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Unbegleitete minderjährige Asylsuchende. Ein Resilienzkonzept im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe

AutorJulia Schmitt
VerlagStudylab
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl81 Seiten
ISBN9783668439474
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis34,99 EUR
Die hohe Fluchtzuwanderung hat seit dem Jahr 2015 zur intensiven Auseinandersetzung im Umgang mit schutzsuchenden Menschen in Deutschland geführt. Für Asylsuchende ist die Ankunft in Deutschland zwar oft das Ende einer langen Fluchtodyssee, doch diese birgt oftmals neue Herausforderungen und Probleme. Im Rahmen der Flüchtlingsdebatte 2015 lag der Fokus auf der Versorgung und Unterbringung aller Flüchtlinge. Doch unter der Zahl der Asylbewerber_innen stellen Kinder und Jugendliche einen nicht unerheblichen Anteil dar. Diese besonders hilfebedürftige Gruppe von Asylsuchenden verlässt das Heimatland ohne Begleitung einer Bezugsperson oder wird während der Flucht von ihnen getrennt. 14.439 unbegleitete minderjährige Asylsuchende (UmA) zählen daher zu den besonders schutzbedürftigen Personen und sollten nicht länger Randthema der aktuellen Debatte sein. Ziel dieses Buches ist es, unbegleitete minderjährige Asylsuchende (UmA) dahingehend zu unterstützen, ein selbstbestimmtes und eigenständiges Leben in Deutschland führen zu können. So haben sie die Chance der Integration, ohne dabei ihre eigene Identität zu verlieren. Die Frage 'Wie resilienzfördernd arbeitet die Kinder- und Jugendhilfe mit Unbegleiteten minderjährigen Asylsuchenden?' ist eine der Hauptfragen, mit welcher sich die Autorin in dieser Thesis beschäftigt. In diesem Buch werden schwerpunktmäßig empirische Forschungsergebnisse auf die Erkenntnisfrage und somit die Relevanz und den Nutzen der Resilienz in Bezug auf die genannte Zielgruppe aufgezeigt. Im Theorieteil des Buchs wird die Bedeutung von Resilienz dargestellt. Wie gelingt es ressourcenorientiert mit dieser jungen Zielgruppe zu arbeiten, statt Probleme zu fokussieren? Die praktische Umsetzung von theoretischen Merkmalen der Resilienzförderung wird im Hauptteil empirisch untersucht. Aus dem Inhalt: - unbegleitete minderjährige Flüchtlinge; - Aufnahmeverfahren in Deutschland; - Resilienz; - Resilienzförderung

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Leseprobe

3 Theorieteil: Das Resilienzkonzept


 

Die Annäherung an den Begriff der Resilienz stellt eine hohe Komplexität dar. Begründet darauf werden nachfolgend grundlegende Inhalte namhafter Autor_innen angeführt. Einzelne Hintergrundinformationen und Nebenaspekte zu genannter Thematik, verhelfen außerdem dazu, sich mit den Begrifflichkeiten auseinanderzusetzen und dessen Bedeutung greifbar zu machen.

 

Wie zuvor dargelegt, müssen unbegleitete Kinder und Jugendliche, die nach Deutschland flüchten, nicht nur mit dem Fluchtschicksal, sondern auch mit dem Verlust der Eltern als Bezugspersonen zurechtkommen. Die junge Personengruppe hat darüber hinaus mit dem Heranreifen sowie der Verarbeitung traumatisierender Ereignisse im Herkunftsland zu kämpfen. Schwierigkeiten und ein Fehlentwickeln lassen sich in der Persönlichkeitsentwicklung durch ein unterstützendes und strukturell intaktes soziales Umfeld auffangen oder gar vermeiden. Ein ressourcenorientiertes Arbeiten ermöglicht das ganzheitliche Arbeiten mit UmA, das Herausbilden der eigenen Identität und das Ankommen im fremden Land – das Individuum und seine Umwelt. Somit bietet die KJH bedarfsgerechte Hilfen in Bezug auf mehrfach problembelastete Kinder und Jugendliche (vgl. DRK / UMF, 2012: 4). Wie kann man ressourcenorientiert arbeiten und somit Resilienz im Jugendalter fördern - ganz besonders bei dieser durch Belastung gekennzeichneten jungen Zielgruppe? Die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen hält häufig unterschiedlichste Herausforderungen bereit. Das Wechselspiel von Gefühlen, Überzeugungen und Aktivitäten der Kinder und Jugendlichen wird alltäglich von Eltern, Freunden und Verwandten erlebt und begleitet. Doch was entsteht, wenn sie aus bestimmten Gründen aus der Heimat fliehen müssen und eigene Eltern, Freunde und Verwandte – genau diese essentiellen Sozialinstanzen – zurücklassen (vgl. Steinebach / Gharabaghi, 2013: V)? Für UmA stellt die alleinige Einreise in ein fremdes Land und eine fremde Kultur eine enorme Belastung dar. Außerdem befinden sie sich ohnehin in einer schwierigeren Phase des Lebens, der Adoleszenz (vgl. Aichinger, 2011: 26). Die Profession Sozialer Arbeit ist die Intervention und Unterstützung sowie Begleitung und Förderung. Dies entsteht durch zielgerichtete Methoden und Angebote, die die Lebenswelt der UmA mit einbeziehen soll. Langfristig geht es bei einer resilienten Förderung um das Schaffen autonomer Handlungsfähigkeit, das Hervorbringen und Nutzen von Stärken der Adressat_innen und die Krisenbewältigung ohne fremde Hilfe. Resilienz ist hierbei ein sehr vielseitiger Begriff, der es ermöglicht nachhaltig positive Veränderungen herbeizuführen (vgl. Steinebach / Gharabaghi, 2013: V). Eine innere Widerstandsfähigkeit ist entwicklungspsychologisch betrachtet, eines der bedeutendsten Faktoren in Kindheit und Jugend. Die Resilienz ist dann zu fördern, wenn ein Zustand biologische, psychologische und psychosoziale Entwicklungsrisiken birgt (vgl. Aichinger, 2011: 26).

 

3.1 Resilienz – Eine Systematisierung des Begriffs


 

Zum Ersten lässt sich Resilienz schwer als Begriff definieren und hält zum Zweiten viele Definitionen unterschiedlicher Autor_innen bereit. Hierzu werden die für die Thematik relevantesten Auslegungen aufgeführt, um somit die Vielschichtigkeit der Thematik fassbar zu machen.

 

Resilienz ist ein Begriff aus dem Lateinischen und bedeutet zurückspringen. Dies meint, dass ein ursprünglicher Zustand wiederhergestellt wird (vgl. Schär / Steinebach, 2015: 98). Die Menschheit reagiert sehr unterschiedlich auf schwerwiegende Belastungen. Man unterscheidet zwischen jenen, die ihr Leben trotz auftretender Krisen gut meistern und anderen, welche sich nach Fehlschlägen dennoch erholen. Daneben gibt es jedoch Menschen, welche sich aufgrund langanhaltender Krisen nicht mehr erholen können. Doch von welchen Faktoren ist eine solch unterschiedliche Verarbeitung von Belastungsstörungen geprägt? Sind es die eigenen Merkmale, die einen stärken oder auch die der äußeren Realität?

 

 Das Konzept der Resilienz ist 1990 zum ersten Mal in der therapeutischen Literatur aufzufinden. Von Autor_innen wurde es zu dem Zeitpunkt als ein Perspektivenwechsel gesehen. Hierbei wurde der therapeutische Blick den Defiziten bei Klient_innen abgewendet und den Stärken zugewendet. Resilienz ist als ein relationaler Begriff zu verstehen, was bedeutet, dass Individuen erst dann gestärkt sind, wenn sie Belastungen bzw. ein Scheitern erfahren haben. Bedeutend sind hier normative und nichtnormative Krisen zum Erlangen der Resilienz. Erstere meint die lebenszyklisch erwartende Krise, die in den Übergängen verschiedener Lebensphasen vorherrschen. Nichtnormative Krisen stellen jene dar, die unerwartet auftreten und nicht vorhersehbar sind (vgl. Welter-Enderlin / Hildenbrand, 2006: 20ff.).

 

Der Blick der Resilienz richtet sich auf Personenmerkmale, externe Faktoren und schließlich auf den Prozess des Auseinandersetzens und Bewältigen kritischer Lebensereignisse und -lagen. Welche persönlichen und durch die Umwelt bedingten Einflüsse tragen zu einer für den bzw. die Adressat_in positiven Bewältigung belastender Ereignisse bei? Um die Vielseitigkeit des Begriffes auszudrücken, stellen nachfolgende Aspekte die bedeutendsten Auffassungen und Herangehensweisen an die Arbeit der Resilienzförderung dar:

 

1) Resilienz kommt unter dem Wechselspiel einer komplexen Struktur aufeinander abgestimmten Umweltbedingungen zum Vorschein.

2) Sie scheint nicht nur eine Reaktion auf denkbare Krisen, auch eine positive Antwort auf alle möglichen Herausforderungen des Alltags.

3) Resilienz bedeutet die positive Bewältigung, jenseits der Anpassung. Aspekte, die verhelfen, mit Widrigkeiten umzugehen, sind beispielsweise persönliche Stärken, individuelles Wachstum, persönliche Anpassung und aufbauende Ergebnisse nach der Auseinandersetzung mit den schwierigen Ereignissen.

4) Die psychische Widerstandsfähigkeit gilt auch als eine Art dynamische Eigenschaft von Gruppen, Organisationen und Gemeinschaften.

5) Resilienz ist in der gesamten Spanne des Lebens beobachtbar.

6) Bei all den Auseinandersetzungen mit Belastungen leisten kulturelle Unterschiede einen erheblichen Beitrag. Diese müssen genauso berücksichtigt werden, wie die biophysiologischen Prozesse des Individuums (vgl. Schär / Steinebach, 2015: 99).

 

„So gesehen meint Resilienz ganz allgemein die positive Bewältigung und nachhaltige Entwicklung eines Systems nach kurzen oder länger andauernden, alltäglichen Herausforderungen oder gravierenden Belastungen. Dabei werden auf der Grundlage interner Systemprozesse und in der Auseinandersetzung mit den Umwelten des Systems bei Bedarf neue Vorgaben und Kompetenzen entwickelt und so die Fähigkeiten zur Bewältigung künftiger Belastungen verbessert“ (Schär / Steinebach, 2015: 99).

 

Resilienz ist keine Persönlichkeitseigenschaft, sondern ein Zustand, welcher an zwei Bedingungen knüpft: Das Bestehen einer Risikosituation und die Bewältigung dieser, aufgrund vorhandener Kompetenzen (vgl. Fröhlich-Gildhoff / Rönnau-Böse, 2011: 10f.).

 

„Mit Resilienz bezeichnen wir die psychische Widerstandskraft eines Menschen beim Auftreten von Krisen, Belastungen, aber auch bei der Bewältigung von Entwicklungsschritten im Leben. […] Für manche Psychologen zeigt sich Resilienz allerdings erst dann, wenn ein Mensch in ganz massive Krisen gerät – und er die unbeschadet übersteht“ (Fröhlich-Gildhoff In: GEOWissen, 2016: 48).

 

Beginnt eine Resilienzförderung somit erst mit dem Eintritt massiver Krisen? Menschen sind biologisch bzw. genetisch resilient und bilden im Laufe des Lebens, unter Einfluss gemachter Erlebnisse, weitere Resilienzfaktoren aus. Personen können diese in stressigen Situationen nutzen und somit prekäre Angelegenheiten durch eine analysierende Herangehensweise und lösungsorientierte Bewältigungsstrategie eigenständig angehen. Menschen, die diese innere Widerstandsfähigkeit besitzen, gelingt es aus Krisen gestärkt hervorzugehen und nicht an den ihnen gestellten Herausforderungen zu verzweifeln. Faktoren, wie Zuversicht, Durchhaltevermögen, Optimismus sowie das Fokussieren eigener Kräfte treten bereits in der Kindheit sowie im Jugendalter hervor (vgl. Fröhlich-Gildhoff In: GEOWissen, 2016: 51). Alltägliche Dinge wie z. B. Prozesse sozialer Integration, gegenseitige Unterstützung und die Gewährung von Sicherheit stellen Aspekte einer Gemeinschaft dar und können durch gestärkte Gedanken und Handlungen angegangen werden. Enger gefasst, bedeutet Resilienz eine „auf das Individuum bezogene Konzeption von positiver Entwicklung […]. Damit wird die Kapazität einer Person beschrieben, zu wachsen und sich trotz Widrigkeiten positiv zu entwickeln. Diese hängt ganz wesentlich von Temperament, Persönlichkeit, Attributionsstil und Disposition ab“ (Steinebach / Gharabaghi, 2013: 2). Da diese Widerstandsfähigkeit auch die Folge menschlicher Entwicklungsereignisse begründet, ist das Herausbilden resilienter Merkmale auch auf erfolgreiche Lebensereignisse, wie z. B. einen erfolgreichen Schulabschluss, positive Bindungen zu Gleichaltrigen bzw. auf stabile psychologische Faktoren zurückzuführen. Die Verantwortung, sich selbstständig zu motivieren und zu engagieren, liegt bei dem Individuum selbst. Resiliente Fähigkeiten werden demnach nicht erst dann gebraucht, wenn Krisen eintreten, sondern sind dynamische, sich ständig...

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