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E-Book

Silicon Valley

Was aus dem mächtigsten Tal der Welt auf uns zukommt

AutorChristoph Keese
VerlagKnaus
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl320 Seiten
ISBN9783641122584
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Was mit der digitalen Revolution wirklich auf uns zukommt
Aus erster Hand berichtet Christoph Keese von den Innovationen im Silicon Valley und verbindet die vielen Facetten des digitalen Wandels zum großen Bild. Er traf Erfinder, Gründer, Wagniskapitalgeber und Professoren in Stanford und Berkeley - auf der Suche nach Erfolgsmustern und Treibern der boomenden Internetwirtschaft. Wie funktioniert dieses »Einfach tun, was sonst keiner wagt«? Warum fällt traditionellen Firmen die »disruptive Innovation« so schwer? Wächst uns Google über den Kopf? Was ist der Netzwerkeffekt? Schafft das Internet wirklich Geld, Banken, Einzelhandel, Zeitungen, Bücher und Verkehrsampeln ab? Was muss Deutschland unternehmen, um den Anschluss nicht zu verpassen?

Christoph Keese ist Geschäftsführender Gesellschafter der Unternehmensberatung hy und begleitet namhafte Unternehmen und Regierungsinstitutionen bei Fragen der digitalen Transformation und technologischen Innovation. Der Publizist, Wirtschaftswissenschaftler, Verlagsmanager, Investor und Bestsellerautor arbeitet seit Anfang der 1990er Jahre an der Digitalisierung von Geschäftsmodellen und ist einer der führenden Beobachter von Innovation und Erneuerung. Er gehört zu den Mitgründern der »Financial Times Deutschland«, leitete als Chefredakteur die »Welt am Sonntag« und »Welt Online« und trieb, zuletzt als Executive Vice President, die Digitalisierung bei Axel Springer voran. Christoph Keese ist Autor zahlreicher Bestseller, darunter »Silicon Valley«, »Silicon Germany« und zuletzt »Disrupt Yourself«. Für »Silicon Germany« wurde er mit dem Deutschen Wirtschaftsbuchpreis 2016 ausgezeichnet.

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Leseprobe

Die Hauptstadt, die keine sein möchte

Im Silicon Valley ballt sich das Herrschaftswissen der Welt. Doch in der Zentrale des Internet duckt man sich am liebsten vor der eigenen Bedeutung weg. Annäherung an das mächtigste Tal der Welt.

Das Tal, von dem wir wissen wollen, wie es unser Leben verändert, könnte unauffälliger nicht sein. Es ist der 12. Februar 2013. Wir sitzen seit 13 Stunden im Flugzeug, die Kinder schlafen mit den Köpfen auf unseren Knien, als unter uns endlich das Silicon Valley auftaucht. Ich sehe aus dem Fenster. Wir durchstechen die dicken Quellwolken über der Golden Gate Bridge. Ein halbes Dutzend Mal bin ich in den vergangenen zehn Jahren hier gewesen, aber die Trivialität dieser Gegend verblüfft mich immer wieder. Nicht die Landschaft ist trivial. Sie ist grandios. Spektakulär. Schöner als vieles andere auf der Erde. Trivial aber ist die Bebauung. Nichts hat sich geändert seit meinem letzten Besuch. Gähnende Langeweile. Eine Weltmacht auf Valium, ein Kraftzentrum unter der Tarnkappe.

Keine Spur von Weltkonzernen, Fabriken oder Forschungslaboren. Das stellt man sich anders vor. Dass Googles Heimat irgendwie mächtig aussieht, bedeutsam und einflussreich. Nichts dergleichen. Keine Hochhäuser, Industriezonen oder Villen mit riesigen Gärten. Die straff geführten Internetkonzerne, gefürchtet für ihren Willen, den Rest der Welt in digitale Kolonien ohne Mitspracherecht zu verwandeln, sitzen in Pappschachteln aus Beton. Milliarden Menschen, heißt es, werden von diesen Konzernen in die elektronische Abhängigkeit geführt, aber warum in gesichtslosen Büroparks? Wird ihnen darin nicht selbst langweilig? Wenn das hier das Rom des Internetzeitalters sein soll, warum baut dann niemand ein Kapitol? Auf Erdbebenspalten errichtet man keine Hochhäuser, heißt es, aber San Francisco tut es doch auch. Warum misst das höchste Gebäude von Palo Alto nur zwölf Etagen? So hoch sind in New York schon die Eingangshallen von Firmen, die nicht ein Tausendstel von dem verdienen, was hier verdient wird. Millionäre und Milliardäre gibt es hier so viele auf so engem Raum wie nirgendwo sonst in den Vereinigten Staaten, warum bauen sie keine Pools in ihre Gärten? Manche tun es, die meisten aber nicht. Warum fällt den Stadtplanern hier kein besseres Straßenraster ein als das Schachbrettmuster – bei all dem Geist und Genie, die in das Design von Apple-Produkten fließen? Unser Airbus, der San Francisco ansteuert, fliegt wie jedes Flugzeug eine 180-Grad-Kurve über Palo Alto. Die Maschine lehnt sich steil auf meine Seite. Unter der Scheibe liegt jetzt flach diese seltsame kleine Stadt. Als Architekturstudent müsste man sicher nicht hierher kommen. Als Medienmanager schon.

Das Silicon Valley ist noch nicht einmal wirklich ein Tal. Schon der Name führt in die Irre. Westlich liegt der Pazifik, und von seiner Küste, mit erstaunlich wenigen Stränden und dafür umso mehr schroffen Felswänden, steigt eine bewaldete Hügelkette an. Sie kann als westliche Begrenzung des »Tals« gelten. Unter Naturschutz gestellt, ist sie kaum besiedelt. Die Hälfte des Silicon Valley ist mehr oder weniger ein Urwald. Östlich des Tals gibt es keine Erhebungen. Die Flanke der Hügel fällt flach ab bis zur Bucht von San Francisco. Erst 25 Kilometer dahinter tauchen wieder Berge auf, weit hinter dem anderen Ufer der Bucht. »Tal« klingt besser als »Hügelflanke«, was es in Wahrheit ist. Das vermeintliche Valley ist 70 Kilometer lang und 30 Kilometer breit. Davon sind 20 Kilometer Wald und Grassteppe, und nur zehn Kilometer Zivilisation. Das Ganze ist kaum größer als Berlin.

Das letzte Fleckchen Westen, bevor der Osten beginnt, hat Durs Grünbein Kalifornien einmal genannt. Jetpiloten müssen hart ins Ruder greifen, um das Silicon Valley nicht zu verpassen. Eine Minute Überflugzeit, dann ist es schon vorbei. Unsere Swiss-Maschine fährt die Klappen aus und rumpelt über die kleinen Wohnhäuser und flachen Büroquartiere von Menlo Park hinweg, einem Örtchen nördlich von Palo Alto. Hier werden weltweit einmalige 15 Milliarden Dollar Venture Capital pro Jahr ausgegeben, und hier sitzt Facebook mit seiner Hauptverwaltung.

Nach einer Studie würde das Internet, wenn es ein Land wäre, innerhalb von vier Jahren alle anderen Länder der Welt bis auf vier wirtschaftlich überrunden. Nur eine richtige Hauptstadt leistet es sich nicht. Obwohl fünf der sechs meistbesuchten Webseiten der Welt von hier kommen: Facebook, Google, YouTube (gehört zu Google), Yahoo! und Wikipedia. Die sechste Webseite stammt aus China. Trotzdem, Erhabenheit sucht man vergebens. Wenn man New York anfliegt, sieht man schon an der Skyline, wie reich und mächtig Manhattan sein muss. Die New Yorker zeigen, was sie haben. Ihr Selbstbewusstsein wächst in den Himmel. Höhere Hochhäuser anderswo sind ihnen ein Stachel im Fleisch. Auch Los Angeles ist nicht für Bescheidenheit bekannt. Reichtum und Luxus springen den anfliegenden Besucher schon in Form der vielen Tausend Luxuspools durch die Scheibe an. Radikales Understatement dagegen herrscht im Silicon Valley. Mich erinnert die Gegend aus der Luft an eine Kleingartenkolonie. Nichts sticht hervor, alles duckt sich weg. Von hier aus wird das 21. Jahrhundert gesteuert. Hierher fließen die gewaltigen Geld- und Datenströme der Digitalwirtschaft. Noch nie haben so wenige Menschen so viele Informationen über alle anderen Menschen besessen. Und trotzdem macht sich das Silicon Valley klein. Zufall oder Methode?

San Francisco auf der Spitze der Halbinsel ist zwar eine respektable Metropole, wenn auch nach Einwohnern und Fläche kleiner als München. Doch die Stadt gehört nicht zum Silicon Valley. Das Tal besteht streng genommen nur aus putzigen Ortschaften mit spanisch oder verträumt klingenden Namen wie San Carlos, Palo Alto, Mountain View und Cupertino, und einer hässlichen, ausgefransten Großstadt namens San José. Mit Ausnahme von San José sind das Orte minderer Bedeutung, kaum größer als Castrop-Rauxel. Unwichtig, wenn es da nicht die Hightech-Industrie gäbe, die wie ein Segen über sie gekommen ist. Fleckchen, die zufällig Heimat von Weltmächten wie Oracle, Apple, Google, Intel und Stanford geworden sind. Traum eines jeden Wirtschaftsförderers.

BMW, Audi, Volkswagen, Mercedes, Bosch, BASF und Lufthansa fürchten sich vor dieser Gegend. Einige von ihnen haben aus Vorsicht große Forschungszentren hier errichtet. Die Bundeskanzlerin warnt, dass Deutschlands stolze Industrie von dieser ehemaligen Obstplantage, nichts anderes war das Silicon Valley kurz nach Kriegsende, schon bald überholt werden könnte. Übertriebene Alarmstimmung oder berechtigte Sorge? Das Herz des Internet schlägt in Schlafstädten – Hewlett-Packard, Google, Apple sind an Orten entstanden, die langweiliger nicht sein könnten. Landschaftlich reizvoll, aber städtebaulich banal.

Unsere drei Kinder – acht, sechs und drei Jahre alt – werden in die deutsche Schule von Mountain View gehen: German International School of Silicon Valley, GISSV. Gleich neben der Google-Zentrale und dem NASA-Forschungszentrum. Die Eltern ihrer Schulkameraden arbeiten für Firmen, deren Logos auch hierzulande jedes Kind kennt. Unser sechsjähriger Sohn glaubt bald, dass ich bei Apple bin, weil alle meine Computer und Telefone von Apple stammen. Außerdem arbeiten alle Eltern seiner Klassenkameraden bei Tech-Konzernen. Bei einem Verlag ist kein anderer Vater, Bild-Chef Kai Diekmann ausgenommen. Verlage gelten hier als etwas überholt und von vorgestern. Dinosaurier, die das Internet nicht richtig verstanden haben und nicht begreifen wollen, dass kein Geld mehr mit Journalismus zu verdienen sein soll, statt Artikel, Fotos und Videos von Algorithmen aufspüren zu lassen und dem Publikum als Sammlungen zu präsentieren. Aggregieren heißt das. Aggregation ist gut, weil sie automatisch funktioniert und fast kein Personal braucht, wenn die Programmierer ihre Arbeit erst einmal abgeschlossen haben. Produktion hingegen ist nicht gut, glaubt das Silicon Valley, ganz gleich, ob es sich nun um Journalismus, Musik, Filme, Autos, Flugzeuge, Waschmaschinen, Heizkessel, Strom oder Teddybären handelt.

»Eine Reise auf der Suche nach der Zukunft«, haben die Medien-Branchendienste geschrieben, als wir in Berlin losgeflogen sind. Für uns ist es eher eine Reise auf der Suche nach Anschluss. Ein Ankämpfen gegen den Rückstand. Für jedes General Electric gab es in Deutschland früher einmal ein Siemens, für jedes IBM ein Nixdorf, für jedes Kodak ein Agfa, für jedes Pfizer ein Hoechst, für jedes Sony und Samsung ein Telefunken, Grundig oder Loewe. Doch mit der Digitalisierung ist das einstige Musterland aus dem Tritt geraten. Die Deutschen fremdeln mit dem Netz. »Neuland« hat Angela Merkel das Internet etwas ungeschickt, in der Sache aber zutreffend genannt. 25 Jahre ist das Web inzwischen alt, ihre große Liebe dazu müssen die Deutschen aber erst noch entdecken.

SAP, Deutschlands letzter internationaler Computer-Erfolg, stammt aus den 70er-Jahren. Mit Ausnahme des Netzdienstleisters United Internet kommt keiner der großen Erfolge der Internet-Ära aus Deutschland, und selbst United Internet ist ein eher regionales Phänomen geblieben. Alle maßgeblichen Techniktrends von der Suchmaschine über soziale Netzwerke bis zum Smartphone wurden in Deutschland um Jahre zu spät erkannt. Was machen die Kalifornier besser als die Deutschen? Warum locken sie so viele Talente an? Wie werden sie so innovativ? Weshalb sind sie so schnell? Für Verlage ist das eine Schicksalsfrage. Sie haben ihre Seiten im Netz zwar früh gestartet, 1994 oder kurz danach. Doch dass Verlage die wichtigen Trends immer rechtzeitig erkannt hätten, können sie...

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