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Die Bedeutung der Resilienzforschung für die Beziehungsgestaltung in der stationären Jugendhilfe

AutorKlaus-Dieter Steeb
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2005
Seitenanzahl67 Seiten
ISBN9783638407571
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis29,99 EUR
Diplomarbeit aus dem Jahr 2005 im Fachbereich Pädagogik - Heilpädagogik, Sonderpädagogik, Note: 1,4, Hochschule Hannover, 59 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: Diese Arbeit versucht eine Antwort zu geben auf die Frage: Hat Beziehung einen Einfluss auf die Entwicklung von jungen Menschen allgemein, aber in besonderer Weise für Kinder und Jugendliche in der Heimerziehung.

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Leseprobe

2 Resilienzforschung


 

2.1 Begriffsbestimmung


 

2.1.1 Was bedeutet Resilienz?


 

Der Begriff der „Resilienz“ steht in Zusammenhang mit den Begriffen Risiko- und Schutzfaktoren.

 

Im Rahmen der Risiko- und später der Resilienzforschung stieß man auf ein Phänomen, das im englischen Sprachraum mit dem Wort „resilience“, bezeichnet wird, was so viel wie „Elastizität“ heißt und den Vorgang beschreibt, dass ein Objekt unter Druck nachgibt, aber bei Entlastung wieder in den ursprünglichen Zustand zurückkehrt. Im Deutschen spricht man hier von „psychischer Widerstandsfähigkeit“ oder neuer-dings von „Resilienz“ (Opp u. a. 1999, S. 14 f).

 

Im Zusammenhang mit diesem Phänomen standen die Beobachtungen bei  Kindern und Jugendlichen, die sich trotz chaotischer Familiensituationen und körperlichen Behinderungen, also auch bei kumulativ auftretenden Risikofaktoren, zu leistungs-fähigen und stabilen Persönlichkeiten entwickelten (Werner in Opp u. a. 1999, S. 25). Dieser Erfahrung folgend, lag die Annahme der Existenz von „Faktoren“ in einem Kind und/oder seiner Umwelt nahe, welche die Wirkung von belastenden Einflüssen moderieren oder neutralisieren und somit die Wahrscheinlichkeit für die Herausbildung von Störungen senken bzw. vermeiden.

 

Bei der Erforschung der Ursachen und Wirkungszusammenhängen dieses Phänomens lag die Frage von Speck nahe: Ist Resilienz gegeben und ist damit Entwicklung auf einer genetisch festgelegten Basis „vorprogrammiert“ (Speck in Opp u. a. 1999 S. 360)? Dies würde beinhalten, dass Resilienz Bestandteil der genetischen Disposition eines Individuums ist und somit im schlechtesten Falle noch nicht einmal beeinflusst oder verändert werden kann.

 

Aktuell geht die Forschung und insbesondere die Resilienzforschung nicht davon aus, dass Resilienz angeboren ist, stimmt aber einem Zusammenspiel von biologischen, psychologischen und sozialen Risiko- und Schutzfaktoren zu (Lösel, Bender in Opp u. a. 1999, S. 48). Aus genetischer Perspektive spielen Intelligenz und Temperament für die Resilienzentwicklung eine nicht unwesentliche Rolle, können aber, wie Speck sagt, totes Kapital sein wenn sie nicht durch Selbsterfahrung und positive Rückkopplungen aktiviert werden (Speck in Opp u. a. 1999, S. 360). Lösel und Bender betonen, dass der Genotyp einen hohen Anteil an der Entwicklung eines Individuums hat, aber dass ein erheblicher Spielraum für Umwelteinflüsse auf den Phänotyp bleibt.

 

Opp ergänzt hier, indem er Resilienz nicht als festgelegte Persönlichkeitseigenschaft sieht, sondern als Ergebnis von dynamischen Zusammenhängen und entsprechenden Wechselwirkungen in der Entwicklung eines Individuums auf der Grundlage von Anlage-, Person- und Umweltfaktoren (Opp u. a. 1999, S. 344).

 

In der weiteren Erklärung von Resilienz bringt Laucht den Begriff der Resilienz mit Kompetenz bzw. mit dem Vorhandensein von Kompetenzen in Verbindung bringt (Laucht in Opp u. a. 1999, S. 310). Das Entwicklungsmodell von Kompetenz als einem internalen Verarbeitungsprozess ähnelt dem der Resilienzentwicklung (siehe  Hinsch 2002 und Petermann 2003). Dies würde Resilienz als eine Summe von Kompetenzen erklären bzw. als eine Grundvoraussetzung zur Bildung von Kompetenzen.

 

Einen weiteren interessanten Aspekt zur Klärung des Resilienzphänomens bringen Margalit und Egle ein. Für Margalit ist Resilienz das Ergebnis eines dynamischen Entwicklungsprozesses, bei dem sich die Fähigkeit entwickelt, belastende Situationen zu meistern und eine psychische Immunität zu bilden, die nach einer Stresssituation ein Zurückkehren in den Normalzustand ermöglicht (Margalit in Opp u. a. 1999,  S. 216). Egle ergänzt diesen Gedanken, indem er unter Resilienz nicht nur das Phänomen versteht, sich unter schwierigen Lebensumständen gesund und kompetent zu entwickeln, sondern auch die relativ eigenständige Erholung von einem Störungszustand (Egle 1997, S. 684).

 

Haug-Schnabel sieht den Aspekt der Beziehung im Zusammenhang mit Resilienz. Für sie ist Resilienz ein Beziehungskonstrukt. Resilient wird man nicht von allein, Resilienz ist das Ergebnis eines Prozesses zwischen dem Kind und seiner Bezugsperson (Haug-Schnabel 2004, S.4). Hinter diesem Aspekt stehen bindungstheoretische Erklärungsmodelle.

 

Eine Verbindung zum Konzept der Salutogenese von Aaron Antonovsky sieht Opp. Das Kohärenzgefühl (Verstehbarkeit–Handhabbarkeit–Bedeutsamkeit) als bestimmen-der Faktor der Salutogenese ist für ihn Bestandteil der Resilienz (Opp 2001, S. 109).

 

Den ausgleichenden Faktor der Kohärenz sieht auch Werner in der Resilienz. Sie definiert Resilienz als die Fähigkeit zur Balance zwischen stresserzeugenden Lebensereignissen, die ein Kind verwundbar machen, und schützenden Mechanismen und Faktoren, die die Widerstandskräfte eines Kindes gegen aversive Lebensbedingungen steigern (Werner 1990 zitiert in Opp u. a. 1999, S. 28).

 

Master ergänzt dies: Resilienz ist das Ergebnis einer erfolgreichen Adaption angesichts herausfordernder und bedrohlicher Situationen (Risikosituationen) unter Aktivierung von protektiven Faktoren (Master 1990, zitiert in Opp u. a. 1999, S. 16).

 

Resilienz bedeutet für Schenker-Schulte Widerstandskraft und beinhaltet die Bewältigungsleistung eines Individuums, die Überwindung von problematischen Entwicklungsumständen im Prozess und im Resultat, also ein „Trotz alledem“.

 

Somit schlussfolgert sie:

 

Resilienz ist: Zustand-Prozess-Resultat (Schenker-Schulte in Opp u. a. 1999, S. 244).

 

Zusammenfassend:

 

Resilienz ist die Summe von konstitutionellen und erworbenen Persönlichkeitsmerkmalen, die ein Individuum befähigen, belastende Ereignisse erfolgreich zu bewältigen und nach Krisen wieder ohne Störungen in die alte psychische Ausgangslage zurückzukehren.

 

Mit diesen Persönlichkeitsmerkmalen sind Fähigkeiten, Kompetenzen und Problembewältigungsstrategien (Coping-Strategien) verbunden, deren Entwick-lung und Erwerb als Ergebnis früh beginnender Mensch-Umwelt-Interaktion und Anpassungsleistungen auf der Grundlage biologischer  Dispositionen sowie  unter laufender Einflussnahme psychosozialer Faktoren zu sehen ist. Resilienz ist kein statisches Persönlichkeitsmerkmal, sondern ist andauernden internen und externen Anpassungsleistungen unterworfen und gleicht sich somit bei günstigem Verlauf den entsprechenden Entwicklungsaufgaben an.

 

2.2 Die Entwicklung von Resilienz und die Bedeutung der protektiven Faktoren


 

Lösel und Bender machen deutlich, dass für die Entwicklung der Resilienz neben günstigen gegebenen Dispositionen (Gesundheit, Intelligenz, Temperament) eines Individuums vor allem protektive Faktoren sowie erfolgreiche kognitive Verarbeitungsprozesse verantwortlich sind. Je mehr Belastungen und Risiken vorliegen, desto mehr protektive Faktoren sind erforderlich zur konstruktiven Entwicklung (Lösel, Bender in Opp u. a. 1999, S. 44).

 

Hüther beschreibt den Prozess der Resilienzentwicklung als das Ergebnis eines kognitiven Lernprozesses. Das Gehirn, so sagt er, ist zum Lösen aller Arten von Problemen optimiert. Das Nervensystem eines Kindes ist nach jeder Eigeninitiative im höchsten Erwartungszustand für die Wahrnehmung von Antworten und Reaktionen auf das eigene Handeln. Der positive Verlauf dieser Prozesse schafft im Kind ein „inneres Bild“ von sich selbst, von Beziehungen, von seiner Umwelt, die für sein weiteres Tun und Handeln ausschlaggebend sind (Hüther zitiert in Haug-Schnabel 2004, S. 8).

 

Auch für Opp ist die Resilienzentwicklung das Ergebnis eines Zusammenspieles von gegebenen Dispositionen und protektiven Wirkfaktoren. Risiko- und Schutzfaktoren haben dabei nur einen relativen Charakter. Entscheidend sind nicht so sehr die Ausprägungen des einen oder anderen Faktors, sondern das prozesshafte Zusammenspiel und die Balancen, die ein Individuum für sich herstellen kann (Opp 2001, S. 110).

 

Göppel definiert Resilienzentwicklung als die Fähigkeit zur erfolgreichen Anpassung, als Kompetenz trotz eines hohen Risikostatus, trotz chronischer Belastung oder trotz schwerwiegender und langandauernder Traumatisierung. Die Entwicklung zur Resilienz setzt für ihn den Umstand voraus, dass der eigentliche Entwicklungshintergrund eines Individuums ein anderes, negatives Entwicklungsbild hätte zeigen müssen (Göppel in Opp u. a. 2001; S. 174). Damit wird Resilienz-entwicklung als eine Beeinträchtigung-Ressourcen-Konstellation definiert.

 

Gleichzeitig sieht Göppel die Resilienzentwicklung in einem Spannungsfeld zwischen aktivem, eigenständigem Handeln und einem, den Lebensumständen entsprechenden Gestaltetwerden. Weiter ist für ihn Resilienz das Gefühl und die Erfahrung der Selbstwirksamkeit als Ergebnis eigenständigen und erfolgreichen Handelns (Göppel in Opp u. a. 2001; S. 177).

 

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