Sie sind hier
E-Book

Armut von Erwerbstätigen in europäischen Wohlfahrtsstaaten

Niedriglöhne, staatliche Transfers und die Rolle der Familie

AutorHenning Lohmann
VerlagVS Verlag für Sozialwissenschaften (GWV)
Erscheinungsjahr2008
Seitenanzahl266 Seiten
ISBN9783531908533
FormatPDF
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis49,99 EUR
Das Bild von erwerbstätigen Armen ist oftmals durch die Vorstellung von hart arbeitenden, aber gering bezahlten Arbeitskräften geprägt, deren Alltag die beiden US amerikanischen Journalisten Barbara Ehrenreich (2005) und David Shipler (2005) am Beispiel von einfachen Industriearbeitern, Servicekräften oder Erntehel fern eindrücklich geschildert haben. Auch in europäischen Wohlfahrtsstaaten, um die es in dieser Arbeit gehen soll, sind entsprechende Bilder präsent, wenn von armen Erwerbstätigen die Rede ist. Dies ist aber nur eine Seite des Problems 'Ar mut von Erwerbstätigen'. Aus anderer Perspektive sind es nicht allein geringbezahl te Jobs, die als Ursache von Armut von Erwerbstätigen in Frage kommen. Frühere Arbeiten, wie beispielsweise die bislang umfassendste Studie zu den 'working poor' in Deutschland (Strengmann Kuhn 2003), weisen darauf hin, dass der Haushalts kontext eine entscheidende Rolle dabei spielt, ob ein Einkommen ausreichend ist oder nicht. Auch Normalverdiener, die allein eine Familie zu versorgen haben, gehören daher häufiger als manche andere Gruppen zu den erwerbstätigen Armen. Die Berücksichtigung dieses Aspekts setzt allerdings voraus, dass man Armut von Erwerbstätigen im Sinne der allgemeinen Armutsforschung definiert, die von den in einem Haushalt verfügbaren Ressourcen ausgeht und nicht allein von der Verteilung der Erwerbseinkommen. Dies ist auch die grundsätzliche Sichtweise dieser Arbeit. Dieses Verständnis von 'Armut von Erwerbstätigen' ist in der wissenschaftli chen und politischen Diskussion inzwischen durchaus etabliert. So wird seit einigen Jahren ein entsprechender Indikator in der europäischen Sozialberichterstattung verwendet (vgl. Bardone/Guio 2005). Dabei zeigt sich einerseits, dass sich das Ausmaß von Armut von Erwerbstätigen zwischen Ländern erheblich unterscheidet.

Henning Lohmann war bis Ende 2007 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Empirische Sozial- und Wirtschaftsforschung der Universität zu Köln und ist ab 2008 Post-Doc bei der Längsschnittstudie 'Soziooekonomisches Panel (SOEP)' im Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin).

Kaufen Sie hier:

Horizontale Tabs

Leseprobe
1 Einleitung (S. 11)

Das Bild von erwerbstätigen Armen ist oftmals durch die Vorstellung von hart arbeitenden, aber gering bezahlten Arbeitskräften geprägt, deren Alltag die beiden US-amerikanischen Journalisten Barbara Ehrenreich (2005) und David Shipler (2005) am Beispiel von einfachen Industriearbeitern, Servicekräften oder Erntehelfern eindrücklich geschildert haben.

Auch in europäischen Wohlfahrtsstaaten, um die es in dieser Arbeit gehen soll, sind entsprechende Bilder präsent, wenn von armen Erwerbstätigen die Rede ist. Dies ist aber nur eine Seite des Problems ‚Armut von Erwerbstätigen’. Aus anderer Perspektive sind es nicht allein geringbezahlte Jobs, die als Ursache von Armut von Erwerbstätigen in Frage kommen.

Frühere Arbeiten, wie beispielsweise die bislang umfassendste Studie zu den ‚working poor’ in Deutschland (Strengmann-Kuhn 2003), weisen darauf hin, dass der Haushaltskontext eine entscheidende Rolle dabei spielt, ob ein Einkommen ausreichend ist oder nicht. Auch Normalverdiener, die allein eine Familie zu versorgen haben, gehören daher häufiger als manche andere Gruppen zu den erwerbstätigen Armen.

Die Berücksichtigung dieses Aspekts setzt allerdings voraus, dass man Armut von Erwerbstätigen im Sinne der allgemeinen Armutsforschung definiert, die von den in einem Haushalt verfügbaren Ressourcen ausgeht und nicht allein von der Verteilung der Erwerbseinkommen.

Dies ist auch die grundsätzliche Sichtweise dieser Arbeit. Dieses Verständnis von ‚Armut von Erwerbstätigen’ ist in der wissenschaftlichen und politischen Diskussion inzwischen durchaus etabliert. So wird seit einigen Jahren ein entsprechender Indikator in der europäischen Sozialberichterstattung verwendet (vgl. Bardone/Guio 2005).

Dabei zeigt sich einerseits, dass sich das Ausmaß von Armut von Erwerbstätigen zwischen Ländern erheblich unterscheidet. Andererseits wird aber auch deutlich, dass Armut von Erwerbstätigen in Europa insgesamt kein marginales Problem darstellt. Entsprechend wird in den beschäftigungspolitischen Leitlinien des Rates der Europäischen Union auch ausdrücklich auf die Notwendigkeit der Bekämpfung von Armut von Erwerbstätigen verwiesen (Rat der Europäischen Kommission 2005).

Auch im Rahmen der offiziellen Armuts- und Reichtumsberichterstattung in Deutschland gibt es Gutachten, die allein Armut von Erwerbstätigen betrachten (Hanesch 2001, Fritzsche/Haisken-DeNew 2004). Die Tatsache, dass Arbeit nicht notwendigerweise vor Armut schützt, kann daher kaum mehr als Überraschung gelten.

Jedoch gibt es bislang – anders als im Fall von Niedriglohnbeschäftigung und von Armut insgesamt – kaum Untersuchungen, in denen umfassend die Ursachen für Armut von Erwerbstätigen und insbesondere die Ursachen für die bestehenden Länderunterschiede im Ausmaß und in der Struktur der Armut von Erwerbstätigen analysiert werden. Dies zu leisten, ist das Ziel der vorliegenden Arbeit.

Für eine Erklärung, warum sich das Armutsrisiko von Erwerbstätigen von Land zu Land unterscheidet, reicht es nicht aus, die Verteilung der primären Erwerbseinkommen zu betrachten. So kann es mehrere Verdiener pro Haushalt geben. Zudem gibt es staatliche und private Transfers.

Will man erklären, warum Armut von Erwerbstätigen auftritt, müssen also sowohl die Faktoren berücksichtigt werden, die die Höhe des Erwerbseinkommens beeinflussen, als auch diejenigen, die das Zusammenfließen unterschiedlicher Einkommensquellen in einem Haushalt bewirken. Es ist die Aufgabe dieser Arbeit, diese Faktoren zu benennen und ihren Einfluss darzustellen.

Gedacht ist hierbei vor allem an wohlfahrtsstaatliche Institutionen wie das System der sozialen Sicherung und das Angebot sozialer Dienstleistungen und an Arbeitsmarktinstitutionen wie Kündigungsschutzregeln und die Ausgestaltung des Lohnverhandlungssystems. Diese Aspekte werden hier zusammenfassend als institutionelle Rahmenbedingungen bezeichnet.
Blick ins Buch
Inhaltsverzeichnis
Inhalt5
Tabellenverzeichnis8
Abbildungsverzeichnis10
1 Einleitung11
2 Armut von Erwerbstätigen im internationalen Vergleich15
2.1 Armut von Erwerbstätigen: Die aktuelle Diskussion15
2.2 Vergleichende Perspektive: Länder und Veränderungen über die Zeit18
2.3 Institutionelle Rahmenbedingungen: Vergleich von Wohlfahrtsstaaten22
2.4 Ressourcenansatz: Einkommensarmut und Einkommensquellen26
2.5 Armutsdeterminanten: Bedarf, Ressourcen und Restriktionen30
2.6 Ausgangspunkte für die weitere Betrachtung33
3 Institutionelle und wirtschaftliche Rahmenbedingungen35
3.1 Dekommodifizierung, Transfers und ökonomische Arbeitsanreize36
3.2 Defamilisierung, intergenerationale und geschlechtsspezifische Abhängigkeiten43
3.3 Lohnverhandlungssysteme, Mindestlöhne und Verteilung von Erwerbseinkommen50
3.4 Wirtschaftliche Entwicklung und Arbeitsmarktstruktur56
3.5 Institutionelle Einflüsse: Unterschiede zwischen Ländern oder Regimes?60
3.6 Länderspezifische Ausgestaltung institutioneller Rahmenbedingungen66
3.7 Rekommodifizierung, Dezentralisierung und Deregulierung?79
3.8 Institutionelle Rahmenbedingungen: Fragestellungen und Hypothesen87
4 Messung von Armut von Erwerbstätigen91
4.1 Armutsdefinition und Armutsmessung91
4.2 Armutsmessung im internationalen Vergleich98
4.3 Datenbasis und Grundgesamtheit102
4.4 Messung von Einkommen, Armut und Niedriglohn auf Basis des ECHP103
4.5 Armut von Erwerbstätigen110
5 Ausmaß, Struktur und Ursachen von Armut von Erwerbstätigen119
5.1 Armut von Erwerbstätigen im zeitlichen Kontext120
5.2 Ausmaß und Struktur der Armut von Erwerbstätigen126
5.3 Haushaltszusammensetzung und Einkommensquellen130
5.4 Armutsreduktion durch staatliche Transfers138
5.5 Armutsreduktion durch weitere Erwerbseinkommen146
5.6 Niedriglöhne und Armut149
5.7 Teilzeiterwerbstätigkeit, berufliche Selbständigkeit und Armut157
5.8 Entwicklung der Armut von Erwerbstätigen163
5.9 Zusammenfassung und Ausblick auf weitere Analysen175
6 Armut von Erwerbstätigen aus einer Mehrebenenperspektive177
6.1 Einflüsse auf Mikro- und Makroebene178
6.2 Modellschätzung179
6.3 Operationalisierung und erwartete Einflüsse186
6.4 ‚Cross-level’-Interaktionen und Kompositionseffekte193
6.5 Ergebnisse: Individuelle, haushaltsbezogene und länderspezifische Determinanten des Armutsrisikos196
6.6 Diskussion der Ergebnisse215
7 Konsequenzen wohlfahrtsstaatlicher Veränderungen: Ausblicke219
7.1 Eine Frage der Perspektive?219
7.2 Armut von Erwerbstätigen nach 2001221
7.3 ‚Aktivierung’ von Wohlfahrtsstaaten225
7.4 Sanktionen, Zumutbarkeitsregeln und Aktivierungsmaßnahmen227
7.5 Konsequenzen der Aktivierungstendenzen237
8 Zusammenfassung und Diskussion241
8.1 Zentrale Ergebnisse242
8.2 Schlussfolgerungen247
8.3 Offene Forschungsfragen und abschließende Bemerkungen249
Literatur253
Anhang A: Indikatoren und Datenquellen268
Anhang B: Zusätzliche Tabellen und Abbildungen272

Weitere E-Books zum Thema: Sozialpolitik - Arbeitsmarkt

Weitere Zeitschriften

Berufsstart Gehalt

Berufsstart Gehalt

»Berufsstart Gehalt« erscheint jährlich zum Sommersemester im Mai mit einer Auflage von 50.000 Exemplaren und ermöglicht Unternehmen sich bei Studenten und Absolventen mit einer ...

Burgen und Schlösser

Burgen und Schlösser

aktuelle Berichte zum Thema Burgen, Schlösser, Wehrbauten, Forschungsergebnisse zur Bau- und Kunstgeschichte, Denkmalpflege und Denkmalschutz Seit ihrer Gründung 1899 gibt die Deutsche ...

CE-Markt

CE-Markt

CE-Markt ist Pflichtlektüre in der Unterhaltungselektronik-Branche. Die Vermarktung von Home und Mobile Electronics mit den besten Verkaufsargumenten und Verkaufsstrategien gehören ebenso zum ...

Correo

Correo

 La Revista de Bayer CropScience para la Agricultura ModernaPflanzenschutzmagazin für den Landwirt, landwirtschaftlichen Berater, Händler und am Thema Interessierten mit umfassender ...

DER PRAKTIKER

DER PRAKTIKER

Technische Fachzeitschrift aus der Praxis für die Praxis in allen Bereichen des Handwerks und der Industrie. “der praktiker“ ist die Fachzeitschrift für alle Bereiche der fügetechnischen ...

Der Steuerzahler

Der Steuerzahler

Der Steuerzahler ist das monatliche Wirtschafts- und Mitgliedermagazin des Bundes der Steuerzahler und erreicht mit fast 230.000 Abonnenten einen weitesten Leserkreis von 1 ...

die horen

die horen

Zeitschrift für Literatur, Kunst und Kritik."...weil sie mit großer Aufmerksamkeit die internationale Literatur beobachtet und vorstellt; weil sie in der deutschen Literatur nicht nur das Neueste ...

F- 40

F- 40

Die Flugzeuge der Bundeswehr, Die F-40 Reihe behandelt das eingesetzte Fluggerät der Bundeswehr seit dem Aufbau von Luftwaffe, Heer und Marine. Jede Ausgabe befasst sich mit der genaue Entwicklungs- ...