In einem internationalen Konzern besteht oft eine Vielzahl von internen Leistungsbeziehungen, bei denen Leistungen[6] erstellt, gehandelt und verbraucht werden. Bei solchen konzerninternen Leistungen kann es sich um Produkte oder Zwischenprodukte, Serviceleistungen aber auch um die Überlassung von Kapital handeln[7]. Findet in einem Konzern ein Austausch solcher Leistungen zwischen einzelnen Einheiten statt, so werden diese mit einem Verrechnungspreisen bewertet, die gerade bei arbeitsteiligen und dezentralisierten Konzernen, wie sie im Mittelpunkt dieser Betrachtung stehen, als Instrument der Unternehmensführung vielfältig eingesetzt werden können.
Aus betriebswirtschaftlicher Sicht lassen sich Verrechnungspreisen eine Reihe von Funktionen zuordnen, die sich nicht immer eindeutig voneinander abgrenzen lassen und je nach wissenschaftlichem Standpunkt unterschiedliche Ausprägungen erfahren[8]. Im Rahmen dieser Arbeit wird zwischen
der Erfolgsermittlungs- und Motivationsfunktion,
der Koordinations- und Lenkungsfunktion,
der Bilanzierungsfunktion,
den Funktionen im Rahmen der Kostenrechnung sowie
den speziellen Funktionen, bezüglich grenzüberschreitender Leistungen
unterschieden, die in den folgenden Abschnitten dargestellt werden. Diese Einteilung stellt hierbei keineswegs eine abschließende Aufzählung der Verrechnungspreisfunktionen dar. Vielmehr sind je nach konzernspezifischen Rahmenbedingungen weitere Funktionen denkbar, die mit Verrechnungspreisen verfolgt werden. Jedoch gestaltet sich vorliegende Einteilung insofern zweckdienlich, als dass sie einen umfassenden Überblick über die verschiedenen betriebswirtschaftlichen Verrechnungspreisfunktionen bietet und die vielseitigen Aufgaben von Verrechnungspreisen innerhalb eines Konzerns verdeutlicht.
Eine der wesentlichen Funktionen, die Verrechnungspreisen aus betriebswirtschaftlicher Sicht zuzuschreiben ist, stellt die verursachungsgerechte Aufteilung des Gesamterfolges auf die einzelnen autonomen Einheiten dar.[9] Durch den zwischen den Konzerngesellschaften stattfindenden internen Leistungsaustausch erweist sich eine Ermittlung der einzelnen Gesellschaftserfolge als schwierig. Der Grund hierfür liegt in der mangelnden Realisation des aus dem konzerninternen Geschäft entstehenden Erfolges am Markt. Genau an dieser Problematik setzen konzerninterne Verrechnungspreise an. Mit ihrer Hilfe lässt sich ein fiktiver Markt innerhalb des Konzerns installieren[10], sodass den liefernden Konzernunternehmen angemessene Erlöse und den beziehenden Konzernunternehmen die entsprechenden Kosten verursachungsgerecht zugewiesen werden können.
Die Ermittlung des sachgerechten Erfolgsbeitrags der einzelnen Konzernteile ist hierbei aus betriebswirtschaftlicher Sicht insbesondere aus Gründen der Entscheidungsunterstützung von zentraler Bedeutung. Für die erfolgreiche Leitung eines Konzerns ist eine möglichst präzise Abbildung der Kosten- und Leistungsstruktur sowie der tatsächlich erzielten Erfolge der einzelnen Konzerngesellschaften unerlässlich.[11] Diese Informationen stellen die Basis für die zielgerichtete Entscheidungsfindung der Konzernführung
dar und ermöglichen somit erst eine strategisch sinnvolle Planung. Die Erfolgsausweise der einzelnen Konzernunternehmen bilden u. a. die Basis für:[12]
Investitionsentscheidungen,
konzernweite Produktions- und Programmentscheidungen sowie
Stilllegungs- oder Outsource-Entscheidungen.
Aufgrund der starken Dezentralisation von Entscheidungen in internationalen Konzernen, dient die Erfolgsermittlung neben der Konzernführung auch dem Management der Tochtergesellschaften als wichtige Informationsgrundlage für gesellschaftsimmanente Führungsentscheidungen[13]. So ist gerade in Konzernen auch die Geschäftsführung der Tochtergesellschaften daran interessiert, möglichst unverzerrte Daten ihres Erfolges zu erlangen, um zielgerichtete Entscheidungen, z. B. bezüglich ihres gesellschaftsinternen Produktionsprogramms zu treffen sowie gesellschaftsinterne Unwirtschaftlichkeiten aufzudecken und somit ihr Gesellschaftsergebnis zu maximieren.
Des Weiteren haben Verrechnungspreise, die die Erfolgsermittlungsfunktion erfüllen, den positiven Nebeneffekt, die Kostentransparenz sowie das Kostenbewusstsein der Gesellschaften zu fördern.[14] Eine objektive Erfolgsermittlung setzt nämlich voraus, dass die Kosten, die bei der internen Leistungserstellung entstehen, verursachungsgerecht auf die an dem Leistungstransfer beteiligten Einheiten aufgeteilt werden, sodass diese jederzeit einen Überblick über die Kostenstruktur der Leistung haben.
Es sei allerdings darauf hingewiesen, dass sich eine vollkommen verursachungsgerechte Erfolgszuteilung in der Praxis aufgrund der bei der Zuordnung von Synergieeffekten auftretenden Probleme stets als schwierig erweist. Solche Synergieeffekte stellen Wettbewerbsvorteile dar, die aus dem Zusammenwirken der Konzernunternehmen als wirtschaftliche Einheit resultieren und dementsprechend nicht separat einer Gesellschaft zugewiesen werden können.[15] Obwohl somit jeder Erfolgsaufteilung auf die Konzerngesellschaften ein gewisser Grad an Willkür anhaftet, gilt es mit Hilfe eines geeigneten Verrechnungspreises diesen Willkürfaktor so gering wie möglich zu halten.
Neben der eigentlichen Erfolgsermittlung wird den Verrechnungspreisen vor allem im Rahmen der organisationstheoretischen Literatur eine weitere Funktion zugesprochen, die mit der korrekten Erfolgsermittlung in einem engen Zusammenhang steht bzw. direkt aus dieser hervorgeht, nämlich die Motivationsfunktion.[16]
Häufig ist in Konzernen ein ergebnisabhängiges Prämiensystem vorzufinden, welches die Entlohnung des Managements der Tochtergesellschaften an den von ihnen erwirtschafteten Erfolg knüpft. So ergibt sich beispielsweise aus einer deutschlandweit durchgeführten Studie, dass mehr als 81 % der befragten leitenden Angestellten Bonifikationen in Abhängigkeit von quantitativen Erfolgsgrößen erhalten[17]. Durch eine solche Kopplung der Managemententlohnung an den Erfolg der Tochtergesellschaften werden in den dezentralen Führungsebenen Anreize zu einem gewinnmaximalen Wirtschaften der Tochtergesellschaften gesetzt.[18]
Neben der Anreizsetzung im Rahmen einer erfolgsabhängigen Entlohnung, werden Verrechnungspreisen auch indirekte motivationsfördernde Eigenschaften zugesprochen. So kann bei den leitenden Mitarbeitern u. a. Motivation dadurch hervorgerufen werden, dass diese aktiv an der Festlegung eines konzernweiten Verrechnungspreissystems beteiligt werden.[19] Durch die Mitarbeit und Einflussnahme bei der Errichtung des Verrechnungspreissystems kann sowohl eine höhere Akzeptanz und Zufriedenheit mit den getroffenen Verrechnungspreisregelungen gefördert als auch eine Verringerung eines potenziell opportunistischen Verhaltens der Bereichsmanager erreicht werden.
Darüber hinaus wird es der Konzernspitze durch den Einsatz von Verrechnungspreisen ermöglicht, koordinierend auf die Entscheidungen der dezentralen Konzernunternehmen Einfluss zu nehmen, ohne die Entscheidungsautonomie der dezentralen Bereiche direkt zu beschneiden. Scherz spricht hierbei auch von einer „Autonomie-Illusion", die gegenüber anderen Formen der konzerninternen Steuerung einen positiven Motivationseffekt für die Bereichsmanager vermuten lässt[20].
Eine weitere wesentliche Funktion von Verrechnungspreisen, welche gerade bei stark dezentralisierten Konzernstrukturen von besonderer Bedeutung ist, stellt die Koordinationsfunktion dar.
Der Koordinationsbedarf ist hierbei zum einen auf die Übertragung wesentlicher Entscheidungsbefugnisse auf die Konzerngesellschaften und zum anderen auf die zwischen einzelnen Konzerngesellschaften herrschenden Interdependenzen zurückzuführen.[21]
Letztere können hierbei entweder in Form von Leistungsverflechtungen oder einem gemeinsamen Rückgriff auf knappe Ressourcen auftreten.[22]
Sobald im Rahmen eines konzerninternen Leistungstransfers Interdependenzen vorliegen, haben die Entscheidungen der dezentralen Konzernunternehmen auch Auswirkungen auf andere Konzernbereiche. Die Konzernführung sieht sich somit der Gefahr gegenüber, dass in den Tochterunternehmen Entscheidungen getroffen werden, die zwar für diese optimal sind, dabei jedoch außer Acht gelassen wird, dass damit für andere Bereiche des Konzerns externe Effekte verbunden sind[23]. Diese externen Effekte können aus Sicht der Konzernzentrale zu suboptimalen Ergebnissen führen. Damit eine Ausrichtung der Entscheidungen der einzelnen Konzernunternehmen auf die Konzernziele erreicht wird, muss die Konzernspitze dementsprechend koordinierend eingreifen. Da eine direkte Koordination über...