Arbeit wird einer Tätigkeit zugeordnet, z.B. der eines Menschen, um seine Lebensbedürfnisse befriedigen zu können oder zum Erzielen eines definierten Ergebnisses (Produktes). So waren der größte Teil der Menschen in Deutschland bis zum Beginn der Neuzeit als Bauern tätig und ihr Sinnen und Trachten galt der Verbesserung der Arbeits- und Erntebedingungen, ihre Gei-steshaltung war bei der Wertebetrachtung weitgehend anders geprägt als in den gehobenen Schichten, denn dort spielten die ethischen und kulturellen Verhältnisse eine größere Rolle und damit auch der anzustrebenden „Werte“. Ethische und moralische Werte haben also eine jeweils auf die soziale Schicht bezogene Bedeutung, das gilt beispielsweise auch für das, was unter „Gesundheit“ verstanden wird; für den Bauern war Krankheit zugleich eine Einschrän-kung der Arbeitsfähigkeit und hatte damit einen anderen ökonomischen Wert.[7]
Allgemein kann man sagen, dass Werte ein zentraler motivierender Bestandteil vieler Ver-haltensvorschriften, von sozialen Normen sind, nach denen sich (eigentlich) jedermann zu richten habe. Einst entsprang der Antrieb zu einer bestimmten Einstellung zu seinen Mitmen-schen auf der einen Seite der herrschenden religiösen Auffassung, z.B. im Fall eines Krank-seins oder einer Armut, und auf der anderen Seite dem kulturellen Niveau der Gesellschaft, insbesondere zu der eines „Arbeiters“ und dessen Arbeitsfähigkeit. Im Wirtschaftsleben und dem ökonomischen Denken der Industrialisierung war Arbeit der Vater und das aktive Prin-zip des Wohlstandes, so wie der Boden seine Mutter ist.[8] Man verband in der unteren Schicht den Rückstand der Bildung gegenüber der adligen und studierten Schicht als einen Mangel, dem sie die Unterwertigkeit ihrer Arbeit und damit ihrer Stellung in der Produktwirtschaft zu verdanken hatte und der deshalb auszugleichen war.[9] Aber darin drückte sich letzthin die Leh-re von den Produktenwerten, die durch den Handel, also im Markt durch einen Geldwert ihre Realität erhielten, aus.[10] Wenn man eine Dienstleistung als Produkt und damit als durch die Gesellschaft bestimmten Wert ansieht, was insbesondere für Werte in der staatliche beitragsfi-nanzierten Sozialversicherung gilt, dann besteht eine durchgreifende Wirkung des Wertes, den die Dienstleistung als Verhältnis wirtschaftlicher Vertretbarkeit oder Belastbarkeit der hier für Geld leistenden Menschen annehmen darf. Dem folgt auch die Sozialpolitik, die eine Ausuferung der Kosten zu bremsen versucht.[11]
Dabei wird aus dem Auge verloren, dass die Behebung einer Krankheit oder Gesundheitsstö-rung einen Arbeitsaufwand – z.B. in der Physiotherapie – notwendig macht, im anderen Fall wäre sie ohne einen entsprechenden Nutzungs-Wert! Die Verantwortung dafür obliegt dem Arzt, denn mit der Ausstellung einer ärztlichen Verantwortung stellt er auch die Notwendig-keit in Art und Dauer der Behandlung fest. Aus dieser Sicht hätte die Ergebnisfesttellung der ausgeführten Arbeit einen doppelten Aspekt: sie stellt ein Urteil über die Arbeit des Phy-siotherapeuten dar und eines über die Richtigkeit der ärztlichen Verordnung. Bislang besteht allerdings über die objektive Quantifizierung oder Messung der therapeutischen Wirkung, also auch der „Produktivität“ des einzelnen Therapeuten keine Klarheit[12], man begnügt sich mit einer qualitativen Aussage. Manches ist für den Kassenpatienten aus der allgemeinen Be-schreibung nicht eresichtlich z.B. wie die Kontrollen durchgeführt werden, da manches vor-weg zwischen Kasse und Arzt vereinbart ist.[13]
Für den Physiotherapeuten ist Arbeit als Gelderwerbsquelle lebensnotwendig, historisch im Sinne der Aufklärung gehört er zu denen, die zu den geistig höherwertig arbeitenden Menschen zu zählen sind.[14] Aus der Sicht des approbierten Arztes hat er jedoch im Gesund-heitswesen lediglich eine funktionell ausführende Hilfstätigkeit, die ärztliche Verordnung ist weisungsübergeordnet[15], seine Arbeit ist gesetzlich in Deutschland der ärztlichen Beurtei-lungs- und Entscheidungsfähigkeit untergeordnet, was der Arbeitsmoral des Aufklärungs-zeitalters entspricht, weil der Beruf Physiotherapeut erst noch mit seiner Wertigkeit im Gesundheitswesen eingeordnet und in der Anwendung mit wissenschaftlichen Grundlagen, einer systemrelevanten Behandlungsmethodik etc. geschaffen werden musste; ein Vorgang, der auch heute nicht abgeschlossen ist. Dabei ist der Begriff „Wert“ ambivalent: einmal als Glied und Element und in seiner Bedeutung innerhalb der therapeutischen Kette und weiter als Bemessungsgrundlage des Arbeitswertes und der Funktion eines Therapeuten.
Zunächst etablierten sich im (medizinischen) Heilungsfeld Krankengymnasten und Mas-seure. Dabei entwickelte sich der Beruf unterschiedlich in der DDR[16] und BRD[17]. In den Polikliniken und Versorgungszentren (der DDR) gab es Fachärzte für Physiotherapie als Vermittler von adäquaten Physiotherapiemaßnahmen zu den verordnenden Ärzten. Diese Ärzte fanden 1957 in der entsprechenden Gesellschaft für Physiotherapie der DDR ihr Organ. In den 70iger Jahren wurde die Physiotherapie Bestandteil der medizinischen Grundbetreu-ung. Neue Behandlungsverfahren wurden nur eingesetzt, wenn ihre wirkungsphysiologische Bezüge bekannt waren. Durch diesen Tatbestand ergab sich nach der Wiedervereinigung sich die Notwendigkeit, die Ausbildung zum Physiotherapeuten in Ost und West anzugleichen, was durch ein Berufsgesetz 1994 geschah[18], wodurch allerdings die Ärzteschaft das Risiko eines Qualitätsabfalles sah, weil im Anpassungsprozess Erleichterungen zur Nachqualifi-zierung vorgesehen waren.[19] Eine kontrollierte Analyse des derzeitigen Qualifikationsniveaus der unterschiedlichen Ausbildungswege und Behandlungserfahrungen der einzelnen Physio-therapeuten gibt es (noch) nicht, was auch die Beurteilung der Berechtigung einer Forde-rung nach höherem Einkommen erschwert. Nicht zu leugnen ist, dass es sowohl national wie auch international Unterschiede im Qualifikationsgrad, im Grad der Eigenständigkeit und in den Einsatzerfahrungen gibt.[20]
Aus dem Management für die Nutzung eines Physiotherapeuten folgt, dass die Stellung des Physiotherapeuten ins Blickfeld der Ökonomen hinsichtlich der Unternehmensziele wie Rentabilität und Gewinn gerät, insbesondere bei vielen neueren privaten Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen mit ihrem ökonomischen Nützlichkeitsdenken; hier wird zwar eine Philo-sophie hohen moralischen Anspruchs verkündet, ist aber zugleich mit einem Management der Rationalisierung verknüpft, was wiederum die Ursache in der politisch-sozialem Politik hat, zumal erkannt wird, dass das soziale Bedürfnis immer größer wird. Und in dieser Welt soll der Physiotherapeut seinen (gerechten) beruflichen Platz in betrieblicher und gesell-schaftlicher Hierarchie mit einem befriedigenden Einkommen (in Geld) finden. Die Erwei-terung mit Zusatzausbildungen oder die Akademisierung des Berufs durch eine adäquate Ausbildung scheint ein Ausweg zu sein, besagt aber nichts über die Steigerung der Effizienz physiotherapeutischer Arbeit und der Notwendigkeit einer solchen.[21]
Die Bewertung der Arbeit eines Menschen ist Teil der Soziologie[22] und damit eine Funk-tion einer Schätzung und diese ist wiederum abhängig von verschiedenen Faktoren wie einem herrschenden Meinungs- und Werte-Bild; so kann die gleiche Arbeit in unterschiedlichen Staats- und Gesundheitssystemen in ihrer Geldrang-Wertigkeit.auch unterschiedlich sein. Insbesondere können die Verfügbarkeit von qualifizierten Kräften im Gesundheitsmarkt[23] auch einen Einfluss auf die Einkommensentwicklung haben. Die Wertigkeit von Geld an sich ist nicht stabil, weil Geld z.B. in der Bankwirtschaft als Größe der Umlaufmenge von Geld und Zins bewertet wird oder bewertet werden kann.[24] Damit zeigt sich, dass die Arbeit eines Physiotherapeuten an sich zwar einen (wahren) Wert im Heilungsprozess hat, der aber nicht dem Geld-Einkommen eines Therapeuten überall in gleicher Höhe bewertet werden muss, was schon im Erwerbssystem sich festmachen lässt; der abhängig Beschäftigte kann nach einem vereinbarten Tarif „bezahlt“ werden[25], der selbständige hat eine Gestaltungsmöglich-keit seines Einkommens. Der als Physiotherapeut ausgebildete hat Möglichkeiten, in den ver-schiedenen Branchen der Gesundheitswirtschaft sich zu verdingen[26], aber oft scheitert die optimale und dauerhafte Anstellungswahl im Beruf schon in der Undurchsichtigkeit der Ver-gleichsmöglichkeiten; gehört der Fitnessmarkt als Wachstumsmarkt nun dazu oder nicht?[27]
Ein Studium in einem Wachstumsmarkt eröffnet eine Zukunft mit Erhöhung der Verantwor-tung und vom sinnstiftenden Selbstbewusstsein und auch zu einer Motivation weiterer For-schung[28] und Suche nach dem letzten Stand der Physiotherapie in Methodik und Technik, weit über das hinaus, was unter dem Spruch steht: höhere berufliche Qualifikation = höheres Einkommen. Alle an der ambulanten Heilmittelversorgung beteiligten Therapeuten haben sich...