Anders als bei den vorausgehend vorgestellten Studien, die sich vorwiegend auf die Feststellung von Klimaskeptizismus konzentrieren, ist das Forschungsinteresse der vorliegenden Arbeit etwas breiter gefasst. Es liegt allgemein bei den „Bremsern“ von nationalen Gesetzen oder internationalen Abkommen zum Klimaschutz – also bei Akteuren, die trotz der Notwendigkeit von Klimaschutzmaßnehmen eine Haltung des Nichthandelns zu legitimieren versuchen. Ausgerichtet an diesem Forschungsinteresse wurde in den vorausgehenden Kapiteln ein theoretischer Kontext erarbeitet, verschiedene Framing-Ansätze vorgestellt und ein methodisches Framework aus der relevanten Forschungsliteratur abgeleitet. Wie am Ende des vorausgehenden Kapitels ausgeführt, wurde für die vorliegende Studie ein Framing-Ansatz entwickelt, der die separate Erhebung von Akteur, Haltung gegenüber dem klimawissenschaftlichen Konsens, politische Position und Frame erlaubt. Auf dieser Basis werden im Folgenden zentrale Forschungsfragen formuliert (3.1) und davon wiederum Hypothesen (3.2) abgeleitet.
Wie im vorausgehenden Kapitel ausgeführt, ist die Frage nach der Legitimation des Nichthandelns nicht mit einer skeptizismuszentrierten, sondern mit einer akteurszentrierten Perspektive anzugehen. Die zentrale Forschungsfrage lautet also:
Wie kommunizieren gesellschaftliche Akteure strategisch, um eine Haltung des Nichthandelns zu legitimieren?
Um diese Frage zu beantworten, müssen Akteure und ihre Äußerungen erfasst werden. Dazu wird ein Messinstrument angewendet, das die Erfassung von Akteuren und ihrer Haltung gegenüber der Klimawissenschaft ermöglicht. Die möglichen Ausprägungskombinationen der Kategorien Gesellschaftsbereich und Minimalkonsens Anthropogenität wurden vorausgehend als Akteurstypen bezeichnet. Die Analyse der Akteurstypen erlaubt Rückschlüsse auf die Verbreitung von Skeptizismus gegenüber dem IPCC-Konsens. In einem ersten Schritt gilt es also festzustellen, welche dieser Akteurstypen in der Klimadebatte am häufigsten vorkommen – und somit die öffentliche Debatte vermeintlich am stärksten beeinflussen. Die erste Forschungsfrage lautet also:
F1: Welche dominanten Akteurstypen lassen sich identifizieren?
Um die Frage zu beantworten, wie gesellschaftliche Akteure strategisch kommunizieren, um eine Haltung des Nichthandelns zu legitimieren, wird noch ein weiteres Messinstrument eingesetzt. Dieses erlaubt die separate Erfassung von politischen Positionen und dem Argumentatrium (Frame), das zur Legitimation dieser Position eingesetzt wird. Die möglichen Ausprägungskombinationen der Kategorien Politische Position und Frame wurden vorausgehen als Argumentationstypen bezeichnet. Die Analyse der Argumentationstypen erlaubt eine Einschätzung der zentralen Treiber des Nichthandelns. In einem zweiten Schritt gilt es also festzustellen, welche dieser Argumentationstypen in der Klimadebatte am häufigsten vorkommen – und somit die öffentliche Debatte vermeintlich am stärksten beeinflussen. Die zweite Forschungsfrage lautet also:
F2: Welche dominanten Argumentationstypen lassen sich identifizieren?
In diesen zwei Schritten können Akteure (anhand des Gesellschaftsbereichs, dem sie angehören), ihre Haltung zum wissenschaftlichen Konsens, die politische Position die sie vertreten und das Argumentarium, das sie zu deren Legitimation verwenden, erfasst werden. Die möglichen Ausprägungskombinationen von Akteurstypen und Argumentationstypen wurden als Kommunikationstypen bezeichnet. Die Analyse der Kommunikationstypen erlaubt Rückschlüsse auf das Kommunikationsverhalten gesellschaftlicher Akteure, indem ihre politische Position mit ihrer Haltung gegenüber der Klimawissenschaft sowie mit dem legitimierenden Argumentatrium in Zusammenhang gebracht werden. In einem dritten Schritt gilt dementsprechen festzustellen, welche dieser Kommunikationstypen in der Klimadebatte am häufigsten vorkommen – und somit die öffentliche Debatte vermeintlich am stärksten beeinflussen. Daraus folgt die dritte Forschungsfrage:
F3: Welche dominanten Kommunikationstypen lassen sich identifizieren?
Die Beantwortung dieser drei Forschungsfragen stellt die Basis dar, um weitere Fragen zur Rolle der Regulationsgegner und zur Bedeutung von Klimaskeptikern zu stellen. Um die Frage nach der Legitimation des Nichthandelns weiter zu erörtern, muss in einem ersten Schritt festgestellt werden, welchen Anteil die Regulationsgegner an der Klimadebatte verzeichnen. Deshalb lautet die vierte Forschungsfrage:
F4: Wie groß ist der Anteil der Regulationsgegner an der Klimadebatte?
Wie anhand der aufgearbeiteten Forschungsliteratur gezeigt wurde, wird die Verbreitung von wissenschaftlicher Unsicherheit als zentrale Strategie der Regulationsgegner erachtet. In der vorliegenden Arbeit steht jedoch die Erörterung jeglicher Formen des Nichthandelns – oder des non-decision-making – im Zentrum. Deshalb ist zu untersuchen, welchen Anteil die Klimaskeptiker an der Gruppe der Regulationsgegner einnehmen. Die fünfte und letzte Forschungsfrage lautet also:
F5: Wie groß ist der Anteil der Klimaskeptiker an den Regulationsgegnern?
Geleitet vom Forschungsinteresse und der besprochenen Literatur wurden im vorausgehenden Teilkapitel zentrale Forschungsfragen formuliert. Im Folgenden geht es nun darum, davon empirisch überprüfbare, theoriegeleitete Hypothesen zu den Akteurstypen (3.2.1), den Argumentationstypen (3.2.2), den Kommunikationstypen (3.2.3) und der Legitimation des Nichthandelns (3.2.4) abzuleiten.
Forschungsfrage 1 will klären, welche dominanten Akteurstypen in der Klimadebatte identifizierbar sind. Es gilt zu prüfen, ob bestimmten Gesellschaftsbereichen typische Haltungen gegenüber dem Konsens zugeordnet werden können. Weil die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Gesellschaftsbereich die Haltung gegenüber der Klimawissenschaft eines Akteurs beeinflussen kann und nicht umgekehrt, ist die Kategorie Gesellschaftsbereich als unabhängige, die Kategorie Minimalkonsens Anthropogenität als abhängige Variable anzusehen. Dabei ist zu beachten, dass sich in der Äußerung eines Akteurs nicht zwingend seine Haltung gegenüber dem Konsens manifestiert. Wenn es also in den folgenden Hypothesen heißt, Akteure die einem bestimmten Gesellschaftsbereich angehören, würden „größtenteils“ mit dem Minimalkonsens übereistimmen, bezieht sich dies auf die Summe der Fälle, in denen auch ein Haltung gegenüber dem Konsens erkennbar ist. In der Literatur finden sich folgende Hinweise, an denen sich die Hypothesen ausrichten lassen:
Da der klimawissenschaftliche Diskurs von einem breiten Konsens geprägt ist (vgl. Anderegg et al. 2010; Cook et al. 2013; IPCC 2007; Oreskes 2004; Weart 2011), kann erwartet werden, dass sich dies in Äußerungen von Wissenschaftsakteuren entsprechend niederschlägt:
H1.1: Wissenschaftsakteure stimmen größtenteils mit dem Minimalkonsens überein.
Brüggemann/Engesser (2014) beschreiben eine interpretive community zwischen Klimawissenschaftlern und Journalisten. Somit muss geprüft werden, ob auch Medienakteure größtenteils mit dem klimawissenschaftlichen Konsens übereinstimmen.
H1.2: Medienakteure stimmen größtenteils mit dem Minimalkonsens überein.
Skeptischen Think-Tanks und Frontgruppen wird in verschiedenen Studien maßgebender Einfluss auf die Klimadebatte zugeschrieben (vgl. z.B.Dunlap 2013; Oreskes/Conway 2010). Diese Erkenntnis darf jedoch nicht verallgemeinert werden, denn die genannten Arbeiten befassen sich spezifisch mit klimaskeptischen Akteuren. Zivilgesellschaftliche Akteure im Allgemeinen gelten vielmehr als zentrale Kommunikatoren des Umweltaktivismus (vgl. Schmidt 2012). Gemessen an den unzähligen Nichtregierungsorganisationen (NGO) und soziale Bewegungen (SMO) die sich für den Klimaschutz einsetzen (Lipschutz/McKendry 2011) muss erwartet werden, dass die Skeptiker in der Unterzahl sind und zivilgesellschaftliche Akteure größtenteils mit dem klimawissenschaftlichen Konsens übereinstimmen:
H1.3: Zivilgesellschaftliche Akteure stimmen größtenteils mit dem Minimalkonsens überein.
Studien zur Einstellung von Wirtschaftsakteuren zur Klimawissenschaft kommen je nach Fokus auf abweichende Erkenntnisse. Dunlap (2013) und Dunlap/McCright (2011) identifizieren beispielsweise (primär nordamerikanische) Industrieakteure als zentrale Treibkraft hinter dem Klimaskeptizismus. Schlichting (2013) attestiert hingegen im Speziellen europäischen Industrieakteuren eine hohe Akzeptanz gegenüber der Klimawissenschaft. Dies deckt sich mit der Erkenntnis von Pulver (2011), wonach die Klimawissenschaft von Großunternehmen mittlerweile weitgehend unbestritten sei. Daher...