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E-Book

Sag mal, Onkel Willi

Ein Dialog über die großen Fragen des Lebens

AutorAndrea J. Larson, Anselm Grün
Verlagadeo
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl192 Seiten
ISBN9783863347260
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis13,99 EUR
Andrea J. Larson schreibt Briefe an ihren Onkel Willi - einen der bekanntesten Autoren unserer Zeit. Die Rede ist von Pater Anselm Grün. Auf der einen Seite die junge Mutter von drei Kindern, die in Amerika lebt und in einem Leben voller Freiheiten auch viele Begrenzungen sieht - auf der anderen Seite der alte Mönch, der sich als junger Mann für das Leben im Kloster entschieden und in der Begrenzung riesige Freiheiten entdeckt hat. In ihrem sehr persönlichen Dialog geht es um Liebe, Beziehung, Gemeinschaft, Einsamkeit, um Verantwortung für sich selbst und die Welt, um Entdeckungen und Enttäuschungen, um Glauben und Zweifel - kurz: um das Leben mit all seinen Facetten. Auch Krankheit und Tod werden nicht ausgeklammert. So entsteht ein faszinierendes Bild der Möglichkeiten für ein gelingendes Leben.

Anselm Grün ist Benediktinermönch der Abtei Münsterschwarzach, deren Cellerar (wirtschaftlicher Leiter) er 36 Jahre lang war. Als Kursleiter und geistlicher Begleiter ist er viel unterwegs. Mit zahlreichen Veröffentlichungen und Vorträgen erreicht er Millionen von Menschen. Andrea J. Larson: Jahrgang 1978, verheiratet, Mutter von drei Kindern, lebt mit ihrer Familie in den USA. Gemeinsam mit ihrer Mutter Linda Jarosch hat die deutsche Autorin bereits ein Buch zur Mutter-Tochter-Beziehung veröffentlicht. Im März 2013 erschien ihr Ratgeber 'Lange lieben wollen'.

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Leseprobe

Lieber Onkel Willi,

ich erinnere mich noch gut an einen deiner Besuche bei uns zu Hause. Ich war damals an die dreizehn Jahre alt und hatte gerade meine poetische Ader entdeckt. Du saßest entspannt auf unserer wild geblümten Sofagarnitur beim Kaffeetrinken, als meine Mutter Dir erzählte, dass ich jetzt Gedichte schreiben würde und schon ein ganzes Heft voll hätte. Entweder hattest Du damals tatsächlich Langeweile oder Du konntest deiner Nichte den Wunsch einfach nicht ausschlagen – jedenfalls wolltest Du Dir meine ersten Gedichte tatsächlich durchlesen. Jenes besagte Heft habe ich immer noch, und ich staune im Nachhinein schon, wie Du als guter Onkel diese – auch noch unerklärlicherweise melancholischen – Poesieversuche so eindringlich loben konntest. Wer hätte damals gedacht, dass wir heute, zwei Jahrzehnte später, ein gemeinsames Buch schreiben würden.

Ich freue mich richtig darauf, Dir persönliche Fragen zu stellen und Dich als Mensch noch einmal von einer neuen Seite kennenzulernen. Außerdem erhoffe ich mir von Dir die eine oder andere Weisheit, auf die Du vielleicht in der Stille des Klosters gestoßen bist. Eine Stille, die mir als Mutter von drei Kindern in meinem Alltag fast vollständig abhanden gekommen ist. Ich bin gespannt, wie sich unsere Erfahrungen und Lebenseinstellungen überlappen, wie sie sich vielleicht ergänzen oder sogar im Konflikt miteinander stehen. Ich habe aber das Gefühl, dass wir uns im Kern nicht unähnlich sind, trotz der deutlichen und zahlreichen Unterschiede: Du bist der Bruder meiner Mutter, also eine Generation älter als ich. Als Mann und Frau sind wir ohnehin grundverschieden. Du lebst im Kloster und hast Spiritualität und Religion zu deinem Lebensmittelpunkt gemacht, ich bin nach Amerika ausgewandert, um meiner Liebe zu folgen, und habe meine Familie zu meiner Hauptaufgabe gemacht. An einem Punkt sind wir uns überraschenderweise einig: Du hast neben Theologie noch Wirtschaft studiert, so wie ich. An vielen Stellen ist mir deine Lebensweise aber auch fremd. Und ich bin mir sicher, es gibt den einen oder anderen Reibungspunkt, an dem wir keinen gemeinsamen Nenner finden werden. Auf jeden Fall verspricht es interessant zu werden – und wenn ich deinen Humor richtig einschätze, auch amüsant.

Eigentlich müssen wir zu allererst einmal klarstellen, wie es zu dem Buchtitel kam und dass es in unserer Familie eine Spaltung gibt: der eine Teil nennt Dich nämlich seit Deiner Profess bei Deinem Ordensnamen Anselm, der andere Teil bleibt weiterhin bei Deinem Taufnamen Wilhelm, so wie ich auch.

Wie bringst Du den spirituellen Anselm und den Willi von früher unter einen Hut – passen sie gut zusammen oder gibt es da auch häufig Konflikte? Versuchst Du Dir den Willi noch zu erhalten, oder gehört der nur in Deine Kindheit? Wie fühlt es sich an, wenn man seinen Vornamen, den man seit Kindesbeinen trägt, plötzlich ablegt? Ich kann Dir gleich sagen, dass mir das Ablegen meines Nachnamens gar nichts ausgemacht hat, den konnte nämlich in den USA keiner aussprechen. Außerdem durfte ich ihn zu meinem zweiten Vornamen umfunktionieren und kenne daher die Erfahrung, den eigenen Namen aufzugeben, nicht wirklich. Wird man mit einem neuen Namen also auch zu einem neuen Menschen? Und wieso hast Du Dir eigentlich den Namen Anselm ausgesucht?

Liebe Andrea!

Du fragst mich nach meinem Namen. Da muss ich unterscheiden zwischen meiner emotionalen Haltung zu den beiden Namen und der eher spirituellen Haltung. Willi haben mich meine Eltern genannt und meine Geschwister. Und die ersten 19 Jahre wurde ich nur so genannt. Das war meine Identität. Als ich ins Kloster eingetreten bin, sollten wir uns ja einen Ordensnamen wählen. Ich habe lange überlegt. Dann bin ich auf Anselm gekommen, denn Anselm von Canterbury hat mich fasziniert. Damals wusste ich von ihm noch nicht so viel. Ich wusste nur, dass er der größte Theologe im Benediktinerorden war. Damals nach dem Abitur war ich sehr ehrgeizig. Ich wollte auch ein großer Theologe werden. Erst später habe ich mich mit Anselm mehr beschäftigt. Da sind mir zwei Aspekte seiner Person aufgefallen. Er war ein klarer Denker, aber zugleich ein betender Theologe. Sein Programm war: Fides quaerens intellectum, das heißt: „Der Glaube sucht nach Einsicht“.

Der Glaubende gibt sich nicht damit zufrieden, etwas zu glauben, was ihm von außen vorgesetzt wird. Er möchte eindringen in das, was er glaubt. Und er möchte es mit seinem Verstand in Einklang bringen. Das ist sicher auch ein wichtiges Programm meiner Theologie. Ich möchte immer fragen: Was bedeutet das für mich? Welche Erfahrung steckt hinter dieser Aussage? Und zu welcher Erfahrung möchte mich dieser Glaubenssatz führen? Der zweite Aspekt: In seiner Lebensbeschreibung heißt es, dass Anselm der liebenswürdigste Mensch seiner Zeit war. Das kann ich natürlich nicht kopieren. Aber eine Herausforderung ist es für mich schon, dass ich ganz und gar Mensch bleibe und nicht abhebe in meiner Theologie.

Da ich jetzt schon 49 Jahre mit dem Namen Anselm lebe, fühle ich mich mit diesem Namen innerlich verbunden. Und ich erlebe meine Identität in diesem Namen. Aber wenn mich meine Geschwister und Neffen und Nichten „Willi“ nennen, kommt da auch etwas Vertrautes in mir hoch. Ich bin auch als Mönch einer aus der Familie Grün. Ich stehe nicht über den andern. Ich fühle mich dann als Bruder meiner Schwestern und Brüder. Und es ist für mich gut, dass ich im Kreis der Familie auf der gleichen Ebene stehe wie alle anderen, dass die Erlebnisse, die uns in der Kindheit geprägt haben, zu mir gehören. Im Namen Willi höre ich also meine Wurzeln mit. Und die gehören auch zu meiner Identität.

In den letzten Jahren habe ich mich mehr mit der Etymologie der Namen beschäftigt. Wilhelm heißt: der willige Schützer. Mein Vater hat ja Wilhelm geheißen. Und von ihm habe ich den Namen übernommen, obwohl ich ja nicht der älteste Sohn bin, sondern erst der dritte. Mein Vater war der Schützer für unsere Familie. Er hat auch uns Kindern den Rücken gestärkt. So begegnet mir in diesem Namen etwas sehr Vertrautes. In meinem ganzen Wesen wollte ich auch immer andere schützen. Ich konnte es nie vertragen, wenn jemand vor anderen lächerlich gemacht wurde. Das weckte immer meinen Beschützerinstinkt. Anselm heißt: der von den Göttern Geschützte. Das hat mich sehr erstaunt, als ich diese Parallele in den beiden Namen sah. Im Namen Anselm erkenne ich, dass ich von Gott geschützt bin. Und weil ich von Gott geschützt bin, traue ich mir manches zu. Die Erfahrung von Gottes Schutz nimmt mir die Angst davor, etwas Neues zu probieren. Und diese Angstfreiheit verbindet mich auch mit meinem Vater. Er war ein mutiger Mann. Er ist ja ohne Geld aus dem Ruhrgebiet ins katholische Bayern gezogen und hat da aus nichts ein Geschäft aufgebaut.

So sagen mir beide Namen etwas. Und ich spüre in mir selbst keinen Zwiespalt. Beide Namen sagen für mich etwas Wesentliches über meine Identität aus. Der neue Namen hat sicher etwas in mir in Bewegung gebracht. Aber er hat mich nicht von meinem ursprünglichen Namen entfremdet.

Du sprichst von der Verbindung zu Deinem Vater durch Euren gemeinsamen Vornamen – aber auch durch die Ähnlichkeit in Eurem Wesen. Leider ist er gestorben, bevor ich geboren wurde. Ich weiß, dass er auch mit dem Gedanken gespielt hatte, selbst ins Kloster zu gehen, dann jedoch siebenfacher Familienvater geworden ist. Sicherlich kam im Alltag mit den vielen Kindern seine geistige und spirituelle Seite nicht so zum Zuge, wie er es sich vielleicht gewünscht hätte. Carl Gustav Jung sagte einmal: „Nichts hat einen stärkeren Einfluss auf das Leben der Kinder als das ungelebte Leben der Eltern.“ Es ist ja häufig so, dass wir unbewusst Sehnsüchte unserer Eltern aufnehmen und dann selbst ausleben. Daran finde ich generell auch nichts Schlechtes, denn oft sind wir uns ja auch im Wesen ähnlich – und unseren Eltern war es vielleicht einfach nicht möglich, diesen Träumen nachzugehen.

Siehst Du Dich jetzt, im Rückblick auf deine eigene Entscheidung, schon als junger Mann Mönch zu werden, als eine Art „Traum-Träger“ für Deinen Vater?

In der Spiritualität war ich sicher meinem Vater ähnlich. Ich konnte mich genauso wie er begeistern für die Schönheit der Natur und für die Schönheit der Liturgie und für das Geheimnis Gottes. Dass ich das ungelebte Leben meines Vaters im Kloster lebe, daran habe ich noch nie gedacht. Aber als ich den Satz, den Du von C. G. Jung zitierst, daraufhin nochmals meditiert habe, bin ich doch nachdenklich geworden. Es kann durchaus sein, dass ich mit meinem Wunsch, ins Kloster zu gehen, etwas von seinen ungelebten Träumen ausgelebt habe. Mein Vater war ja Kaufmann. Seine drei Geschwister waren alle Benediktiner: der Bruder war P. Sturmius, Mönch in Münsterschwarzach, seine älteste Schwester war Benediktinerin in Herstelle: Sr. Synkletika, und seine jüngste Schwester Sr. Giselinde war Missionsbenediktinerin in Tutzing und von dort aus kam sie nach Manila. Mein Vater erzählte mir, dass er als Junggeselle mal nach St. Ottilien kam und dort um Aufnahme ins Kloster bat. Er wurde dem Novizenmeister vorgestellt. Das war P. Erhard Drinkwelder. Der fragte ihn nur kurz: Was sind Sie von Beruf? Als er antwortete, er sei Kaufmann, meinte P. Erhard, Kaufleute könnten sie im Kloster nicht gebrauchen. Daraufhin hat sich mein Vater dann anders orientiert und nach einer Frau Ausschau gehalten. Und ich denke, er hat mit seiner Familie dann doch großen Segen gestiftet.

Ich fühle mich auf jeden Fall in meinem Mönchsein nicht fremdbestimmt. Auch wenn ich vielleicht eine Art...

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