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E-Book

Weiblich, jung, flexibel

Von den wichtigen Momenten im Leben und wie man sie am besten verpasst

AutorFelicitas Pommerening
VerlagVerlag Herder GmbH
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl180 Seiten
ISBN9783451339202
FormatePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis11,99 EUR
Felicitas Pommerening erzählt, was junge Frauen heute bewegt: Wie viel beruflichen Ehrgeiz haben wir? Wollen wir Kinder? Funktioniert die Liebe im Alltag? Und wie sind wir eigentlich in das Leben geraten, das wir gerade führen? Sie schreibt darüber nicht abstrakt und trocken, sondern erzählt die Geschichte zweier Freundinnnen, typische Vertreterinnen dieser Generation junger Frauen, auf der Suche nach sich selbst und den wichtigen Momenten im Leben.

Felicitas Pommerening, geb. 1982, lebt mit ihrem Mann und ihrer Tochter in Mainz. Nach dem Studium hat sie jährlich den Job und den Wohnort gewechselt, bis sie keine Lust mehr hatte. 2011 hat sie ihre medienwissenschaftliche Doktorarbeit abgeschlossen.

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Leseprobe

ELLEN

Die Sache mit dem Geld


Mein Daumengelenk tut weh. Selbst schuld: Ich bin wahrscheinlich die Einzige, die den Satz „Ich drück’ dir die Daumen“ ernst nimmt und wie bescheuert mit dem Daumen in der Faust dasitzt,während die beste Freundin ein Vorstellungsgespräch hat. Anscheinend hat die Drückerei aber nicht viel geholfen: Carlynn ruft sofort nach dem Gespräch an und ist am Boden zerstört.

„Ich werde nie einen Job finden!“

Sie erzählt mir die Details und ärgert sich über alles, was sie gesagt hat. Dabei hört es sich für mich so an, als sei sie da einfach an einen Deppen geraten.

„Er fand mich langweilig“, sagt sie schmollend.

„Du bist doch nicht langweilig! Du bist eine Guerillera!“ Carlynn ist Guerilla-Gärtnerin. Sie bepflanzt heimlich alle Ecken und Winkel in ihrer Umgebung. Zum Beispiel verwandelt sie diese kargen Betonvierecke, in denen die Bäume auf dem Bordstein stehen, in bunte Beete. Besonders cool finde ich den Blumentopf, den sie in der Innenstadt auf eine Ampel gestellt hat. Alles in allem ist das wirklich ein aufwändiges Hobby und ich bewundere sie sehr dafür. Leider geht mein Versuch, sie damit aufzumuntern, nach hinten los:

„Oh Gott! Das hat gerade noch gefehlt, dass er mich mit so einer Rosenschere und mit einer Schürze vor sich sieht – wie die frustrierte Ehefrau in American Beauty!“

„Aber so ist es ja nicht. Du bist Künstlerin! Du machst Street Art!“

Carlynn seufzt. „Ich werde nie einen Job finden“, klagt sie.

Ich schimpfe auf den Senderfuzzi, sage ihr, dass sie toll ist und erkläre zum hundertsten Mal, dass sie nur so viele Absagen bekommt, weil die Arbeitgeber spinnen. Das sieht man doch schon, wenn man sich die Stellenausschreibungen anguckt. Was man alles mitbringen soll, ist doch absurd. Schon die Standardforderung nach Berufserfahrung – ohne Berufserfahrung geht anscheinend gar nichts. In der Regel wird sogar spezifiziert, in welchem Bereich man diese Erfahrung gesammelt haben soll und dass man jetzt natürlich über die entsprechenden Kenntnisse verfügt ... Mit anderen Worten ist man eben der absolute Experte auf dem Gebiet. Das Motto ‚learning-on-the-job‘ scheint in Deutschland keiner zu kennen. Wie sollen wir solche Erwartungen erfüllen, frisch von der Uni? So oder so ähnlich habe ich die letzten Wochen schon sehr häufig mit ihr geredet, meistens bei einer Flasche Rotwein auf meinem Balkon.

Dabei hat Carlynn eine perfekte Bewerbungsmappe: Super Noten, Praktika ohne Ende, zwei Auslandssemester – alles, was man eben haben soll. Und trotzdem funktioniert es nicht. Absurde Stellenausschreibungen hin oder her, ich hätte nicht gedacht, dass sie solche Schwierigkeiten haben würde. Vor allem fällt mir nicht ein, was sie hätte anders machen können. Im Gegensatz zu mir ist Carlynn im Studium förmlich aufgegangen. Sie hat ständig irgendwelche zusätzlichen Seminare belegt – nur aus Interesse. Und trotzdem entsprach sie keinem Klischee, sie war keine Erste-Reihe-Sitzerin, die sich ständig zu Wort meldet und irgendwie immer unterbringen muss, dass sie sich ja mit dem Professor duzt. Sie war auch nicht mit Füller, Killer, Lineal und drei verschiedenen Stabilos zugange. Sie war einfach normal, aber interessiert und engagiert. Ist das nicht perfekt für ein Unternehmen? Während ich jetzt noch an meiner Magisterarbeit rumbastele, hat Carlynn sogar innerhalb der Regelstudienzeit fertig studiert, trotz ihrer Auslandssemester. Was soll man denn noch machen, um gut anzukommen?

Sie meint, dass sie auch falsch angezogen gewesen sei. Das kann ich mir einfach nicht vorstellen. Wie wichtig kann so etwas schon sein? Gut, ich muss zugeben: Wir gehören zwar beide nicht zu den Erste-Reihe-Sitzern, aber ebenso wenig gehören wir zu den „Coolen“ oder „Hippen“ oder wie man sie auch nennen mag. Ich denke, dazu sind wir beide einfach zu bequem. Immer die aktuellste Mode tragen, Nagellack und Make-up farblich perfekt dazu koordinieren und am besten noch täglich neue, ausgefallen Accessoires tragen: Das ist uns beiden viel zu anstrengend. Aber wir sehen ja deswegen nicht schlecht aus – normal eben. Und sie hat sich ja nun mal auch nicht bei einer Modezeitschrift beworben, wieso sollte das also wichtig sein?

Ich habe keine Ahnung, wie Carlynn auf jemanden wirkt, der sie neu kennenlernt. Als ich bei einer Ersti-Veranstaltung ganz am Anfang des Studiums zufällig neben ihr saß, war sie mir sofort sympathisch, weil sie so gut gelaunt war und viel gelacht hat. Das hat sich auch nie verändert. Bis jetzt.

 

Dass Carlynn solche Schwierigkeiten hat, einen Job zu finden, gibt mir natürlich zu denken. Ich werde ja hoffentlich auch bald meinen Abschluss haben und dann stehe ich genauso da wie sie. Zum Glück bin ich nicht so sehr auf der Suche nach einem Job, der mich erfüllt. Ich finde Arbeit ehrlich gesagt nicht so wichtig. Ich möchte auch gar nicht viel Geld verdienen. Wahrscheinlich werde ich mich also allein deswegen auf ganz andere Stellen bewerben als Carlynn, auch wenn wir grundsätzlich ähnliche Interessen haben.

 

Allerdings bin ich mir mit meinen Plänen auch noch nicht ganz sicher. Die Sache mit dem Geld ist schon schwierig. Man braucht ja nun mal Geld zum Leben. Ich frage mich im Moment: Wie viel Geld braucht man wirklich? Wie viel brauche ich, um glücklich zu sein?

Jetzt habe ich natürlich nicht allzu viel, aber im Studium ist das ja auch normal. Später soll man natürlich mehr haben. Keiner sagt das jemals so genau, aber darum dreht sich im Grunde alles. Von wegen „Wir lernen fürs Leben“, das hört sich zwar schön an, aber ich glaube mittlerweile nicht mehr daran. Wenn das alles wäre, worum es geht, könnte ich auch einfach zu Hause sitzen und Bücher lesen.

Wir lernen für den Abschluss. Denn den brauchen wir, um einen richtig guten Job zu bekommen, und den brauchen wir, um richtig gut zu verdienen. Wir studieren also, um später viel Geld zu haben. Mehr Geld, als man zum Leben braucht. Mehr Geld, als wir bekommen würden, wenn wir nicht studiert hätten. Manchmal hört man das zwischen den Zeilen raus, jetzt, wo so viel über Studiengebühren diskutiert wurde. Die Befürworter sagen dann so etwas wie: „Das Studium ist eine Investition. Studierte verdienen später so viel mehr als Nicht-Studierte, warum soll also ausgerechnet ihre Ausbildung umsonst sein?“

Tja. Und ich denke mir mittlerweile: Was, wenn man nicht viel Geld verdienen will? Was ist die logische Schlussfolgerung daraus? Muss ich mich wegen dieser Einstellung automatisch aus der Welt der Denker verabschieden und Kellnerin werden? Nichts gegen Kellnerinnen – ich finde, Kellnern macht superviel Spaß –, aber wenn ich nach meinem Studium Kellnerin werde, stehe ich da wie ein Loser, so ist das nun mal. Und ich würde grad nur so viel verdienen, wie ich zum Leben brauche. Keinen Cent mehr. Hm.

Seit ich mich erinnern kann, war Geld ein leidiges Thema in unserer Familie. Meine Mutter wollte es haben, mein Vater sollte es beschaffen, mein Vater wollte es ausgeben, meine Mutter wollte nicht, dass mein Vater es ausgibt ... Die genaue Geschichte ist kompliziert, lang und endet mit einer Scheidung. Niemand musste sich die Details so häufig anhören wie ich, in einem Alter, in dem man sich solche Details nicht anhören müssen sollte. Wenn man als Tochter überhaupt jemals Details über die Eheprobleme der Eltern anhören müssen sollte.

 

Das Groteske an der Geschichte meiner Eltern ist, dass es ihnen beiden darum ging, frei zu sein. Bloß haben sie verschiedene Dinge darunter verstanden. Beiden ging es darum, sich vom Durchschnitt abzuheben. Mehr zu werden als die eigenen Eltern. Den eigenen Kindern mehr bieten zu können. Da waren sie sich einig, als sie jung waren. Aber wann ist es genug? Zu welchem Preis muss man es bekommen? Da gingen ihre Meinungen auseinander.

Ich kenne Geld also in erster Linie als Streitpunkt und als zerstörendes Element. Und das, obwohl wir mehr hatten als die meisten. Man muss also kein Therapeut sein, um zu verstehen, warum ich mir vorgenommen habe, Geld in meinem Leben nicht wichtig werden zu lassen.

Ich bin sowieso überzeugt davon, dass ich nicht viel Geld brauche. Wenn man aber nicht viel Geld verdienen will, macht das System, wie es ist, in vielerlei Hinsicht einfach keinen Sinn mehr. Warum soll ich zum Beispiel überhaupt den Abschluss machen? Gut, ich mache ihn einfach, weil’s mir Spaß macht und weil ich natürlich auch nicht will, dass ich all die Jahre umsonst studiert habe. Aber jetzt wird’s schwieriger: Was mache ich danach? Der logische nächste Schritt wäre ein Job, bei dem ich viel Geld verdiene. Was, wenn ich den nicht will?

Um es noch komplizierter zu machen: Ich will ja sogar einen guten Job. Ja, ich weiß, ich habe gesagt, ich würde auch kellnern, aber noch besser finde ich dieses Szenario: Ich habe einen Job, der gut bezahlt wird und mir Spaß macht. Aber weil ich nicht so viel Geld brauche, arbeite ich nur in Teilzeit – kriege also nur die Hälfte des Gehalts. Dafür habe ich schön viel Zeit, um das Leben zu genießen. Ein Leben, in dem Geld keine große Rolle spielt.

Gleichzeitig will ich aber natürlich im Job ernst genommen werden und vorankommen. Aber eben als Teilzeitkraft. Das ist der Plan.

Ich habe schon vorsichtig mit ein paar Leuten über diese Gedanken, die ich mir mache, gesprochen. Vorsichtig deswegen, weil es ziemlich schwierig ist, mit anderen Leuten über Geld zu sprechen. Die meisten sagen einfach, dass sie nicht genug haben. Aber genug wofür? Bin ich wirklich zu naiv, zu denken, dass ich nicht so viel Geld brauche?

Als ich mit Carlynn darüber gesprochen habe,...

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