Brutus plante, wie der Geschichtsschreiber Titus Livius erzählt, gleich die endgültige Abschaffung der Monarchie. Weder Tarquinius »noch sonst jemand« dürfe fortan König von Rom sein.

Was für ein Bruch: Der Überlieferung nach hatten insgesamt sieben Könige 244 Jahre lang in Rom geherrscht, angefangen vom Staatsgründer und Namensgeber Romulus. Nun marschierte plötzlich, so Livius, ein Heer »mit den beherztesten Jünglingen in Waffen« auf die Hauptstadt des Reiches zu. Brutus sei dort als »Befreier« empfangen worden und habe »den ungerechten König« samt dessen Familie ins Exil verbannt, wo der Vergewaltiger Sextus später getötet wurde.

Das alles klingt nach einer würdigen Geburtsstunde der Republik: Als der Despot verjagt war, bekam Rom eine Verfassung mit demokratischen Zügen und weihte dem obersten Gott Jupiter einen Tempel auf dem Kapitol. Der Senat übernahm die Rolle des Gesetzgebers; Lucius Iunius Brutus wurde vom Volk zu einem der ersten beiden Konsuln gewählt, den neuen höchsten Staatsbeamten. Chronisten priesen ihn gar als zweiten Gründer Roms nach Romulus.

Nur: Der in den Quellen so blumig geschilderte Königssturz dürfte zum großen Teil eine Legende sein. Brutus, noch von Cicero als Mann von »großer Geisteskraft und Tüchtigkeit« gefeiert, bleibt eine nebulöse Gestalt. Auch Lucretia, deren Vergewaltigung das Volk erst aufbegehren ließ, hat wohl nie existiert. Fest steht heute allenfalls noch, dass Roms Adel etwa im 6. Jahrhundert das Königtum abschaffte.

Und doch ist die Erzählung vom Ende der Monarchie eine wichtige Quelle. Denn sie zeigt, wie die Römer Jahrhunderte später – dann schon als Großmacht – den Beginn ihrer Republik sehen wollten und was ihnen wichtig war: Werte wie Ehre, Frömmigkeit und Tapferkeit, verkörpert vom Vergewaltigungsopfer Lucretia. Zudem zeigt der Gründungsmythos der Republik exemplarisch, wie aufstrebende Familien ihre Geschichte manipulierten und aufpolierten.

Die Iunii Bruti stammten aus dem einfachen Volk. Das Geschlecht der Iunier stieg erst Ende des 4. Jahrhunderts zu einer angesehenen Familie auf, als sich die Plebejer politische Mitwirkungsrechte erkämpfen konnten. Gaius Iunius Brutus Bubulcus erreichte in dieser Zeit den höchsten Rang; gleich dreimal bekleidete er das Amt des Konsuls. Und doch empfanden es die Iunier als Makel, dass sie keine adligen Wurzeln besaßen. Also halfen sie nach – mit der Geschichte des blaublütigen Urahnen Lucius Iunius Brutus.

Der Freiheitsheld soll demnach ein Neffe des tyrannischen Königs Tarquinius Superbus gewesen sein, den er dann aus Rom verbannte. Experten vermuten heute, dass es der Geschichtsschreiber Quintus Fabius Pictor war, der im 3. Jahrhundert diese Legende in Umlauf brachte. Livius und andere übernahmen sie dann.

Das war kein Einzelfall. Die meisten deutschen Historiker sind überzeugt, dass die ersten Konsuln, unter ihnen eben auch Brutus, nachträglich erfunden worden sind. Sie argumentieren, dass es zu Beginn der Republik statt einer sich gegenseitig kontrollierenden Doppelspitze aus zwei Konsuln weiterhin einen starken Mann gab, der fast königsgleich herrschen konnte: den »Praetor Maximus«. Gewählt vom Senat, hatte er als Oberbefehlshaber des Heeres eine Schlüsselposition inne. Italienische und britische Historiker hingegen halten es weiterhin für plausibel, dass die Republik von Beginn an durch zwei Konsuln gelenkt wurde (siehe Gespräch mit Wolfgang Blösel: »Ideologie der Scholle«).

Dieser schon jahrhundertalte Forschungsstreit dreht sich letztlich um die Frage, wie abrupt man sich den Bruch zwischen der Königszeit und der Republik vorstellen darf. Für einen nicht so radikalen Wechsel von der alten zur neuen Staatsform sprechen zwei Ämter: In Krisenzeiten konnte ein »Dictator« bestimmt werden, der für maximal sechs Monate ohne Kontrolle des Senats regieren durfte. Und es gab das Amt des »Rex Sacrorum«, des Opferkönigs.

Dieser König war ein Herrscher ohne wirkliche Macht. Sein Einfluss beschränkte sich auf religiöse Handlungen: Er nahm rituelle Reinigungen vor, opferte Tiere, organisierte Sühnefeste und führte ein enthaltsames Leben. Sein Amt wirkt wie ein nostalgisches Zugeständnis an all diejenigen, die glaubten, dass ein Ende der Königsherrschaft die Götter erzürnen und Rom im Chaos versinken lassen würde.

Die Ernennung von Opferkönigen war keine Notlösung, sondern ein geschickter Schachzug, typisch für die römische Politik: Da wurde mit viel Pragmatismus und Fantasie ein neues Amt geschaffen, das radikale Veränderungen ermöglichte, ohne die Traditionalisten zu verprellen. Es war nicht zuletzt diese erstaunliche Anpassungsfähigkeit, mit der die Römer ihre Konkurrenten überflügelten.

Vom Zeitalter der römischen Könige zeugen hauptsächlich Legenden wie die über den Staatsgründer Romulus. Er soll, zusammen mit seinem Zwillingsbruder Remus, vom Kriegsgott Mars gezeugt worden sein. Die Brüder hatten nicht nur einen Gott zum Vater. In ihren Adern floss auch königliches Blut, denn ihre Mutter war eine Königstochter und stammte in 14. Generation vom antiken Helden Aeneas ab. Der wiederum war Sohn der Liebesgöttin Aphrodite, die bei den Römern Venus hieß. Aeneas war der Sage nach einst aus dem brennenden Troja entkommen und hatte nach langer Irrfahrt auf dem Meer in Italien die Stadt Alba Longa gegründet, die später zum Vorbild Roms wurde.

Romulus und Remus, illegitim gezeugt, waren in Alba Longa nicht sicher. Die Säuglinge wurden in einem Weidenkorb auf dem Tiber ausgesetzt und an das Ufer am Fuß des Palatins gespült, eines der sieben Hügel des späteren Roms. Dort soll eine Wölfin sie gesäugt haben, bis sie unter Obhut des Schweinehirten Faustulus herangewachsen waren und am Ort ihrer Rettung eine Stadt gründen wollten. Doch wer von ihnen sollte König sein? Göttliche Vorzeichen in Gestalt von Geiern deuteten auf Romulus hin, der schon begann, eine Mauer zu errichten. Als Remus zum Spott über die provisorische Stadtgrenze sprang, erschlug ihn sein Bruder im Zorn. Nach der Bluttat soll er gerufen haben: »So fahre jeder dahin, der nach dir über meine Mauer springen wird!«

Archäologen haben zwar tatsächlich ein zehn Meter langes Mauerfragment am Palatin entdeckt, doch es dürfte deutlich jünger sein als 753 v. Chr., das überlieferte Jahr der Stadtgründung. Romulus jedenfalls hatte größere Probleme als eine Mauer. Er war Livius zufolge ein König ohne Volk und musste daher Fremde anlocken: »Allerlei Gesindel aus den benachbarten Völkern, Freie und Sklaven ohne Unterschied, führte der Wunsch, sich in einem neuen Staat zu versuchen, hierher zusammen.«

Nach der von Livius überlieferten Geschichte gelang dem Brudermörder der Aufbau einer neuen Gesellschaft. Romulus berief eine Volksversammlung ein und gründete ein beratendes Gremium aus 100 adligen »Ratsherren«, den Senat. Selbst als der Staatsgründer nach langer Herrschaft unter Donnerschlägen gottgleich in den Himmel fuhr, sorgte er sich der Sage nach weiter um seine Stadt. Noch einmal sei er zur Erde zurückgeschwebt und habe dort einem Boten aufgetragen, eine wichtige Prophezeiung zu verbreiten: »Melde den Römern, dass nach dem Willen der Himmlischen mein Rom die Hauptstadt der Welt sei.« Die Römer sollten ihr Militär ausbauen, sodass »keine menschliche Macht den römischen Waffen widerstehen« könne.

Die Botschaft lautet also: Rom ist einzigartig, weil es auf wundersame Weise und auf Wunsch der Götter erschaffen wurde. Seine spätere Eroberungswut und die Militarisierung seiner Gesellschaft beruhten nicht etwa auf banalen menschlichen Motiven wie Eroberungslust, Gier oder Ehrgeiz. Nein, der Aufstieg Roms geschah auf himmlischen Befehl. Und schließlich suggeriert die Gründungsgeschichte auch, dass Rom von Beginn an demokratische Gremien wie die Volksversammlung besaß.

Damit rückten die römischen Geschichtsschreiber ihr Gemeinwesen bewusst in die Nähe der griechischen Stadtstaaten, die wegen ihrer Kultur und Tradition allseits bewundert wurden. Es war nur konsequent, dass Romulus als direkter Nachfahre des trojanischen Helden Aeneas dargestellt wurde, dem der römische Dichter Vergil am Ende der republikanischen Jahrhunderte ein literarisches Denkmal setzte: Im Epos »Aeneis« verkündet Jupiter selbst dem Aeneas, er...

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