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E-Book

Störung des Sozialverhaltens bei Jugendlichen

Die Multisystemische Therapie in der Praxis

AutorBruno Rhiner, Edith Schramm, Marc Schmid, Rudolf Eigenheer
VerlagHogrefe Verlag GmbH & Co. KG
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl300 Seiten
ISBN9783840925283
FormatPDF/ePUB
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis26,99 EUR
Jugendliche mit einer Störung des Sozialverhaltens gelten als anspruchsvolle und schwierige Patienten. Neben den Eltern, der Schule und Arbeitgebern sind auch Personen in der Versorgung der Betroffenen häufig überfordert. Die Multisystemische Therapie (MST) ist ein von Scott Henggeler in den USA entwickeltes Behandlungsmodell für Jugendliche mit einer Störung des Sozialverhaltens. MST integriert kognitiv-verhaltenstherapeutische und systemisch-familientherapeutische Grundprinzipien in einem stark strukturierten, aufsuchenden und zeitlich begrenzten Therapieverfahren. In einer Vielzahl von wissenschaftlichen Studien konnte für die MST eine langfristige Wirksamkeit nachgewiesen werden. Der Band gibt zunächst Hintergrundinformationen zur Störung des Sozial-verhaltens. Ausführlich werden die theoretischen Grundlagen und das Behandlungskonzept der MST erläutert. Aus der praktischen Erfahrung der Autoren heraus gibt der Band Anregungen, wie die MST in der klinischen Arbeit umgesetzt werden kann. Das Vorgehen wird anhand von Fallbeispielen veranschaulicht. Weitere Kapitel bieten Hilfestellungen und Anregungen zur Implementierung der für eine MST-Behandlung notwendigen Strukturen, wie dem Aufbau eines MST-Teams. Das Buch richtet sich an Fachkräfte, die mit Jugendlichen mit einer Störung des Sozialverhaltens arbeiten sowie an Entscheidungsträger in Kliniken und in der Gesundheitsversorgung.

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Kapitelübersicht
  1. Störung des Sozialverhaltens bei Jugendlichen
  2. Vorwort
  3. Teil I: Theoretischer Hintergrund - 1 Beschreibung des Störungsbildes
  4. 2Ätiologie
  5. 3Behandlungsstrategien bei der Störung des Sozialverhaltens
  6. Teil II: Das MST-Behandlungskonzept - 4 Was ist die Multisystemische Therapie?
  7. 5Theoretische Grundlagen der Multisystemischen Therapie
  8. 6Behandlungskonzept der Multisystemischen Therapie
  9. Teil III: MST in der Praxis - 7 Indikationsstellung und Therapievorbereitung
  10. 8Durchführung der Multisystemischen Therapie: Darstellung anhand von Fall­beispielen
  11. Teil IV: Resultate und Rückmeldungen - 9 Eigene Ergebnisse
  12. 10Erfahrungen und Rückmeldungen
  13. Teil V: Implementierung von MST - 11 Implementierung eines MST-Teams
  14. 12Vorbereitungs- und Umsetzungsprozess auf der politischen Ebene
  15. 13MST-Adaptionen
  16. 14Fazit und Ausblick
  17. Literatur
  18. Anhang
  19. Stichwortverzeichnis
Leseprobe
3 Behandlungsstrategien bei der Störung des Sozialverhaltens (S. 41-42)

Die Störung des Sozialverhaltens (SSV) gilt als ein sehr schwer zu behandelndes Störungsbild mit hohem Chronifizierungsrisiko. Ein Problem bei der Beurteilung vieler Studien und Metaanalysen ist die sehr große Heterogenität des Störungsbildes mit unterschiedlichen Schweregraden. Die hohe Komorbidität, Altersabhängigkeit sowie die stark differierenden Wege des Zugangs zu Hilfen und unterschiedliche Interventionszeitpunkte erschweren es, vorhandene Studien zu vergleichen. Es ist weder seriös noch sinnvoll, Studien zu Gruppentherapieangeboten im Jugendstrafvollzug mit präventiven Elterntrainings in einer Erziehungsberatungsstelle zu vergleichen, auch wenn beide Therapiemodelle auf die Reduktion von aggressivem Verhalten abzielen. Ein großes Problem bei der Behandlung der SSV stellt die immens hohe Rate der Therapieabbrecher von bis zu 60 % dar (Scheithauer & Petermann, 2000; Kazdin, 2000a, 2000b). Eine Untersuchung an britischen Heimjugendlichen hat ergeben, dass nur 9 % psychotherapeutische Gespräche als hilfreich und entlastend einschätzten, obwohl 90 % unter psychischen Erkrankungen litten und Bezugspersonen sowie zuweisende Sozialarbeiter eine Therapie als indiziert erachteten (Mount et al., 2004). Dies wird auch dadurch unterstrichen, dass sich im Vergleich zur hohen Prävalenz vergleichsweise wenig Jugendliche mit einer SSV in ambulanten Psychotherapien befinden (Sinzig et al., 2006). Deshalb drängt sich gerade im Bereich der aggressiv- dissozialen Verhaltensstörungen die Frage auf, ob man die Ergebnisse aus randomisierten kontrollierten Studien eins zu eins auf die klinische Praxis übertragen kann (Kazdin, 2000a; Heekerens, 2006). Selbst bei kritischer Betrachtung der Forschungslagen kann aber festgehalten werden, dass es sehr viele Interventionen und Wirksamkeitsnachweise für psychotherapeutische und psychosoziale Interventionen bei SSV für alle Altersstufen und die unterschiedlichen Schweregrade gibt (Fonagy et al., 2002; Esser & Ballaschk, 2005).

Eine systematische Übersicht hinsichtlich der Evidenz vorliegender Behandlungsprogramme weist darauf hin, dass sowohl Elterntrainings und kognitiv- verhaltenstherapeutische Gruppentrainings zur Verbesserung der Problemlösestrategien als auch multisystemische und familientherapeutische Ansätze vielversprechende Ansätze sind (NICE Guidelines, 2012). Aber es gilt gleichermaßen als evidenzbasiert, dass die Effektivität der einzelnen Ansätze entscheidend sowohl vom Entwicklungsalter der Betroffenen als auch vom familiären und sozialen Kontext, in dem die Intervention angewendet wird, abhängt (Kazdin, 2000, 2011; Weisz & Kazdin, 2010). So sind Elternprogramme, die bei Kindern im Alter von 3 bis 11 Jahren als Methode der Wahl anzusehen sind (NICE, 2012), bei Jugendlichen mit SSV tematische Überprüfung von Behandlungsprogrammen; das gilt im Besonderen für Mädchen mit SSV (Stadler et al., 2012).

Im Jugendalter überwiegen oft sozialpädagogische Interventionen und intensive, sehr strukturierte Formen der Familientherapie, zumindest in wissenschaftlichen Untersuchungen. In der klinischen Praxis werden Jugendliche auch häufig einzeltherapeutisch behandelt, und es wurden Konzepte der deliktorientierten Psychotherapie für Kinder und Jugendliche adaptiert. Gerade bei schweren Verlaufsformen, schweren Delikten und chronifizierten Familienproblemen spielt die Heimerziehung, und bei schwereren Delikten auch der Jugendstrafvollzug, nach wie vor eine bedeutsame Rolle.

3.1 Stationäre und teilstationäre Jugendhilfemaßnahmen und Jugendstrafvollzug

Es besteht eine lange Tradition, delinquente Jugendliche im Rahmen der Heimerziehung nachzuerziehen und ihnen in einem solchen Milieu eine schulische und berufliche Perspektive zu ermöglichen. Die Beschreibungen von Adler und Furtmüller (1922), Aichhorn (2005) und Redl (1971) sind auch aus heutiger Perspektive noch gut lesbare Beschreibungen der inneren Konflikte von dissozialen, verwahrlosten Jugendlichen und deren pädagogischen Bedürfnissen. Schwer dissoziale Jugendliche stellen aber auch für die an und für sich sehr erfolgreiche Heimerziehung (Schmidt et al., 2002) eine besondere Herausforderung dar. Vor allem besteht natürlich die Gefahr von ungünstigen Verstärkungsbedingungen innerhalb der Gruppe der Betreuten, weshalb es wichtig ist, das Zusammenspiel der Jugendlichen untereinander pädagogisch zu beeinflussen, prosoziales Verhalten zu fördern und dafür zu sorgen, dass die Jugendlichen dieses Verhalten untereinander verstärken (Dodge et al., 2006; Opp & Unger, 2006).

Bei stark delinquenten Jugendlichen ist die positive Wirkung der Heimerziehung deutlich geringer als bei Kindern und Jugendlichen mit weniger stark ausgeprägter Delinquenz (Hebborn-Brass, 1991). Metaanalysen über die Heimerziehung und den Jugendstrafvollzug von schwer delinquenten Jugendlichen berichten von vergleichsweise geringen Effektstärken für diese milieutherapeutischen Maßnahmen, insbesondere wenn man die Legalbewährung als alleiniges Zielkriterium heranzieht (Hellinckx & Grietens, 2003). Die Heimerziehung erzielt aber auch bei sehr delinquenten Jugendlichen häufig hoch signifikante Verbesserungen. Diese scheinen jedoch eher in einer Verbesserung des psychosozialen Funktionsniveaus (Ausbildung, Schule) zu liegen als in einer Vermeidung von zukünftigem delinquentem Verhalten (van Engeland & Matthys, 1998).
Inhaltsverzeichnis
Störung des Sozialverhaltens bei Jugendlichen1
Inhaltsverzeichnis7
Vorwort13
Teil I: Theoretischer Hintergrund - 1 Beschreibung des Störungsbildes21
2Ätiologie41
3Behandlungsstrategien bei der Störung des Sozialverhaltens53
Teil II: Das MST-Behandlungskonzept - 4 Was ist die Multisystemische Therapie?77
5Theoretische Grundlagen der Multisystemischen Therapie90
6Behandlungskonzept der Multisystemischen Therapie105
Teil III: MST in der Praxis - 7 Indikationsstellung und Therapievorbereitung133
8Durchführung der Multisystemischen Therapie: Darstellung anhand von Fall­beispielen144
Teil IV: Resultate und Rückmeldungen - 9 Eigene Ergebnisse195
10Erfahrungen und Rückmeldungen206
Teil V: Implementierung von MST - 11 Implementierung eines MST-Teams223
12Vorbereitungs- und Umsetzungsprozess auf der politischen Ebene230
13MST-Adaptionen247
14Fazit und Ausblick254
Literatur259
Anhang287
Vorlage für die Fit-Analyse289
Checkliste: Problemverhalten zu Hause290
Checkliste: Problemverhalten in der Schule bzw. im Rahmen der Berufsausbildung291
Checkliste: Problemverhalten in der Freizeit292
Arbeitsblatt Die vier A’s293
Drogenplan294
Knopfdrück- und Deeskalationsstrategien (nach Sells, 2001)295
Vorlage für das Erstellen von Regeln, Belohnungen und Konsequenzen297
Gedankenprotokoll298
Stichwortverzeichnis299

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