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E-Book

Die Tattoo-Szene

Die Verbildlichung postmoderner Identitätskonstruktionen

AutorSven Hulvershorn
VerlagHirnkost
Erscheinungsjahr2011
Seitenanzahl76 Seiten
ISBN9783943774580
FormatePUB/PDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis6,99 EUR
Tätowierungen sind schon lange kein Phänomen der sozialen Unterschicht mehr. Die verschiedensten Berichterstattungen und Dokumentationen in den öffentlichen Medien weisen seit einigen Jahren eine gänzlich neue Wahrnehmung von Tätowierungen auf, die sich durch gesellschaftliche Akzeptanz auszeichnet. Die Zeiten in denen nur gesellschaftliche Randgruppen, wie Seefahrer, Kriminelle oder Prostituierte Tätowierungen auf der Haut trugen sind scheinbar vorbei. Mittlerweile haben immer mehr Filmstars oder Musiker Tätowierungen und generieren so ein differenzierteres Bild in der Öffentlichkeit. Doch hat sich das Bild in der Gesellschaft wirklich gewandelt? Rückt die Tätowierung von ihrer stigmatisierenden Wirkung ab? Und was viel wichtiger ist, welche Wirkung hat die Tätowierung auf die heutigen Jugendlichen? Besonders in einer Zeit, in der die traditionellen Sozialisationsinstanzen und Gemeinschaften kaum noch Tragkraft und Anziehung für die Jugendlichen haben. Immer häufiger schließen sich Jugendliche heute Szenen an, anstelle von traditionellen Formen der Gemeinschaft, wie Familie, Kirchengemeinden, Vereinen, Parteien etc. Diese Szenen bieten den Jugendlichen Halt und dienen ihnen dazu sich selbst auszuprobieren, um so eine eigene Identität zu konstruieren und zu etablieren. Die Forschungen von Hitzler u. a. verdeutlichten den Stellenwert der Szenen für die Jugendlichen durch den Faktor der Vergemeinschaftung. Durch eben diese sind mittlerweile auch viele der heutigen Jugendszenen wissenschaftlich erforscht und dargestellt worden. Innerhalb dieses Forschungszweigs sind allerdings noch Leerstellen vorhanden, an denen diese Forschungsarbeit anknüpft. Ziel ist unter Berücksichtigung des theoretischen Rahmens und Durchführung von Interviews eine neue, noch nicht erforschte Szene zu ergründen. Die Szene, um die es sich handelt, ist die Tattoo-Szene...

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Leseprobe

3. Szenen heute


Um eine neue Szene, wie die Tattoo-Szene, neu zu bestimmen ist es erforderlich das Konstrukt „Szene“ näher zu erläutern. Aus diesem Grund dient dieses Kapitel dazu, herauszufinden, wie sich eine Szene überhaupt definiert, welche Strukturmomente ausschlaggebend sind und wie wichtig die Szene für die Akteure ist. Hitzler u.a. haben auf ihrer Homepage jugendszenen.com Steckbriefe von 18 unterschiedlichen Jugendszenen erarbeitet. Scheinbar steckt eine große Pluralität an verschiedenen Formen von posttraditionellen Vergemeinschaftungen hinter den Szenen und vermutlich sind noch längst nicht alle Szenen dort integriert oder überhaupt erforscht. Hitzler erklärt selber, „auch wenn wir […] schon etliche Jahre daran arbeiten, haben wir im Grunde doch erst damit begonnen, die komplexe und ständig weiter sich ausdehnende Szenelandschaft zu kartographieren.“ (Hitzler 2008, S. 59) Es bleibt also abzuwarten welche Formen und Typen sich noch herausarbeiten lassen. Im Folgenden soll dargestellt werden, was eine Szene ausmacht, in welche Kategorien sich ihre Mitglieder einordnen lassen und ab wann eine Szene überhaupt eine Szene ist.

3.1. Definition der Szene


Eine Szene ist ein äußerst komplexes Gebilde, das sich in einem stetigen Wandlungsprozess befindet. Aufgrund dessen gestaltet sich ihre Erforschung oft hinderlich denn „aus der Ferne scheinen die Ränder scharf zu sein und eine klare Gestalt zu ergeben. Je mehr man sich ihnen jedoch nähert, desto stärker verliert sich dieser Eindruck.“ (Hitzler, Bucher, Niederbacher 2001, S. 211) Wie lässt sich dann aber eine Szene überhaupt definieren, wenn es scheinbar schwierig ist sie überhaupt zu fassen. Hitzler definiert Szenen wie folgt:

„Unter einer Szene soll verstanden werden: Eine Form von lockeren sozialem Netzwerk; einem Netzwerk, in dem sich unbestimmt viele beteiligte Personen und Personengruppen vergemeinschaften. In eine Szene wird man nicht hineingeboren oder hineinsozialisiert, sondern man sucht sie sich aufgrund irgendwelcher Interessen selber aus und fühlt sich in ihr eine Zeit lang mehr oder weniger zu Hause.“ (Hitzler 2008, S. 56)

Szenen zeichnen sich immer durch ein gemeinsames Interessengebiet aus, das so genannte „issue“, (vgl. Hitzler, Bucher, Niederbacher 2001, S. 20), welches sie charakterisiert. Dies können u.a. Musik, Sport, Mode, etc. sein und „um dieses zentrale Thema herum gruppiert sich dann so etwas wie ein Lifestyle mit eigenen Sprachgewohnheiten, Umgangsformen, Treffpunkten bzw. Lokalitäten, Zeitbudgetierungen, Ritualen, Festen bzw. Events […]“ (Hitzler 2008, S, 65). Weiterhin sind Szenen lokale und regionale Gebilde, die aufgrund dessen auch leichte inhaltliche Unterschiede aufweisen können, dies bedeutet allerdings nicht, dass Szenen lokale Phänomene sind. Szenen sind globale Gebilde mit dem Anspruch einer starken gegenseitigen Vernetzung, in denen das Medium Internet von großer Bedeutung ist. Es dient den Mitgliedern einer Szene der Vernetzung und Kommunikation. Dies ist ungemein wichtig, da „Szenen sich als interaktive Netzwerke [konstituieren]; ihre Existenz ist gebunden an die ständige Erzeugung und Vergewisserung gemeinsamer Interessen seitens ihrer Mitglieder.“ (Hitzler, Bucher, Niederbacher 2001, S. 212) Aus diesem interaktiven Netzwerk entsteht ein Wir-Gefühl für die Mitglieder der jeweiligen Szenen. Die Mitglieder sind, wie Hitzler beschreibt, „Teilzeit-Gleichgesinnte“ (vgl. ebd. 2008, S. 64), damit ist gemeint, dass man mit den Mitgliedern der Szenen „nicht viel mehr teilen muss als eben das Interesse an dem, was in der Szene wichtig ist.“ (ebd. 2008, S. 64)

3.2. Aufbau der Szene


Szenen weisen meist einen ähnlichen Aufbau, in Bezug auf ihre Mitglieder auf. Hitzler stellt dies als ein Netzwerk von Gruppen dar. Die Personen in den Gruppen kennen sich persönlich, haben ein hohes Maß an gegenseitiger Kommunikation und sehen sich als Teil der Szene an. Da es unterschiedliche Gruppen in der jeweiligen Szene gibt, ist es erforderlich, dass auch die Gruppen untereinander kommunizieren, da dies ein wichtiges Strukturelement der Szene darstellt, auch wenn sich die Mitglieder nicht mehr persönlich kennen. Diese Kommunikation und Interaktion basiert meist auf „typischen Merkmalen“ und „unter Verwendung typischer Zeichen, Symbole, Rituale, Embleme, Inhalte, Attribuierungen, Kommentare, usw.“ (ebd. 2001, S. 25) Bedeutend für die Szenen sind Treffpunkte für Versammlungen und Events. Die Treffpunkte müssen dabei nicht unbedingt nur für die jeweilige Szene entstanden und gedacht gewesen sein. Hauptsächlich dienen diese Orte der Interaktion der Mitglieder. Im Unterschied zu den Treffpunkten sind die Events „geplante und organisierte Veranstaltungen, deren erklärtes Ziel die Herstellung eines alle Teilnehmer umfassenden „Wir-Gefühls“ und damit eben einer situativen Gemeinschaft ist.“ (Hitzler 2008, S. 64) Diese Events werden meist von der so genannten Organisationselite geplant und veranstaltet. Die Organisationselite bildet nach Hitzler den Kern einer Szene und „eine Art Szenemotor insofern, als die Rahmenbedingen szenetypischer Erlebnisangebote in erster Linie dort produziert werden und auch Innovationen sehr oft ihren Ursprung dort haben.“ (Hitzler, Bucher, Niederbacher 2001, S. 27) Des Weiteren hat die Organisationselite natürlich auch Privilegien, die andere Mitglieder der Szene nicht haben. Um die Organisationselite herum formieren sich dicht am Kern die „Friends und Heavy-User“, welche in engem Kontakt zu dem Kern stehen. Den äußersten Kreis bilden zuletzt die normalen Szenegänger, welche „die Szene samt den je typischen Aktivitäten, Einstellungen, Motive und Lebensstile maßgeblich repräsentieren.“ (ebd. 2001, S. 213) Dieses Strukturmodell muss nun mit dem vorher erwähnten Gruppenmodell, also dem Netzwerk der Gruppen, verbunden werden, dadurch wird der Aufbau der Szene deutlich. Das bedeutet in jeder Gruppierung der Szene, gibt es sowohl Organisationseliten, Heavy-User als auch normale Szenegänger. Diese Gruppen treten dann mit anderen Gruppen in Kommunikation und Interaktion wodurch ein großes Geflecht entsteht. Diese Struktur der Szene ist allerdings nicht als ein starres Gerüst zu verstehen. Jedem Szenemitglied ist vielmehr die Möglichkeit geboten die Grenzen zu überschreiten, zum einen durch die Mitwirkung an der Szene und zum anderen durch die Aufnahme neuer Kontakte. Hitzler, u.a. erklären, dass „scharfe Gruppen- und Szenegrenzen […] nicht existieren“ (vgl. ebd. 2001, S. 28). Vielmehr sind Szenen geprägt von Unschärfe, Offenheit und Durchlässigkeit (vgl. ebd.2001, S. 28). Zuletzt werden die Szenen dann noch von einem Publikum umgeben, das mal kleiner und mal größer ist, abhängig von der jeweiligen Szene. Die Mitglieder des Publikums interessieren sich mit unterschiedlicher Intensität für das Geschehen innerhalb der Szene, d.h., dass es Teile des Publikums gibt, die „nur medial oder narrativ eher zufällig oder auf Nachfrage informiert [werden]“, die „gelegentlich als Zaungäste am Rande der einen oder anderen Veranstaltung dabei [sind]“ oder wieder andere die „sporadisch oder vielleicht sogar regelmäßig an verschiedenen Szeneaktivitäten teil[nehmen].“ (ebd. 2001, S. 212) Durch die Regelmäßigkeit und Intensität können dann auch Mitglieder des Szenepublikums näher in die Szene und in Richtung des Kerns vorrücken. Neben der erwähnten Szenestruktur werden dann noch spezifischer auf die inhaltlichen Themen bezogen drei Typen von Szenen unterschieden. Zum einen gibt es die Selbstverwirklichungsszene, die auf individuellen Erfolg ausgerichtet ist. Gerade bei diesem Szene-Typ geht es um „Aktivitäten, welche die mehr oder weniger langwierige und engagierte Ausbildung persönlichen Könnens voraussetzt.“ (ebd. 2001, S. 224) Ferner wird gerade „die persönliche Freiheit als Selbstbestimmung interpretiert.“ (ebd. 2001, S. 224) Die Aufklärungsszene lebt dagegen von der Diskussion der Mitglieder, wodurch die gemeinsamen Überzeugungen reziprok gestützt werden. Es wird die Ansicht vertreten, dass „aktuelle gesellschaftliche Verhältnisse nicht akzeptabel sind und deshalb zum Besseren gewendet werden müssen.“ (ebd. 2001, S. 225) Der dritte und letzte Typ ist die hedonistische Szene, die sich durch Konsum von Angeboten auszeichnet. In diesem Szene-Typ wird nicht in Begriffen wie Arbeit, Erfolg oder Entwicklung gedacht, weil sie der Arbeitswelt angehören, die bewusst ausgegrenzt wird. Die Mitglieder dieses Szenetyps haben größeres Interesse daran den Augenblick zu genießen (vgl. ebd. 2001, S. 225ff).

3.3. Die Bedeutung der Szene für Jugendliche5


Die Szene gilt heutzutage für die Jugendlichen als eine ‘individualisierte’ Darstellung von Vergemeinschaftung mit anderen (vgl. ebd. 2001, S. 19). Die Szenen dienen den Jugendlichen als Sozialisationsinstanz. Jugendliche finden „situationsadäquate Weltdeutungsschemata, Wertekataloge und Identitätsmuster“ (ebd. 2001, S. 19) immer...

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