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Potentielle ökonomische Effekte eines transatlantischen Freihandelsabkommens

AutorLars Brümmer
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl65 Seiten
ISBN9783656951933
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis29,99 EUR
Masterarbeit aus dem Jahr 2014 im Fachbereich VWL - Außenhandelstheorie, Außenhandelspolitik, Note: 1,0, Hochschule Bremen, Sprache: Deutsch, Abstract: Nach der Berichterstattung in den Medien kann der Eindruck entstehen, dass das Transatlantische Freihandelsabkommen, das seit Mitte 2013 unter dem Begriff TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership) verhandelt wird, ausschließlich wirtschaftliche Interessen bedient und der Verbraucher eine Reihe negativer Konsequenzen zu befürchten hat. Sind tatsächlich ein Verlust staatlicher Souveränität und eine Überschwemmung der europäischen Märkte mit nicht gewünschten US-Produkten zu befürchten? Oder überwiegen doch die von den Befürwortern des Abkommens angeführten positiven Effekte? Diese Arbeit versucht eine Antwort auf diese beiden Fragen zu geben. Dabei werden aktuelle Studienergebnisse ebenso in die Untersuchung einbezogen wie Standpunkte verschiedener Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft.

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Leseprobe

3 Theoretische Grundlagen zur Beurteilung von TTIP


 

3.1 Formen und Auswirkungen ökonomischer Integration


 

Der Begriff der ökonomischen Integration steht für das Zusammenwachsen nationaler Märkte zu einem einheitlichen, internationalen Markt.[17] Ziel ist es, die "most desirable structure of international economy" (Tinbergen 1965: 57) zu schaffen, die nach Balassa durch die Abwesenheit jeglicher Formen von staatlichen Diskriminierungen gegenüber ausländischen Handelspartnern gekennzeichnet ist (vgl. Balassa 1973: 1). Zwischen den beiden Polen "Autarkie" und "Freihandel" besteht somit ein Kontinuum an Integrationsformen, die hinsichtlich ihrer Intensität (Tiefe) variieren (vgl. Blank et al. 1998: 30). In Anlehnung an Balassa (1961) können fünf Integrationsstufen beschrieben werden: (i) Präferenz- und (ii) Freihandelszone, (iii) Zollunion, (iv) Gemeinsame Märkte und eine (v) Wirtschafts- und Währungsunion.[18]

 

Eine Präferenzzone entsteht, wenn Länder untereinander ihre Zölle für bestimmte oder alle Produktgruppen abbauen (vgl. Baßeler et al. 2010: 691). In einer FHZ ist der gesamte Güterverkehr zwischen den Mitgliedern von Zöllen und quantitativen Restriktionen befreit. Zudem verpflichten sich die teilnehmenden Länder vertraglich dazu, weitere zwischen ihnen bestehende Handelshemmnisse abzubauen. Gegenüber Drittländern bestimmt jedoch jedes Land seine Einfuhrzölle selbst und gestaltet seine Handelspolitik autonom. Um eine Einfuhr von Gütern in die FHZ über das Land mit dem geringsten Zollsatz zu vermeiden, müssen den Gütern Ursprungszertifikate beiliegen. Andernfalls könnten sie über diese Ausweichmöglichkeit in Länder der FHZ mit höheren Zollsätzen gelangen. Dies würde die Wettbewerbsposition aus Drittländern verbessern und protektionistische Maßnahmen wären faktisch wirkungslos (vgl. Blank et al. 1998: 57).

 

Während eine FHZ politisch einfach, verwaltungstechnisch aber kompliziert gestaltet ist, verhält es sich bei einer Zollunion genau andersherum (vgl. Krugman / Obstfeld 2006: 306). In einer Zollunion herrscht ebenfalls Freihandel zwischen den Mitgliedsländern, es werden jedoch gemeinsame Außenzölle festgelegt. Diese sind zwar einfacher zu verwalten, da an den nationalen Grenzen der FHZ die gleichen Einfuhrzölle gelten. Die Mitgliedsländer müssen jedoch zum einen die Höhe des gemeinsamen Zolls festlegen und zum anderen ist eine Einigung darüber zu treffen, wie die Zolleinnahmen unter den Mitgliedern verteilt werden sollen. Neben der gemeinsamen Zollpolitik, erfolgt in dieser Integrationsform zudem eine verstärkte Koordinierung der Außenhandelspolitik in Form einer Harmonisierung der nicht-tarifären Handelsbarrieren (NTBs)[19] (vgl. Blank et al. 1998: 88).

 

Gemeinsame Märkte sind Zollunionen, in denen zusätzlich eine freie Faktormobilität besteht. Dazu gehört die Arbeitnehmerfreizügigkeit, die es Staatsangehörigen eines Mitgliedslandes gestattet, ohne Einschränkungen in anderen Mitgliedsländern einer Beschäftigung nachzugehen. Außerdem gibt es eine Niederlassungsfreiheit für Selbstständige, Freiberufler und Unternehmen sowie einen ungehinderten Kapitaltransfer. Um eine Akkumulation der Produktionsfaktoren in einem bestimmten Land zu vermeiden, wird eine Harmonisierung der nationalen Wirtschaftspolitik, etwa im Bereich der Wettbewerbs- oder der Steuerpolitik, notwendig (vgl. Blank et al. 1998: 124). Gemeinsame Märkte können auch in einzelnen Wirtschaftssektoren vorliegen. Ein Beispiel hierfür ist die gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der EU. Die Mitgliedsländer haben eine einheitliche Marktordnung, die inländischen und ausländischen Unternehmen gleiche Wettbewerbsbedingungen bietet (vgl. Blank et al. 1998, S. 33).

 

In einer Wirtschaftsunion erfolgt eine intensive Koordinierung und Harmonisierung oder sogar eine Vereinheitlichung der Wirtschaftspolitik. Staatliche Souveränität wird zum Teil an supranationale Institutionen wie z.B. einer gemeinsamen Zentralbank oder einer gemeinsamen Kartellbehörde abgegeben (vgl. Baßeler et al. 2010: 692). Ziel einer Wirtschaftsunion ist die Verschmelzung der nationalen Märkte zu einem einheitlichen Binnenmarkt, der früher oder später fixe Wechselkurse und eine volle Konvertibilität der Währungen der Mitgliedsländer erfordert. Diese integrierte Währungspolitik kann schließlich zur Einführung einer Einheitswährung führen (vgl. Blank et al. 1998: 156-57). Im europäischen Sprachgebrauch hat sich daher für diese beiden Formen der Integration der Begriff der Wirtschafts- und Währungsunion herausgebildet. Eine Währungsunion als separate Integrationsform ist aber ebenso denkbar. In dieser wären der Geld-, Kapital- und Güterverkehr liberalisiert, nationale Geld- und Fiskalpolitiken wären lediglich harmonisiert (vgl. Blank et al. 1998: 34-34).

 

Die Übergänge zwischen den hier erläuterten Stadien der ökonomischen Integration sind fließend und nicht immer klar voneinander abzugrenzen. So können auch in einer Freihandelszone oder einer Zollunion Faktormärkte bereits partiell integriert sein, während gleichzeitig noch Handelshemmnisse im Güterverkehr bestehen (vgl. Blank et al. 1998: 124). Nach der Bildung einer Wirtschafts- und Währungsunion ist als letzte, vollkommene Form der Integration die vollständige Verschmelzung der Mitgliedstaaten zu einem einzigen Bundesstaat bzw. einer politischen Union zu nennen. Hier geben die Mitgliedsländer ihre politische Souveränität vollständig auf und übertragen Entscheidungs- und Handlungskompetenzen an gemeinschaftlich gebildete Institutionen (vgl. Blank et al. 1998: 34 und Baßeler et al. 2010: 692).

 

Den dargestellten Integrationsformen ist gemein, dass der Abbau staatlicher Diskriminierungen sich nur auf die teilnehmenden Länder bezieht. Gegenüber Drittländern können protektionistische Maßnahmen beibehalten oder sogar eingeführt werden. Daraus folgt, dass Integration nicht unbedingt für die Mitgliedsländer und den Rest der Welt (Rest of the World, RoW) wohlfahrtssteigernd ist. Im Falle einer partiellen Integration wird daher von einer second-best-Lösung gesprochen. Freihandel zwischen sämtlichen Ländern wird dagegen als first-best-Lösung bezeichnet (vgl. Blank et al. 1998: 35). Im Folgenden werden nun die Motive und die Auswirkungen der ökonomischen Integration behandelt.

 

Ökonomische Integration bringt Auswirkungen mit sich, die nach dem von Viner entwickelten Konzept der Handelsschaffung und Handelsumlenkung erfasst werden (vgl. Viner 1950). Eine Handelsschaffung ergibt sich, wenn der im Integrationsraum etablierte Freihandel dazu führt, dass vermehrt vergleichsweise billige Importe auf einem oder mehrere Märkten der Mitgliedsländer abgesetzt werden (vgl. Blank et al. 1998: 58-59). Mit einer FHZ werden Zölle und andere Handelshemmnisse für Güter mit Ursprung im Integrationsraum abgebaut, während sie für Güter aus Drittländern bestehen bleiben oder aufgebaut werden. Dies kann eine Substitution der Importe aus Drittländern bewirken und beschreibt die handelsumlenkende Wirkung der Integration (vgl. Blank et al. 1998: 58). Per Saldo ist dann entscheidend, ob die positiven Effekte der Handelsumlenkung oder die negativen Wirkungen der Handelsumlenkung überwiegen (vgl. Baßeler et al. 2010: 693).

 

Eine Analyse der Wohlfahrtswirkungen ökonomischer Integration erfolgt im nächsten Abschnitt. An dieser Stelle sollen zunächst noch einmal die Vor- und Nachteile ökonomischer Integration hervorgehoben werden. Neben der oben angesprochen verbesserten Allokation von Ressourcen durch internationale Arbeitsteilung und dem Einsatz der Produktionsfaktoren entlang der komparativen und absoluten Kostenvorteilen (Spezialisierung) ergeben sich mit der Etablierung von Freihandel eine Reihe weiterer positiver Auswirkungen (vgl. Blank et al. 1998, S. 36-38 und Baßeler et al. 2010: 581):

 

Transaktionskosten: Sinken beispielsweise aufgrund des Wegfalls von Zoll- und Grenzformalitäten und sorgen für einen verbesserten Marktzugang und damit einer Verschärfung des Wettbewerbs.

 

Skalenerträge: Können durch eine Vergrößerung des Absatzmarktes realisiert werden und verbessern die Wettbewerbsposition gegenüber Anbietern aus.

 

Konsum: Das Angebot wird von Produkten ausländischer Anbieter ergänzt; Verschärfung des Wettbewerbs und Skalenerträge sorgen für preisgünstigere Produkte.

 

Innovation: Die Verschärfung des Wettbewerbs veranlasst Unternehmen Verfahrens- und Produktinnovation einzuführen.

 

Einsparungen: Der beschleunigte Transfer von Know-how und Verfahrens- und Produktinnovationen kann Mehrfachausgaben im Bereich der Forschung und Entwicklung vermeiden.

 

Wachstumsimpulse: Neben den Vorteilen der gemeinsamen Rahmenbedingungen und Marktstrukturen, können Drittländer geneigt Investitionen im Integrationsgebiet zu tätigen, um NTBs zu umgehen.

 

Leistungsbilanz: Eine Erhöhung der Terms of Trade kann die Leistungsbilanzen der Mitgliedsländer verbessern.[20]

 

Internationale Verhandlungsposition: Aufgrund der wachsenden Bedeutung des gemeinsamen Wirtschaftsraums in der Weltwirtschaft verbessert sie...

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