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E-Book

Schlesien - Das große Buch der Familienrezepte

Rezepte sowie Fotos, alte Postkarten, Geschichten und Anekdoten aus der alten Heimat

AutorHarald Saul
VerlagBassermann
Erscheinungsjahr2019
Seitenanzahl224 Seiten
ISBN9783641255787
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis8,99 EUR
Schlesische Familienschätze: Geschichten, Fotos, Postkarten und Rezepte
Harald Saul, Küchenmeister und Sammler von regionalen Rezepten, hat sich auf die Suche nach der alten schlesischen Küche gemacht. Er bat die Menschen um ihre alten Familienschätze: So erhielt er handgeschriebene, über Generationen weitergegebene Kochbücher, die alten Fotoalben wurden für ihn geöffnet und die Menschen erzählten ihm ihre Geschichten.

Dieser Doppelband besteht aus den Einzelbänden 'Unvergessliche Küche Schlesien' und 'Alte Familienrezepte aus Schlesien' aus dem Bassermann Verlag.

Küchenmeister Harald Saul widmet sich der traditionellen regionalen Küche. Seit Jahrzehnten sammelt der Fachdozent für Ernährungslehre Familienrezepte, Dokumente, Erinnerungen und Geschichten. Seine Bücher sind wunderbare Zeugnisse dieser Schatzsuche.

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Leseprobe

Gerda Schneider, 1939

Ein Sommer in Schlesien – Erinnerungen von Gerda Schneider aus Hoyerswerda


Meine dritten Sommerferien stehen kurz bevor – endlich ist es soweit, nur noch heute gehe ich in die Schule. Seit Ostern 1927 bin ich Schülerin der Mädchenschule in Hoyerswerda. Sie besteht aus acht Klassen. Der Schulalltag ist ganz schön anstrengend für mich, Anna Ernestine Gerda Schützel. Über eine halbe Stunde führt mich von Montag bis Sonnabend der Fußweg vom ländlichen Klein Neida, einem Vorort von Hoyerswerda, in meine Schule. Dabei muß ich sogar die Bahnschienen überqueren. Meine Schule befindet sich in der Nähe des großen Postamtes.

»Ich komme ja schon, Muttel!« Muttel nenne ich liebevoll meine Mutti, die mir gerade mein Frühstück zubereitet hat. Oh, ein Eierplins mit … – nein – ohne Blaubeeren! Es wird Zeit, daß ich mit Vatel wieder in den Wald gehe zum Blaubeerenpflücken. Aber der Eierplins schmeckt köstlich, Muttel bäckt ihn fast jeden Morgen für mich. Nun bin ich bereit fürs Lernen. Schnell noch die in Butterbrotpapier gewickelten Schnitten eingepackt und los geht es. Im Anbau unseres Wohnhauses Waldstraße Nummer 11 befindet sich eine Glasschleiferei, in der schon tüchtig gearbeitet wird. Ansonsten ist es ein ruhiger Morgen, die Vögel zwitschern und der Dorfbach plätschert munter drauflos.

Es ist 9.45 Uhr und die große Pause lädt zum Essen ein. Muttel gibt mir immer ein paar Groschen mit, davon kaufe ich mir jetzt für zehn Pfennige eine Flasche Kakaomilch. Eine Molkerei aus der Stadt liefert sie täglich frisch an unsere Schule. Kakaomilch schmeckt mir viel besser als Vollmilch, die es für zwei Pfennige weniger gibt.

Die nächsten Schulstunden vergehen schnell. Mein Heimweg führt mich bei meiner Oma Anna vorbei. Sie wohnt in der Bahnhofsstraße. Oma kocht jeden Tag für mich Mittagessen. Ich erzähle ihr dann noch schnell, was es Neues in der Schule gab und verabschiede mich mit vielen Grüßen für Opa Gustav, der fleißig in der Tischlerei arbeitet. Heute muß ich mich nämlich etwas beeilen, weil ich für Muttel einkaufen gehen soll. Übrigens haben wir, als ich noch klein war, auch mal hier in der Bahnhofsstraße gewohnt. Vor den Toren von Hoyerswerda gefällt es mir aber viel besser. Vatel hat uns die Wohnung besorgt. Hausbesitzer Weiß vertreibt Automaten, die Vatel ab und zu repariert und so kamen wir im vorigen Jahr nach Klein Neida.

Mal gucken, wenn ich richtig rechne, was ich schon ganz gut kann, bleiben zwanzig Pfennige für mich übrig und dafür kaufe ich mir bei »Gemüse-Peter« zwei Bananen. In unserer Waldstraße liegt ein Bauerngehöft. Dort gibt es eigentlich alles, was Muttel so braucht, wenn sie für uns kochen will. Das große Tor ist wie immer gut verschlossen, aber das stört mich nicht. Ich kenne eine geheime Tür, die mich hintenherum auf den Hof führt. Bienenhonig, Butter und Eier kaufe ich heute ein – und das Geld reicht, bloß gut.

Kurz vor sieben am neuen Morgen weckt mich Vatel aus dem Schlaf. Weiß er denn nicht, daß ich Ferien habe? »Komm Kleene, wir gehen in den Wald!« Endlich! Ich liebe den Wald, der gleich hinter unserem Haus beginnt. Er ist hügelig, ein wenig geheimnisvoll und es gibt so viel zu entdecken und zu sammeln.

Vatel kam gerade von der Nachtschicht. Er arbeitet auf Grube Erika der Ilse-Bergbau-AG in Laubusch als Schlosser. Dort repariert er Lokomotiven und riesige Förderbrücken, während er sehr weit oben angeseilt ist. Wir waren Vatel mal auf Arbeit besuchen und mir wurde ganz schwindelig, als ich ihn dort oben sah.

Frauendorf, Haus der Großeltern, um 1907

Frauendorf, historische Ansichtskarte

»Schau mal, es gibt schon Pilze!« Die ersten Pfifferlinge und Birkenpilze, da wird Muttel staunen. Vielleicht kocht sie uns am Wochenende etwas Schönes damit. Am liebsten esse ich die Pilze mit Rührei, brauner Butter und viel Petersilie.

Im Spätsommer sammeln wir wie jedes Jahr Blaubeeren und Preiselbeeren, die weckt Muttel ein. Ich habe dann auch wieder etwas für meine morgendlichen Eierplinsen. Auf dem Heimweg zähle ich die Tage, die noch vergehen müssen, bis Muttel und ich auf große Reise gehen – auf große Reise nach Neualtmannsdorf zu Urgroßvater August. Einmal jährlich, im Sommer, besuchen wir ihn für eine Woche. Das werden wunderbare Ferien.

Hoyerswerda am Bahnhof: Von weitem höre ich bereits das Schnaufen der Lokomotive – und schon sitzen wir im Zugabteil. Über 300 Kilometer liegen vor uns, der Zug rast durch Täler und vorbei an großen Städten wie Bunzlau, Liegnitz, Schweidnitz und Frankenstein. Urgroßvater August erwartet uns, seine Enkelin und seine Urenkelin, sehnsüchtig. Er hat vom Gutsbesitzer ein paar freie Tage bekommen, damit er die Zeit mit uns verbringen kann. Urgroßvater August lebt allein in seinem Haus und arbeitet auf dem Gut als Knecht. Sein Lohn wird ihm teilweise in Lebensmitteln ausgezahlt. Urgroßvater geht mit uns viel spazieren. Wir besuchen die katholische Kirche, wo er 1876 heiratete. Manchmal machen wir Ausflüge in die Umgebung von Münsterberg/i. S. Es gibt dort große Felder mit rot blühenden Mohnblumen.

An einem Abend erzählt er Muttel und mir die gruselige Geschichte vom Massenmörder »Papa Denke« (Karl Denke aus Oberkunzendorf bei Münsterberg brachte über 30 Menschen um und aß sie z. T. auf), der die ganze Umgebung von Neualtmannsdorf in Angst und Schrecken versetzte. Er erzählt von seiner Frau Theresia, meiner Urgroßmutter, die schon lange nicht mehr lebt. Sie starb mit 37 Jahren. Dann berichtet er von seinem Sohn Gustav, der als Tischler auf Wanderschaft ging und zur Tischlerei Nicolai nach Hoyerswerda kam. Dort lernte er schließlich meine Oma Anna kennen.

Gerda (vorn links) als Blumenmädchen auf einer Hochzeit, 1931

Zu schnell vergeht die Zeit in diesem Sommer, zu schnell sind wir wieder in Neida. Noch eine kleine Reise versüßt mir meine Sommerferien. Sogar Vatel kommt mit. Viel Urlaub hat er nicht, aber die sechs Tage im Jahr werden ihm bezahlt. In seiner freien Zeit geht er außerdem gern kegeln im Verein »Rollendes Glück«.

Aber nun ist er mit uns unterwegs und zwar zu Großmutter Ernestine nach Frauendorf bei Ruhland im westlichen Zipfel von Niederschlesien. Das ist nicht weit von uns aus, deshalb kann ich meine Großmutter auch öfter besuchen. Meinen Großvater Karl habe ich nur als kleines Mädel kennengelernt. Vor fünf Jahren, 1925, kam er auf dem Weg zu seiner Arbeit bei einem Unfall ums Leben. Er war in Lauchhammer als Eisendreher tätig. An einem Bahnübergang wurde er vom Zug überfahren. Seither ist Großmutter Ernestine allein. Sie freut sich immer sehr, wenn ich sie besuchen komme und ihr von meinen Erlebnissen erzähle. »Großmutter, stell dir vor, in Neualtmannsdorf waren Zigeuner, die haben viele Hühner mitgenommen und ich hatte ganz schön Angst, als in der Nacht das Kätzchen von Urgroßvater August ans Fenster klopfte.«

Vatel (hinten), Großmutter Ernestine (2. v. l.), Großvater Karl (2. v. r.), 1910

Jetzt bin ich 87 Jahre alt, lebe nicht mehr in Schlesien, sondern in Brandenburg, in Senftenberg/Niederlausitz. In meinem Zimmer hängt ein Gemälde mit rot leuchtenden Mohnblumen – eine Erinnerung an die damalige Zeit.

Meine Gedanken wandern oft in die Vergangenheit zurück, zu meinem Ehemann, der aus Ratibor in Oberschlesien stammte. Ich lernte ihn in Görlitz während meiner Ausbildung zur Bücherrevisorin bei der Firma Liva – Terrazzo- und Zementwarenfabrik kennen. Er war damals mit seinem 30. Infanterieregiment in der Stadt stationiert.

Ich sehe auch die dunklen Tage. Der Bombenhagel, der über Görlitz niederging, zwang mich zurück nach Hoyerswerda, wo ich dann beim Amt für Volksgesundheit arbeitete. 1940 heiratete ich in Klein Neida meinen Max. Er verbrachte hier seinen Fronturlaub. Ich sah ihn erst 1949 wieder, als er aus Kiew kam – aus der Gefangenschaft. Vatel starb in der Nachkriegszeit 1947 im sowjetischen Internierungslager in Buchenwald. Muttel starb 1964, ohne je erfahren zu haben, was mit ihrem Mann Reinhold passierte. Sein Schicksal konnte ich erst nach der Wende aufklären lassen. Viel Trauer, aber auch viele glückliche Momente begleiten mein Leben.

HOLUNDERSUPPE
MIT KARTOFFELSTAMPF


Suppe: 375 g Holunderbeeren • 11 Wasser • Schale und Saft von ½ Zitrone

10 Nelken • 1 Zimtstange • 100 g Rosinen • 30 g Stärkemehl • 75 g Zucker

1 EL Butter • Hultsch-Zwieback (heute Neukircher Zwieback)

Stampf: 1½ kg Kartoffeln • ¼ l Milch • 2 EL Butter

Die gewaschenen schwarzen Holunderbeeren mit einer Gabel von den Stielen abstreifen und zerdrücken. Zusammen mit knapp 1 l Wasser und der Zitronenschale, den Nelken, der Zimtstange und den Rosinen 20 Minuten kochen. Den Saft abgießen, wieder zum Kochen bringen und mit dem im restlichen Wasser kalt angerührten Stärkemehl binden. Nun mit Zitronensaft und Zucker abschmecken.

Nebenbei den Zwieback in kleine Stücke brechen und in der Butter braten. Für den Kartoffelbrei Salzkartoffeln bereiten, abgießen, stampfen. Einen Eßlöffel Butter zugeben. Die heiße Milch zugießen und nochmals stampfen.

Von der restlichen Butter braune Butter bereiten und über den zusammen mit der Holundersuppe angerichteten Stampf geben und geröstete Zwiebackwürfel darüberstreuen.

TIP: Aus den getrockneten Blüten des Holunderstrauches bereite ich immer köstlichen Tee, der hervorragend bei...

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