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Theorie und Pädagogik der Heterodoxen Ökonomie

Die Alternativen zum Neoliberalismus

AutorMichael Cerny
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl196 Seiten
ISBN9783656801160
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis31,99 EUR
Masterarbeit aus dem Jahr 2014 im Fachbereich VWL - Sonstiges, Note: Sehr gut, Wirtschaftsuniversität Wien (Department für Management - Institut für Wirtschaftspädagogik), Sprache: Deutsch, Abstract: Der Autor gibt einen Überblick über die Entwicklung des ökonomischen Denkens in unterschiedlichen Zeitepochen, in dem er sich mit Schlüsselbegriffen, wie Wirtschaft, Knappheit, Markt, etc. beschäftigt und das erkenntnistheoretische Grundverständnis der orthodoxen Mainstream-Ökonomie sehr stringent herausarbeitet sowie den Begriffswandel der politischen Ökonomie hin zu einem verengten ökonomischen Denken darstellt. Als Basishypothese wird davon ausgegangen, dass die orthodoxe Mainstream Ökonomie ganz wesentlich auf dem neoklassischen Paradigma basiert. Als Ansatzpunkt für heterodoxe ökonomische Ökonomien werden die wesentlichen Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen der Neoklassik und dem Neoliberalismus dargestellt. In weiterer Folge werden die zentralen Kritikpunkte am herrschenden ökonomischen Paradigma mit der provokanten Textierung 'Kognitive Dissonanz zwischen Neoklassik und Neoliberalismus' aufgezeigt. Im zweiten Unterkapitel beschäftigt sich der Autor detaillierter mit dem Marxismus und der daraus sich entwickelten radikalen Ökonomie. In weiterer Folge werden zentrale Überlegungen von Keynes wie des Neokeynesianismus dargestellt. Im Anschluss werden zentrale Kennzeichen der feministischen Ökonomie vorgestellt, die unter anderem Fragen wie jene der unbezahlten Arbeit, der Entwicklung der Frauenerwerbsquote, der unterschiedlichen Bezahlung und generell die Rolle der Frauen in den Wirtschaftswissenschaften thematisiert.Im nächsten Unterkapitel beschäftigt sich der Autor mit der österreichischen Schule der Ökonomie. Im letzten Unterkapitel wird die Neue Institutionenökonomik detaillierter vorgestellt, weil deren Beitrag für die heterodoxe Ökonomie als besonders relevant zu bewerten ist. Im zweiten Abschnitt der Masterarbeit beschäftigt sich der Autor mit den Rahmenbedingungen für heterodoxen Ökonomie-Unterricht an Universitäten, Fachhochschulen und Berufsbildenden Höheren Schulen. Er untersucht bzw. beschreibt so interessante Bereiche, wie die Dominanz und die Schwächen orthodoxer Lehrbücher, die praktisch kaum existente Vermittlung heterodoxer Inhalte im VWL-Unterricht und beleuchtet die entsprechende Situation in der Lehrerfortbildung.

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Leseprobe

II. Pädagogischer Teil


 

1. Rahmenbedingungen für heterodoxen Ökonomie-Unterricht


 

1.1. Dominanz und Schwächen orthodoxer Lehrbücher


 

Die gegenwärtige Lehr- und Lernkultur der Volkswirtschaftslehre ist wie ein getränkter Schwamm mit neoklassischen Inhalten vollgesogen und oberflächlich betrachtet bestehen hier kaum Aufnahmefähigkeit für andere ökonomische Denkansätze oder gar die Einleitung eines Paradigmenwechsels. Durch die aktuellen Herausforderungen unserer Zeit (Budgetknappheit, Euro- und Finanzkrise, Folgen der Globalisierung, Verteilungsgerechtigkeit, etc.) und deren sozialen Auswirkungen werden jedoch ökonomische Handlungsempfehlungen sowie die ihnen zugrundeliegenden theoretischen Annahmen zunehmend kritisch hinterfragt. Spätestens seit der Krise von 2008, die wie heute bekannt ist, das Potential eines systemischen, radikalen Zusammenbruchs der Weltwirtschaftsordnung in sich trug, sind selbst aus dem Lager der Orthodoxen Ökonomie vermehrt kritische Stimmen betreffend der monokulturellen Ausprägung der „eigenen“ Wissenschaft zu vernehmen.

 

Auf den deutschsprachigen Universitäten wird vorrangig mittels Lehrbüchern der Orthodoxen Ökonomie gelehrt und geprüft. Die Dominanz orthodoxer Lehrbücher kann gut mithilfe der Verkaufsrankings[63] bei Amazon.de abgebildet werden.

 

 

[64][65]

 

Tabelle 9: Lehrbücher der VWL - Verkaufsrankings auf Amazon.de[66]

 

Neben der Vermittlung der Kenntnis des Bestehenden sei hier auf die traditionelle Aufgabe der universitären Lehre der Ermöglichung und Förderung von kritischer Reflexion und Entwicklung neuer Konzepte verwiesen. Die wissenschaftliche Pluralität und Diversität, die etablierte (orthodoxe) und alternative (heterodoxe) Ansätze gleichermaßen beinhalten, sind für einen problemorientierten und ergebnisoffenen Diskurs unerlässlich. Die ausschließliche Einsatz von orthodoxen Lehrbüchern führt nur zur flächendeckenden Reproduktion von bestimmten dominanten Schulen bzw. ihrer Fehler. Um dies zu verhindern wäre eine Auseinandersetzung mit dem wirtschafts- und erkenntnistheoretischen Hintergrund von Methodik (z.B. bestimmte Modelle) und Lehrmeinungen notwendig. In diesem Zusammenhang ist auf die besondere Bedeutung der Volkswirtschaftslehre, deren Analysegegenstand die Volkswirtschaft als Gesamtsystems bestehend aus vielen Subsystemen und -elementen darstellt, in ihrer Rolle der Gestaltung der Gesellschaft und in der Wahrnehmung der Verantwortung als kritische Wissenschaft zu agieren, zu verweisen. Die Volkswirtschaftslehre hat daher ihre Strömungen dem Prozess einer kritischen Reflexion zu unterwerfen und mit verwandten Disziplinen zu verknüpfen; nur so können das Tagesgeschehen angemessen analysiert und in weiterer Folge fundierte Empfehlungen abgegeben werden.

 

Zur Durchbrechung der monopolistischen Dominanz der neoklassischen Monopolökonomik bedürfte es wirtschaftspolitischer Interventionen, ähnlich der Vorstellung, wie in etwas durch das Kartellamt in der Realwirtschaft bestehende Monopole zerschlagen werden. Ein Instrument hierfür könnte die Entwicklung eines Ehrenkodex in den Wirtschaftswissenschaften, ähnlich dem Eid des Hippokrates in der Medizin oder dem Code of Conduct in den amerikanischen Politikwissenschaften sein. DeMarino (2005, 103) hat einen solchen Ehrenkodex (siehe Anhang 3) für ÖkonomInnen vorgestellt (Dürmeier 2012, 11).

 

Als weitere Maßnahmen für die Schaffung von wissenschaftlichem Pluralismus schlägt Dürmeier (2012, 12) vor:

 

 - mindestens ein Viertel aller volkswirtschaftlichen Lehr- und Forschungsmöglichkeiten sollten für heterodoxe Lehrmeinungen reserviert sein („emancipatory pluralism“);

 

 - zur Stärkung der pluralistischen Lehre sollten an allen Fakultäten für Volkswirtschaftslehre mindestens jeweils ein Vertreter oder eine Vertreterin einer anderen, nicht neoklassisch orientierten Richtung beschäftigt werden;

 

 - Ein Kreis von GutachterInnen könnte in orthodoxen Fachzeitschriften sicherstellen, dass auch heterodoxe wissenschaftliche Arbeiten veröffentlicht werden. Dadurch würde die heterodoxe Literatur besser wahrgenommen werden und eine Öffnung der Orthodoxen Ökonomie für eine breite wirtschaftswissenschaftliche Debatte in die Wege geleitet werden;

 

 - Zur Reproduktion von unorthodoxen Lehrmeinungen sollte (in Deutschland)[67] ein Institut für Plurale Ökonomik gegründet werden, sodass die kritische Masse von Lehrmeinungen in einem lokalen Netzwerk gebündelt wird. Ähnlich den Schutzgebieten für vom Aussterben bedrohte Tierarten, sollte es für marginalisierte Lehrmeinungen Refugien geben, damit diese der Dominanz des Mainstreams widerstehen können;

 

 - Die universitäre Lehre kann mit der Etablierung von Fächern wie Ideengeschichte, Wissenschaftstheorie und Wirtschaftsgeschichte im Grundstudium der Reproduktion einer monopolistischen Dominanz der Modellökonomik entgegenwirken.

 

Die Dominanz orthodoxer Lehrbücher resultiert letztendlich nicht aus dem Mangel der Verfügbarkeit von heterodoxer Literatur. Besonders im anglo-amerikanischen Sprachraum sind unzählige Buchtitel zu den verschiedenen Heterodoxen Ökonomien erhältlich. Im Rahmen dieser Arbeit werden im pädagogischen Teil weiterführende Hinweise auf heterodoxe Literatur und Internetquellen, insbesondere mit dem Fokus auf die Lehrerausbildung und -fortbildung, gegeben.

 

1.2. Heterodoxer Ökonomieunterricht an Berufsbildenden Höheren Schulen (BHS)


 

Der Pflichtgegenstand Volkswirtschaft ist im gegenwärtig gültigen Lehrplan für Handelsakademien (BGBl. II, Nr. 291, 19. Juli 2004) im fünften Jahrgang mit drei Wochenstunden festgelegt. Der die Lehrplan zur Volkswirtschaftslehre ist auszugsweise im Anhang 2 abgebildet.

 

Hauptaufgabe des VWL-Unterrichts ist die (volks-)wirtschaftliche Alphabetisierung der SchülerInnen. Es gilt, die im Lehrplan angeführten Themenkreise in ihren Grundzügen darzustellen sowie das Interesse an wirtschaftlichen Zusammenhängen zu wecken und zu fördern. Die Unterrichtsinhalte sollten sich dabei grundsätzlich am geltenden neoklassischen Paradigma orientieren, da dadurch die notwendige Anschlussfähigkeit für weitere Aus- und Weiterbildungen im volkswirtschaftlichen Bereich geschaffen wird. Darüberhinaus bedarf die Heterodoxe Ökonomie, verstanden als konstruktive Kritik an der Neoklassik bzw. am Neoliberalismus, dem zumindest grundlegendem Verständnis der orthodoxen Mainstream-Ökonomie.

 

Dennoch sind im Lehrplan[68] als Bildungs- und Lehraufgabe Kompetenzen genannt, die der Heterodoxen Ökonomie näher stehen, als der Orthodoxen. Auszugsweise sind hier anzuführen: „… sich der ethischen Verantwortung in der globalen Wirtschaft bewusst sein, … andere Kulturen achten, … der Rolle als verantwortungsbewusste Unionsbürger in Wirtschaft und Gesellschaft gerecht werden, … Entwicklungstendenzen der heutigen Gesellschaft kennen.“

 

Aus unterrichtspraktischer Sicht ist es im VWL-Unterricht an berufsbildenden Schulen eine zeitliche Herausforderung, die im Lehrplan vorgesehenen Lehrinhalte in einer für ein grundlegendes volkswirtschaftliches Basiswissen ausreichenden Intensität und Tiefe den Schülern zu vermitteln. Daher wird der Raum für die Vermittlung von Lehrinhalten der Heterodoxen Ökonomie eher im Bereich des VWL-Unterrichts an Fachhochschulen zu verorten sein.

 

1.3. Heterodoxer Ökonomieunterricht an Fachhochschulen


 

Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass das Eingangsniveau der FachhochschülerInnen in der Volkswirtschaftslehre eher niedrig anzusetzen ist und zumindest die Lehrveranstaltungen der ersten beiden Semestern in den Grundlagenbereich der Volkswirtschaftslehre (insbesondere Mikro- und Makroökonomie) fallen. Die Curricula der einzelnen Fachhochschulen können - im Gegensatz zu dem vorgegebenem Rahmenlehrplan in den Handelsakademien - sehr flexibel gestaltet werden. Es obliegt weitgehend der jeweiligen Fachhochschule, welche Lehrinhalte in welcher Intensität mit welchem wissenschaftstheoretischen Zugang (orthodoxe und/oder heterodoxe Ökonomie) vermittelt werden.

 

Im Folgenden wird ein kurzer Überblick über den Volkswirtschaftslehreunterricht in den österreichischen Fachhochschulen gegeben. Es werden diesbezüglich jene Studienlehrgänge angeführt, die nach der Österreichischen Fachhochschul-Konferenz[69] in die Kategorie „Wirtschaftswissenschaften“ fallen.

 

In einem ersten Analyseschritt wird aufgezeigt, inwieweit die Volkswirtschaftslehre in den wirtschaftswissenschaftlichen Studienlehrgängen generell Berücksichtigung findet. Hierzu wird das Angebot an VWL-Lehrveranstaltungen der einzelnen Fachhochschullehrgänge in ECTS-Einheiten erhoben. ECTS ist die Abkürzung für „European Credit Transfer System“ und die einheitliche Maßeinheit für Studienleistungen, die eine Anerkennung im In- und Ausland erleichtern soll. Eine ECTS-Einheit entspricht in Österreich einem Arbeitsaufwand von 25 Stunden à 60 Minuten.

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