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Sizilien

Eine Geschichte von der Antike bis in die Moderne

AutorJohn Julius Norwich
VerlagKlett-Cotta
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl368 Seiten
ISBN9783608108705
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis14,99 EUR
Mitreißend und elegant erzählt John Julius Norwich die turbulente Geschichte der 'Königin der Inseln', die ein einzigartiges Kaleidoskop der Völker und Kulturen war und ist. Unterhaltsam führt er uns durch die Jahrtausende, in denen Sizilien im Brennpunkt der Weltgeschichte stand. Sizilien: die größte Insel des Mittelmeers, die Schwelle zwischen Europa und Afrika, Bindeglied zwischen dem lateinischen Westen und dem griechischen Osten. Ihre einzigartige strategische Lage lockte Phönizier, Griechen, Römer, Araber und Normannen, französische Fürsten und spanische Könige. Die Kämpfe um die Insel spielten für den Aufstieg und Fall der mächtigsten Dynastien der Welt eine Schlüsselrolle. Erstmals verknüpft John Julius Norwich all die bunten Fäden der sizilianischen Geschichte zu einer umfassenden Darstellung und führt die Leser durch die Jahrtausende. Von ihren Anfängen in der Antike bis zu ihrem Aufstieg zur multikulturellen Drehscheibe des Handels während der Kreuzzüge, vom Widerstand gegen die Vereinigung mit Italien bis zum Aufkommen der Mafia ist die Insel reich an weltgeschichtlichen Ereignissen und dramatischen Persönlichkeiten. Wie die Insel selbst, ist dies ein Buch voller kräftiger Farben und Aromen, das man immer wieder zur Hand nehmen möchte.

John Julius Norwich (1929-2018) studierte Französisch und Russisch am New College in Oxford. Seine berufliche Laufbahn begann im britischen Auswärtigen Amt, doch er gab seine diplomatische Karriere auf und wurde Schriftsteller. Er ist 'Fellow of the Royal Society of Literature, the Royal Geographical Society' und der 'Society of Antiquaries'. Er war Vorsitzender des 'Venice in Peril Fund' und ist Ehrenvorsitzender des 'World Monuments Fund'.

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Leseprobe

Vorwort


Ich habe Sizilien vor mehr als 50 Jahren eher zufällig entdeckt. Im Juni 1961 arbeitete ich im britischen Außenministerium als Referent für den Nahen Osten, als der Irak Kuwait überfiel. (Plus ça change . . .) Es kam zu einer Krise. Großbritannien schickte Truppen, und infolgedessen bekam ich erst Mitte Oktober Urlaub. Wenn meine Frau und ich Sonne und Wärme wollten, mussten wir ziemlich weit in den Süden fahren. Und allein aus diesem Grund entschieden wir uns für Sizilien. Es war für uns beide der erste Besuch, und keiner von uns wusste irgendetwas über die Insel. Wir fuhren mit dem Auto nach Neapel und nahmen die Nachtfähre nach Palermo. Es war ziemlich aufregend, als wir in den frühen Morgenstunden Stromboli passierten und der Vulkan alle 30 Sekunden hell aufglühte wie ein Ungeheuer, das eine riesige Zigarre pafft. Ein paar Stunden später, im morgendlichen Sonnenschein, näherten wir uns der Conca d’Oro, dem Becken, in dem die Stadt Palermo liegt. Ich erinnere mich an die Schönheit dieser Szenerie, vor allem aber spürte ich eine Veränderung der ganzen Atmosphäre. Die Straße von Messina ist nur ein paar Kilometer breit, die Insel ist daher vom Festland nicht weit entfernt, und politisch gehört sie ohnehin zu Italien. Dennoch hat man das Gefühl, eine andere Welt zu betreten.

In den folgenden zwei Wochen erkundeten wir diese für uns neue Welt. Alles zu sehen war unmöglich. Sizilien hat eine Fläche von fast 26 000 Quadratkilometern, und die meisten Straßen waren damals noch nicht asphaltiert, aber wir taten, was wir konnten. Mich beeindruckte nicht nur die Qualität, sondern auch die außerordentliche Vielfalt und Fülle dessen, was wir sahen: griechische, römische, byzantinische, arabische und schließlich barocke Monumente. Mein Herz jedoch verlor ich an die Normannen. Ich erinnerte mich an einen Abschnitt in HAL. Fishers Geschichte Europas, wo die Normannen Siziliens kurz gestreift werden, aber auf die Großartigkeit dessen, was mich erwartete, war ich nicht vorbereitet. Nur zwei Beispiele: Die Cappella Palatina in Palermo, vom Grundriss her eine lateinische Basilika, ist mit prächtigen byzantinischen Mosaiken geschmückt, und die Stalaktitendecke aus Holz, auf die jede Moschee stolz wäre, wurde von arabischen Kunsthandwerkern gestaltet. Noch eindrucksvoller ist das große Mosaik des Christus Pantokrator aus dem 12. Jahrhundert in der Kathedrale von Cefalù, die denkbar beste Werbung für das Christentum.

Von dem Moment an gingen mir diese normannischen Baudenkmäler nicht mehr aus dem Kopf, und als ich wieder in London war, suchte ich sofort die London Library auf. Zu meiner Verwunderung gab es praktisch nichts in englischer Sprache über die Normannen auf Sizilien. Allerdings entdeckte ich ein zweibändiges Werk mit dem Titel Histoire de la Domination Normande en Italie et en Sicile, erschienen 1907 in Paris. Der Verfasser war Ferdinand Chalandon, der sich als archiviste-paléographe bezeichnete. Er hatte gewissenhaft alle Quellen studiert, zahllose Klosterbibliotheken durchforstet und Fußnoten und Bibliografien, ja sogar ein Register erstellt, was in französischen Büchern aus jener Zeit selten ist. Das Einzige, was er versäumt hatte, war zu sagen, worauf er eigentlich hinauswollte. Sechshundert Seiten lang folgen Fakten auf Fakten, aber nirgendwo findet sich auch nur ein Hinweis darauf, dass der Verfasser irgendetwas schön, überraschend oder auch nur bemerkenswert fand. Das Ergebnis waren zwei Bände von gähnender Langeweile. Andererseits hatte er die ganze Kärrnerarbeit geleistet; mir blieb nur die Aufgabe, etwas Interessantes und Lesbares daraus zu machen.

Trotzdem war es eine Herausforderung – und, wie ich schnell feststellte, ein Vollzeitjob. Ich hatte keine andere Wahl, ich musste meinen Posten im Außenministerium aufgeben und meine schriftstellerische Tätigkeit ernst nehmen. Seither habe ich den Stift nicht mehr aus der Hand gelegt. Meine eigenen beiden Bände zur Geschichte der Normannen verschafften mir die notwendige Grundlage. Während ich daran arbeitete, wurde ich immer wieder gefragt, was eigentlich mein Thema sei. Nur ein einziges Mal stieß ich auf jemanden, der überhaupt eine vage Vorstellung davon hatte, womit ich mich beschäftigte. Und heute, 50 Jahre später, frage ich mich immer noch: Wie kann es sein, dass diese wunderbare Geschichte von Aufsteigern, wie es die Brüder und Vettern jener Normannen waren, die 1066 mit den Engländern kurzen Prozess machten, in England so wenig bekannt ist? Heutzutage, da so viele Leute auf Sizilien Urlaub machen, hat sich die Situation wohl ein wenig geändert. Aber die meisten Touristen interessieren sich sehr viel mehr dafür, Fotos zu schießen als ihrem Reiseführer zuzuhören. Daher bin ich mir doch nicht so sicher.

Während ich noch an dem 1967 erschienenen ersten Band, The Normans in the South (Die Wikinger im Mittelmeer. Das Südreich der Normannen 1016 – 1130, Wiesbaden 1968) arbeitete, erhielt ich das Angebot, einen Dokumentarfilm zu diesem Thema für die BBC zu machen. Heute erscheint es fast unglaublich, dass er in Schwarzweiß gedreht wurde. Aber so war das damals, und obwohl nicht herausragend, war er für einen ersten Versuch gar nicht so schlecht. Man hat es uns allerdings nicht leicht gemacht. Monsignore Pottino, der ältere Priester, der für die Cappella Palatina verantwortlich war, legte uns alle möglichen Steine in den Weg. Zuerst untersagte er uns die Verwendung von Scheinwerfern mit der Begründung, sie würden den Gips zum Schmelzen bringen, auf den die Mosaiken gelegt sind. Wir erklärten ihm, wir würden höchstens 30 Sekunden brauchen, und die Beleuchtung wäre längst wieder ausgeschaltet, bevor der Gips Schaden nehmen könnte. Dann warf er einen skeptischen Blick auf unser Kamerastativ. In der Kapelle seien keine Stative erlaubt, sie könnten den Boden zerkratzen. Wir sparten es uns, auf die Hunderte von Pfennigabsätzen zu verweisen, die tagtäglich über den Boden stöckelten, sondern präsentierten ihm stattdessen eine Art Trage für die Beine des Stativs; auf diese Weise würde nur eine glatte Oberfläche den Boden berühren. Monsignore Pottino ließ sich nicht umstimmen. Nie auch nur ein Wort der Entschuldigung, ein Vorschlag oder ein Lächeln. Schließlich riss unserem Regisseur, der ein wunderbares Italienisch sprach, die Geduld. »Dieser Mann«, sagte er, wobei er mit dem Finger auf mich deutete und mich damit in arge Verlegenheit brachte, »ist ein Viscount. Folglich ist er Mitglied des House of Lords. Wenn er nach London zurückkehrt, wird er dem Oberhaus berichten, wie er hier behandelt wurde.« Aber Monsignore Pottino sah ihn nur mitleidig an. »Io sono marchese«, gab er trocken zurück. Spiel, Satz und Sieg. Wir wussten, wir hatten den Kürzeren gezogen.

Dieser Monsignore war der einzige wirklich unangenehme Sizilianer, den ich jemals kennengelernt habe. Aber nirgendwo auf der Insel, so scheint mir, begegnet man der ungezügelten Fröhlichkeit der Menschen des italienischen Festlands. Und noch etwas sticht sofort ins Auge, besonders in den Dörfern: die merkwürdige Abwesenheit von Frauen. Nur selten trifft man sie in den Cafés, eine Domäne der Männer, die Karten spielen und jede einzelne auf den Tisch knallen, als wäre sie das Pik-Ass, von dem ihr Leben abhängt. Auch unbeschwertes Lachen hört man kaum. Manchmal frage ich mich, ob das nicht teilweise der islamischen Vergangenheit Siziliens geschuldet ist, aber es könnte auch an vielen anderen Faktoren liegen: den Jahrhunderten bitterster Armut, den ständigen Eroberungen durch häufig grausame Invasoren, ganz zu schweigen von den Naturkatastrophen: den Erdbeben, Pestepidemien und Vulkanausbrüchen. Selbst im Westen der Insel scheint der Ätna nie weit entfernt.

Eine Geschichte Siziliens zu schreiben war schwieriger, als ich dachte. Zum einen war ich überrascht und erschrocken über das Ausmaß meiner Unwissenheit. Ich hatte die Insel als Reiseführer bei Rundreisen und Kreuzfahrten wiederholt besucht und kannte mich ziemlich gut aus, aber ich hatte meine Kenntnisse maßlos überschätzt. Reiseführer können schließlich immer nur die Oberfläche streifen, für sehr viel mehr bleibt gar keine Zeit. Zum anderen hatte ich, abgesehen von der tragisch kurzen normannischen Epoche im 11. und 12. Jahrhundert, vieles ausgeblendet. Ich musste also eine Menge lesen. Und es gab...

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