Nachhaltige Geldanlagen bezeichnen im Allgemeinen Investments, bei denen neben ökonomischen auch soziale und ökologische Aspekte bei der Kapitalanlageentscheidung berücksichtigt werden. Eine eindeutige Definition oder eine explizite Abgrenzung, was als nachhaltige Geldanlage bezeichnet werden kann und was nicht, suchte man allerdings auf europäischer Ebene lange Zeit vergebens. Mitunter wird der Begriff noch heute in der Praxis sehr unterschiedlich ausgelegt. Stellenweise werden in der Literatur auch weitere synonyme Bezeichnungen für nachhaltige Geldanlagen verwendet, wie z. B. grüne Kapitalanlagen, prinzipiengeleitete Investments, verantwortliche Geldanlagen, sozial verantwortliches Investieren oder ethische Geldanlagen.[16] Im deutschsprachigen Raum hat sich jedoch der Nachhaltigkeitsbegriff durchgesetzt. Analog hierzu wird im Englischen in der Regel von Socially Responsible Investments (SRI) gesprochen. Mission Investing, Triple Bottom Line Investing, Green Investing sowie Ethical, Responsible, oder Sustainable Investment sind hingegen eher weniger geläufig. Grundsätzlich finden sich bei allen gängigen Definitionen eindeutige Bezüge zum Konzept der nachhaltigen Entwicklung oder zum Drei-Säulen-Modell wieder. Teilweise werden bei nachhaltigen Geldanlagen auch Strukturen für eine bessere Überwachung und Qualität der Unternehmensführung oder ethische Aspekte ausdrücklich als zusätzliche Kriterien herangezogen. Diese können sich wiederum auf alle drei Dimensionen der Nachhaltigkeit auswirken. Im Unterschied zu konventionellen Geldanlagen berücksichtigen nachhaltige Geldanlagen demnach freiwillig nicht-finanzielle Einflussfaktoren, allem voran sogenannte ESG-Kriterien. Die Abkürzung ESG steht für Environmental, Social & Governance, fasst also die Themenbereiche Umwelt, Soziales und gute Unternehmensführung zusammen.[17] Es handelt sich dabei um die drei zentralen Faktoren, anhand derer die Nachhaltigkeit wirtschaftlichen Handels von Unternehmen, Staaten und Individuen beurteilt werden kann. Die Messung des Umwelteinflusses wirtschaftlicher Aktivität ist Gegenstand des Begriffs Environmental. Darunter fallen z. B. Klimaauswirkungen, CO2-Ausstoß, Müllproduktion und -entsorgung, Umgang mit Ressourcen, Wasserverwendung und Energiequellen. Unter Social wird weitläufig der Umgang mit Menschen verstanden. Themen in diesem Kontext sind beispielsweise Diskriminierung, Menschenrechte, Kinderarbeit, Arbeiter- und Konsumentenrechte sowie Geschäftsfelder, die aufgrund ihrer Auswirkungen auf den Menschen als nicht nachhaltig eingestuft werden, z. B. Alkohol, Tabak und Glücksspiel. Governance betrachtet dagegen die Unternehmensführung (Corporate Governance) und dabei insbesondere die Organisation des Unternehmens einschließlich ihrer Auswirkung auf sämtliche Anspruchsgruppen (Stakeholder). Die Ausgestaltung der Managementstruktur und Kontrollgremien, die Anreizsetzungen und Kompensationen in der Führungsetage sowie die Beteiligung der Mitarbeiter stehen dabei im Fokus.[18] Ähnlich wie bei klassischen Geldanlagen wird also auch bei nachhaltigen Geldanlagen die Investitionsentscheidung anhand eines festen Kriterienkatalogs getroffen. Die Anlage erfolgt in typischen Anlageklassen, z. B. Aktien oder festverzinslichen Wertpapieren. Nachhaltige Geldanlagen sind somit keine eigenständige Anlageklasse, sondern eine Anlagestrategie.[19]
Abbildung 2: Drei-Säulen-Modell Nachhaltiger Geldanlagen
Quelle: Eigene Darstellung nach Faust, M. / Scholz, S. (2014), S. 133.
Wie aus Abbildung 2 hervorgeht, erweitern nachhaltige Geldanlagen die klassische Finanzanalyse um die Nachhaltigkeitsanalyse, bei der in Ergänzung zu klassischen ökonomischen Parametern, wie z. B. Bilanzkennzahlen, auch ökologische und soziale Gesichtspunkte als gleichberechtigte Analysekriterien herangezogen werden. Anhand dieser Vorgehensweise sollen Unternehmen ausgewählt werden, die im Sinne der Nachhaltigkeit besonders fortschrittlich agieren bzw. Firmen ausgeschlossen werden, die hohe Umwelt- und Reputationsrisiken aufweisen.[20] In diesem Kontext werden eine Reihe von Mindestanforderungen an nachhaltige Geldanlagen gestellt. Aus ökonomischer Sicht zählt hierzu beispielsweise, dass Gewinne statt auf kurzfristiger Gewinnmaximierung grundsätzlich auf langfristigen Produktions- und Investitionsstrategien basieren und zudem nicht das Ergebnis von Korruption sind. Des Weiteren sollten Erträge aus Finanzanlagen stets in einem vertretbaren Verhältnis zu den Erträgen aus realer Wertschöpfung stehen. Ebenfalls gilt es die Erfüllung elementarer Bedürfnisse zu keiner Zeit zu gefährden. Ökologisch betrachtet, kennzeichnen nachhaltige Geldanlagen, dass die Gewinnerzielung einerseits stets mit der Steigerung der Ressourcenproduktivität und der Investition in erneuerbare Ressourcen harmoniert, andererseits aber auch im Einklang mit der Wiedergewinnung und Wiederverwendung verbrauchter Stoffe sowie der Funktionsfähigkeit globaler und lokaler Ökosysteme steht. Vom sozialen und kulturellen Blickwinkel aus gesehen, sollen nachhaltige Geldanlagen nach Möglichkeit gleichermaßen der Entwicklung des Human-, Sozial- und Kulturkapitals dienen. In Bezug auf das Humankapital geht es dabei z. B. um Verantwortungsübernahme für Arbeitsplätze bzw. Aus- und Weiterbildung, die Förderung selbstverantwortlichen Arbeitens, Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie Toleranz vor der Verschiedenheit des Einzelnen. Generationengerechtigkeit, Antidiskriminierung, Chancengleichheit im Erwerbsleben oder aber die Förderung zivilgesellschaftlichen Handelns wirken sich hingegen vorteilhaft auf das Sozialkapital aus. Positive Beiträge zum Kulturkapital lassen sich insbesondere durch Respekt vor kultureller Vielfalt unter Wahrung persönlicher Freiheitsrechte und gesellschaftlicher Integrität erzielen. Die Mobilisierung von Potenzialen für mehr Diversität auf kultureller Ebene ist in diesem Zusammenhang mindestens genauso entscheidend.[21]
Abbildung 3: Vom magischen Dreieck zum magischen Viereck der Geldanlage
Quelle: Eigene Darstellung nach Pinner, W. (2008), S.58.
Wie in Abbildung 3 dargestellt, wird bei nachhaltigen Geldanlagen das klassische magische Dreieck der Kapitalanlage, bestehend aus Rentabilität, Sicherheit und Liquidität, zu einem Viereck erweitert. Die Ergänzung der Mittelverwendung als viertes Kriterium der Anlageentscheidung macht nachhaltige Investments zu einer komplexeren Form der Geldanlage. [22] Durch eine zielgerichtete Produktauswahl möchten Investoren wesentlichen Einfluss darauf nehmen, wie die investierten Mittel verwendet werden. Im Vergleich zu konventionellen Investments erfolgt bei nachhaltigen Geldanlagen demzufolge in der Regel eine deutlich stärkere Identifikation mit dem Anlageprodukt.[23]
Das einfachste, älteste und bis heute mehrheitlich genutzte Anlagekonzept zur Integration von Nachhaltigkeitsaspekten ist das sogenannte Negativ-Screening. Hierunter versteht man den Gebrauch von Ausschlusskriterien mittels derer einzelne Unternehmen, Branchen oder Staaten aus dem Anlageuniversum entfernt werden. Alle verbleibenden Titel gelten ex definitione als nachhaltig. Gründe für einen Ausschluss können neben bestimmten Geschäftsfeldern, z. B. der Produktion von Waffen oder Alkohol, auch kontroverse Geschäftspraktiken oder die Missachtung internationaler Standards sein. Negativ-Screening ist grundsätzlich auf allen Ebenen der Portfolioerstellung möglich. Ein wesentliches Motiv für den Einsatz dieser Selektionsstrategie ist die Einhaltung ethischer Prinzipien einschließlich ihrer Kommunikation nach außen. Primäres Ziel ist und bleibt allerdings die Vermeidung bzw. Verminderung bestimmter Risiken der Geldanlage, z. B. infolge von Umweltschäden oder Reputationsverlusten. [24] In Abhängigkeit der gewählten Definition können Negativkriterien direkt an Produkte bzw. Dienstleistungen, an zugrunde liegende Herstellungsprozesse oder an universale Werte anknüpfen.[25] Tabelle 1 auf der nachfolgenden Seite zeigt eine Übersicht der am häufigsten verwendeten Ausschlusskriterien in Deutschland.
Tabelle 1: Top Ten der Ausschlusskriterien in Deutschland
Quelle: Forum Nachhaltige Geldanlagen e.V. (2014), S. 22.
Aufgrund vielfältiger Abnehmer- und Lieferantenbeziehungen in einer zunehmend arbeitsteiligen Wirtschaftswelt werden in einem eigentlich ausgeschlossenen Bereich häufig Toleranzwerte zugelassen. Dies wird u. a. damit begründet, dass Hersteller heutzutage nicht immer zwangsläufig Kenntnis darüber haben, wofür ihre Produkte eingesetzt werden. Ein Mikrochip kann z. B. in ein Waffensystem eingebaut werden, ohne dass der Produzent darüber informiert wird. In der Praxis ist die konsequente Anwendung der definierten Ausschlusskriterien auf die gesamte Zulieferkette von Unternehmen folglich fernab jeglicher Realität. Eine Null-Toleranz-Politik an dieser Stelle...