„E-Learning ist ein weites Feld, es lässt sich keiner klassischen akademischen Disziplin alleine zuordnen: Informatik, pädagogische Psychologie, Didaktik und Grafikdesign liefern wichtige Beiträge“
(Helmut M. Niegemann)
Allein an diesem Zitat von Helmut M. Niegemann kann man erkennen, wie vielzählig die Teilbereiche innerhalb des E-Learning sein können. Daher ist es zunächst einmal für das Verständnis in diesem Bereich unerlässlich, sich dem Begriff als solchen schrittweise zu nähern. E-Learning kann abhängig von der zur Verfügung stehenden Technologie vielfältige Einsatzmöglichkeiten bieten. Dazu gehören beispielsweise Audiokonferenzen, Chat, Datei-Upload und Download, Datenbanken und vieles mehr (Bush & Mayer 2002, 38ff). Welches Instrument im konkreten Fall ausgewählt wird, ist von mehreren Faktoren abhängig. Dazu zählen ganz allgemein die verwendete Software und das darin enthaltene Angebot an Anpassungsmöglichkeiten. Wichtigste Entscheidungsgrundlage sollte jedoch der zu behandelnde Lehr-Lernprozess sein (Blessing 2011, 171).
Bevor eine Definition des Begriffs E-Learning folgt, ist es wichtig einen kurzen Blick in die Geschichte zu riskieren. Dieser Rückblick soll Anhaltspunkte über wichtige Eckpfeiler der lerntheoretischen Entwicklungen im Bereich des E-Learning liefern. Für eine einheitliche Verwendung des Begriffs E-Learning in der vorliegenden Arbeit ist es in einem zweiten Schritt notwendig, die gewonnen Erkenntnisse aus der Geschichte in eine ausführliche Definition einfließen zu lassen, welche die Grundlage für Handlungsempfehlungen und weitere Diskussionen darstellt.
Für ein besseres Verständnis der abwechslungsreichen Geschichte von E-Learning-Systemen werden kurz die wichtigsten (Entwicklungs-) Stationen hinsichtlich der Ansätze von Lehr-Lerntheorien in Bezug auf die „Mechanisierung“ des Lehrens und Lernens dargestellt. Dies ist insofern von Bedeutung, da die darauffolgende Definition wichtige Erkenntnisse aufnimmt und versucht umzusetzen.
Wie bereits angesprochen soll zunächst ein geschichtlicher Rückblick als Einführung in den Bereich des E-Learning dazu dienen, sich der inhaltlichen Relevanz des Themas zu nähern. Die Geschichte, bzw. die Idee Prozesse des Lehrens und Lernens mit Hilfe von Maschinen zu verbessern oder abzubilden ist nicht neu. Bereits Anfang des 20. Jahrhunderts versuchte man sich daran Lehr-Lernprozesse mittels Automaten darzustellen. Beispiele dafür sind die berühmt gewordenen Maschinen von Skinner und Holland, welche erste Schritte hin zu einer programmierbaren Anleitung darstellten (Dittler 2011, 3).
Lernen am Erfolg – Durch Belohnung und Strafe
Aus den Resultaten der vielfältigen Versuche mit Tieren wurde die Lerntheorie des Behaviorismus entwickelt, welche Lernen als sog. „Reiz-Reaktions-Lernen“ (Edelmann 2000, 29) bezeichnet. Skinners Erkenntnisse in Verbindung mit der aufkommenden Theorie des Behaviorismus sind deshalb von zentraler Bedeutung, da sie den Startpunkt für die Entwicklung von Computer-Based-Training und somit auch des E-Learning darstellen. Diese „Programmierte[n] Lernprogramme (in Anlehnung an programmierte Unterweisung und programmierten Unterricht)“ (Dittler 2011, 3) stehen somit am Anfang des Zeitalters der computerunterstützten Lernprogramme. Auch in Deutschland, bzw. im deutschsprachigen Raum wurden in den 60er und 70er Jahren verschiedene Systeme entwickelt, die sich an Skinners Konzept von Lernen durch Erfolg und Belohnung orientierten. Ein besonderes Augenmerk dieser Arrangements wurde immer auf die Erfolgskontrolle und das zeitnahe Feedback gelegt (Dittler 2011, 3-4). Diese Programmierte Instruktion führte allerdings zu vielen Problemen. Als Hauptproblem stellte sich die unzureichende Berücksichtigung der verschiedenen Lerngeschwindigkeiten der Lernenden heraus. Dies hatte vor allem beim Einsatz solcher Systeme im Klassenzimmer deutliche Nachteile (Holten & Nittel 2010, 11; Kruppe, Mandl, Hense 2002, 3; Messerschmidt, Grebe 2005, 29). Im Allgemeinen werden solche streng behavioristischen Ansätze heutzutage als gescheitert angesehen, obwohl sie Ende der 1980er und Anfang der 1990er Jahre einen zweiten Frühling erlebten und vereinzelt heute noch zum Einsatz kommen (Thissen 2003, 2f; Messerschmidt & Grebe 2005, 35).
Lernen durch Verstehen und Einsicht
Mit der Zeit änderte sich nun das Design von technologisch unterstützen Systemen für den Lernprozess. Der Lernerfolg wird nicht mehr primär am Erkennen der richtigen Antworten bewertet, vielmehr wird der Prozess des Denkens in den Mittelpunkt der Untersuchungen gestellt. Dieser soll Erkenntnisprozesse lostreten, welcher einen ideenvollen Problemlösevorgang beim Lernen realisieren soll (Dittler 2011, 3). Dabei wird der Prozess des Lernens an sich als spezielle Form der Wissensaufnahme angesehen. Entscheidend sind hierfür die Aufbereitung der Informationen und die Ausprägung der kognitiven Fähigkeiten der Lernenden (Kerres 1998, 57). Bei der Umsetzung von E-Learning, bzw. des Computer-Based-Training wurden, bzw. wird diese Erkenntnisse vor allem in der Darstellung der Lerninhalte umgesetzt. Lerner sollen seither durch die zusammenhängenden und aufeinander aufbauenden Arbeitsmaterialien Lernkontexte verstehen und dadurch selbstständig Problemlösefähigkeiten entwickeln (Dittler 2011, 3). Allerdings ist die Messbarkeit von solchen individuellen kognitiven Fähigkeiten nicht ohne weiteres möglich, was eine zielgerichtete Unterstützung der Lernenden durch virtuelle Lernangebote erheblich erschwert (Grune 2000, 26).
Lernen als Konstruktion von Wissen
Basis für diese Entwicklung waren zunächst einmal die Erkenntnisse aus der Umsetzung verschiedenster technologischer Lernsysteme auf Basis des Kognitivismus und Behaviorismus. In der Erprobungsphase unterschiedlichster E-Learning Anwendungen erkannte man recht schnell, dass Lernende obwohl sie in der gleichen Lernumgebung agierten, eine teilweise erheblich abweichende Lernleistung aufweisen. Diese Ergebnisse beeinflussten bzw. beeinflussen die Konzeption von E-Learning Maßnahmen deutlich. Seither versucht man das persönliche Vorwissen, die bereits gesammelten Erfahrungen oder sonstige Kenntnisse der Lernenden in den Lernprozess mit eizubinden. Folglich müssen Lernsituationen die „Konstruktion von Wissen auf der Basis des individuellen Vorwissens“ (Dittler 2011, 3) zum Ziel haben (Dittler 2011, 3). In Gegensatz zu Systemen, die auf den Behaviorismus und Kognitivismus aufbauen, erfordern die Merkmale des Konstruktionismus eine veränderte Sichtweise auf bestehende Lernsetting. Lehrende sind nicht länger als Autorität oder Tutor im Zentrum des Lehr-Lernprozesses, sondern stehen fast auf einer Stufe mit den Lernenden. (Baumgartner & Payr 1994, 108).
Der E-Learning-Hype-Cycle
Auch wenn die eben vorgestellten lernpsychologischen Erkenntnisse immer weiter Eingang in das didaktische Arrangement von E-Learning-Szenarien Eingang fanden, waren diese überwiegend durch die Intention durchdrungen, die neuen technischen Möglichkeiten bestmöglich auszureizen. Die „Goldgräberstimmung“ in diesem Bereich erhielt jedoch vor allem durch das Platzen der dot.com Blase zu Beginn des neuen Jahrtausends eine deutliche Abkühlung. Man stellte recht ernüchternd fest, dass die teilweise recht überzogenen Erwartungen und die damit verbundenen finanziellen Einsparpotenziale in vielen Projekten schlicht und einfach nicht zu erreichen waren. Zudem waren die Vorbereitungszeiten für E-Learning Szenarien wie das Computer-Based-Training teilweise deutlich höher als für konventionelle Seminare oder „offline“ Kurse. Deutlicher wird dieser Umschwung in der Bewertung von technologiebasierten Lernszenarien wenn man den E-Learning-Hypecycle[2] von Fischer (2013, 42) betrachtet (Dittler 2011, 5).
Abbildung 2: E-Learning-HypeCycle
Nachdem der Gipfel der Erwartungen überschritten wurde, folgte ziemlich schnell eine Phase der Ernüchterung. Die in verschiedenen Universitäten diskutierte Abschaffung von klassischen Präsenzlehrveranstaltungen aufgrund von Kosteneinsparungen und Effizienzvorteilen entpuppte sich nach und nach als Illusion. Nach der überfälligen Abkehr von nicht realisierbaren Erwartungen änderte sich die bis dato geltende Zielsetzung. Die Entwicklung richtet seither den Blick nicht mehr primär auf den Kostenaspekt, sondern auf die sinnvolle Verbesserung der Qualität von Lehr-Lernprozessen. Ansätze wie das Blended Learning[3] resultierten längst aus diesen Verbesserungsbestrebungen (Dittler 2011, 5).
Ferner wird das E-Learning seit etwa nun mehr als zehn Jahren von der allgegenwärtigen Ausbreitung und Nutzung des Internets stark traktiert. Die fast grenzenlose Verfügbarkeit von...