a. Das UMAG – ein Rückblick
i. Einführung
Mit dem am 1. November 2005 in Kraft getretenen Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG)[153] unternahm der Gesetzgeber einen weiteren, dieses Mal umfassenden, Versuch, die missbräuchlichen Anfechtungsklagen insbesondere von Berufsklägern in den Griff zu bekommen. Das Bundesjustizministerium hatte seinen Referentenentwurf[154] (RefE) am 28. Januar 2004 vorgelegt, dem nach zahlreichen Stellungnahmen im November 2004 der erste Regierungsentwurf[155] (RegE) folgte. Für die Bundesregierung stellte der Gesetzesentwurf gemäß ihrer Begründung[156] die dritte Stufe bei der Umsetzung der zahlreichen Vorschläge und Empfehlungen dar. Die erste Stufe bildete demnach die Einsetzung der Kommission Deutscher Corporate Governance Kodex im Jahre 2001, und die zweite Stufe wurde durch die Umsetzung der „gesetzestechnisch einfacheren Regelungen“ mit dem Transparenz- und Publizitätsgesetz (TransPuG) im Jahre 2002 erreicht. Das UMAG sollte nun, neben anderen Rechtsmaterien auf die hier nicht mehr näher eingegangen wird,[157] den „bedeutendsten Teil der aktienrechtlichen Änderungsvorschläge“ kodifizieren.
Ziel der Anfechtungsreform war es somit, die Anfechtungsklage als das für die Aktionäre wichtige Schutzinstrument zu bewahren und zugleich deren missbräuchliche Ausnutzung zu unterbinden und Schaden von den betroffenen Gesellschaften abzuwenden,[158] was zugleich auch eine Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Gesellschaftsrechts darstellen sollte.[159]
Der Bundesrat nahm zum RegE erstmals am 18. Februar 2005 Stellung[160] woraufhin die Bundesregierung wiederum mit einer Gegenäußerung[161] antwortete. Anschließend wurde der Gesetzesentwurf an die Ausschüsse überwiesen. Einige wesentliche Änderungen brachten hier vor allem noch die Beschlussempfehlungen[162] des federführenden Rechtsausschusses vom 15. Juni 2005. Nach dem Beschluss des Bundestages am 16. Juni 2005 folgte am 8. Juli 2005 die abschließende Billigung durch den Bundesrat.[163] Das verabschiedete Gesetz übernahm viele der Vorschläge, die zum einen im Rahmen des 63. Deutschen Juristentags in Leipzig im Jahre 2000 und dem hierfür erstellten Gutachten von Prof. Theodor Baums[164] diskutiert und verabschiedet wurden, und zum anderen auf den Empfehlungen des Abschlussberichts der Regierungskommission Corporate Governance[165] aus dem Jahre 2001 beruhten.
ii. Neuer § 127a AktG (Aktionärsforum)
Dieser neue Paragraph führte das Aktionärsforum innerhalb des elektronischen Bundesanzeigers[166] ein. Mit dessen Hilfe können Aktionäre oder Aktionärs-vereinigungen andere Aktionäre auffordern, gemeinsam oder in Vertretung einen Antrag oder ein Verlangen nach dem AktG zu stellen oder in einer HV das Stimmrecht auszuüben. Hintergrund dieser Regelung war es unter anderem auch, dass es nicht wesentlich beteiligten Aktionären aufgrund der Beschränkung der Einsichtnahme in das Aktienregister auf eigene Daten bisher kaum möglich war, miteinander in Kontakt zu treten.[167]
Da auf das Aktionärsforum an späterer Stelle[168] zurückzukommen ist, soll es hier etwas ausführlicher behandelt werden. Eine eigene kurze Auswertung für den Zeitraum November 2005 bis August 2009 ergab, dass für 57 Aktiengesellschaften insgesamt 92 Aufforderungen eingetragen wurden. Spitzenreiter mit jeweils 6 Auforderungen waren hierbei die STRABAG AG und die Volkswagen AG. Von allen betroffenen Gesellschaften machten dabei bisher nur 2 von ihrer Möglichkeit nach §127a Abs. IV AktG Gebrauch, einen Hinweis zu einer Stellungnahme auf ihrer eigenen Webseite einzutragen. Weiterhin fällt auf, dass knapp 70% (64 Aufforderungen) von den beiden Aktionärsvereinigungen VzfK und DSW und nur knapp 23% (21 Aufforderungen) von Privataktionären (inklusive Juristische Personen) eingetragen wurden. Auffallend ist zudem, dass es einen eindeutigen Abnahmetrend bei den Aufforderungen von 31 im kurzen Restzeitraum von 2005, 26 in 2006, 14 bzw. 15 in 2007 und 2008 hin zu bisher nur 6 in 2009 gibt.
Aus diesen Informationen lassen sich zwei wesentliche Erkenntnisse ableiten. Erstens scheinen Privatpersonen den kostenpflichtigen Service des Aktionärsforums eher zu meiden und zweitens scheint sich das anfängliche rege Interesse nun eher in ein komplettes Desinteresse umzuwandeln. Dies lässt Rückschlüsse zu auf den sehr geringen tatsächlichen Nutzen des Forums im Vergleich zu seiner ursprünglichen Zielsetzung.
Die Meinungen zu Sinn und Zweck einen Aktionärsforums und der Notwendigkeit an sich, ein solches überhaupt einzuführen, waren in den jeweiligen Stellungnahmen zum RefE und RegE des UMAG sehr unterschiedlich. Während aus Sicht der einen keine grundsätzlichen Bedenken[169] gegen die Einführung einer solchen Internet-Plattform bestanden, äußerten andere wiederum durchaus zahlreiche Bedenken und plädierten z.B. dafür, das Aktionärsforum wenn überhaupt dann direkt bei den Gesellschaften einzurichten, da diesen so die Möglichkeit gegeben würde, sich selbst zu schützen, indem sie rechtswidrige Veröffentlichungen verweigern können.[170] Ein ähnlicher Vorschlag sah vor, bei einem zentralen Aktionärsforum ein Zustimmungserfordernis durch die Gesellschaften zu verankern oder diesen zumindest ein Veto-Recht einzuräumen.[171]
Weitere Kommentare aus der Literatur befassten sich z.B. auch mit der Thematik, ob und unter welchen Voraussetzungen die Nutzung des Aktionärsforums zu einem abgestimmten Verhalten und dem nicht unerheblichen Risiko eines möglichen Pflichtangebots[172] führen könnte, da bei Überschreiten der Schwellenwerte nach den §§ 30 Abs. II WpÜG, 22 Abs. II WpHG eventuell ein sog. „acting in concert“ vorliegen würde.[173]
Eine letzte, aus Sicht des Verfassers nach Durchführung der bereits angesprochenen Auswertung sehr berechtigte, Anmerkung betraf den Qualitätsgedanken der Internet-Plattform mit dem Hinweis, dass eine Ausschreibung des Forums geboten sei, um qualitativ überlegenen Mitbewerbern des elektronischen Bundesanzeigers eine Chance zu eröffnen.[174]
Die anfänglichen Befürchtungen, wonach das auch als „Karotten des Gesetzgebers für die Aktionäre“[175] verspottete Aktionärsforum die Gefahr missbräuchlicher Aktionärsklagen erheblich steigern würde und die Gesellschaften mit beleidigenden, rechtswidrig geschäftsschädigenden oder kriminellen Inhalten[176] und unsubstantiierter Kritik[177] konfrontiert würden, haben sich bis heute jedenfalls nicht bewahrheitet. Der hohen Erwartungshaltung der Bundesregierung, dass das Aktionärsforum zur Behebung eines grundlegenden Corporate Governance-Defizits, der mangelnden Eigentümerkontrolle, beitragen kann,[178] konnte das Forum in der Praxis bisher nicht gerecht werden. Während die einen hier nun weiterhin dafür plädieren, erst einmal abzuwarten, ob der eigentliche Informationsaustausch zwischen den Aktionären letztlich tatsächlich in dem Aktionärsforum stattfinden wird[179] machen sich andere Autoren berechtigte Gedanken darüber, warum das Aktionärsforum bislang nicht recht angenommen worden ist und ob man es z.B. mit einem neuen Konzept der Kostenfreiheit der Einträge fördern sollte.[180]
Aus Sicht des Verfassers war die Einführung des Aktionärsforums im Zeitalter des Internets ein erster Schritt in die richtige Richtung um Aktionären die Kommunikation und den Informationsaustausch untereinander zu erleichtern. Die technischen und optisch wenig anspruchsvollen Umsetzungen durch den elektronischen Bundesanzeiger sowie die Erhebung von Gebühren für Einträge haben sich aber nicht gerade als förderlich für dessen Nutzung durch die eigentliche Zielgruppe erwiesen. Hier besteht konkreter Handlungsbedarf.
iii. Änderung des § 131 AktG (Auskunftsrecht des Aktionärs)
Mit den zwei Änderungen des § 131 AktG verfolgte der Gesetzgeber zum einen das Ziel, die Durchführung und Dauer der HV wieder zu straffen, und zum anderen das Ziel, den Missbrauch des Frage- und Rederechts zu vermeiden.[181] Dabei hatte der Gesetzgeber nur die börsennotierten Aktiengesellschaften vor Augen.[182]
Die erste Änderung betraf den § 131 Abs. I AktG. Demnach konnte der Versammlungsleiter das Rederecht nach unumstrittener Meinung und gängiger Praxis zwar auch früher schon beschränken. Nach der neuen Fassung sollte die HV mit Hilfe der Satzungsautonomie diesen auch zur angemessenen Beschränkung des Fragerechts ermächtigen können. Diese Einschränkung der Anfechtungsgründe wurde von den...