„Globalisierung bezeichnet weltweite Verflechtungs-, Austausch- und Abhängigkeitsprozesse, Kommunikations- und Transportmittel sind dabei besonders bedeutsam für die weltumspannenden Ströme von Finanzkapital, Waren, Technologien, Menschen und Ideen. Globalisierung hat nicht nur vereinheitlichende Wirkung, sondern geht auch mit kreativer Aneignung oder Widerstand einher und produziert alte und bringt neue Unterschiede hervor. Dass diese Verflechtungen und Auswirkungen weltweit im wissenschaftlichen und im Alltagsleben spürbar und bewusst sind, ist – im Unterschied zu früheren überlokalen Interaktionen – ein wesentliches Merkmal der gegenwärtigen Phase der Globalisierung.“[18]
Aus dieser Definition kann die Besonderheit der aktuellen Globalisierungsphase entnommen werden, die 1990 begonnen hat[19], nämlich dass Globalisierung im Alltagsleben nicht nur spürbar, sondern auch bewusst wahrgenommen wird. In erster Linie werden die Phänomene Ökonomie, Politik und Recht als Kernbereiche der Globalisierung in der allgemeinen Wahrnehmung angesehen. Andere Phänomene, die eine Forschungsberechtigung haben, sind z. B. Kriegsformen, Religion, Natur, Technik.[20] In dieser Arbeit steht vornehmlich das Phänomen Ökonomie im Fokus. Welche Faktoren die ökonomische Globalisierung früher und heute kennzeichnen, soll im weiteren Verlauf noch verdeutlicht werden.
In wirtschaftswissenschaftlichen Zusammenhängen wurde der Begriff schon während der zweiten Globalisierungswelle (1945-1989/90)[21] in den späten 1950er und frühen 1960er Jahren verwendet. Mit dem Begriff sollten Phänomene bezeichnet werden, die ursprünglich regional bzw. national waren, aber im Laufe der Zeit globale Züge annahmen.[22]
Die erste Globalisierungsphase umfasst den Zeitraum zwischen 1840 und 1914.[23] Festzustellen ist nun, dass der Zeitraum zwischen 1914 und 1945 weder zur ersten noch zur zweiten Globalisierungsphase zählt, denn in dieser schwierigen Zeit, in der zwei Weltkriege stattfanden, zeichnete sich eine gegenläufige Entwicklung ab.[24] Der Zeitraum von 1500 bis 1840 wird mit dem Begriff Protoglobalisierung bezeichnet. Mit der Entdeckung Amerikas im Jahr 1492 und der erfolgreichen Umsegelung des afrikanischen Kontinents 1498, die direkte Handelsbeziehungen mit Ländern wie Indien ermöglichte ohne einen Zwischenhandel mit den Osmanen, begann die Erschließung des Globus sowie die Kolonialisierung.[25] In dieser Zeit waren wirtschaftliche und politische Beweggründe untrennbar miteinander verbunden. Für die Herrscher dienten wirtschaftliche Erfolge der Erhöhung finanzieller Ressourcen, die nötig waren, um die eigene Macht zu festigen bzw. auszuweiten. Daher waren die Monarchen darum bemüht, neue gewinnbringende Handelsbeziehungen zu knüpfen.[26] Sie scheuten sich nicht davor, die neuen Gebiete aufgrund besonderer Vorkommen wie Edelmetalle auszubeuten und die einheimische Bevölkerung als profitable Ware anzusehen. Der Handel mit Sklaven kann daher als „Basis für die Entstehung von Industrialisierung und Kapitalismus in Europa“[27] gewertet werden. Innerhalb von 420 Jahren (1450-1870) wurden etwa 10,2 Millionen afrikanische Sklaven in der Karibik sowie in Nord- und Südamerika auf Baumwollplantagen als Baumwollpflücker oder in wohlhabenden Haushalten als Bedienstete eingesetzt.[28] „Sklavenhandel und Kolonialisierung waren die erste systematische ökonomische Globalisierungspraxis.“[29] Die technischen Voraussetzungen, die diese Praxis ermöglicht haben, sind zum einen der fortschrittliche Schiffsbau, der enorme Transportkapazitäten freisetzte, sowie die überlegene Waffentechnik. Mit Hilfe von Schießpulver waren die Eroberer den Einheimischen überlegen.[30]
Es war die Zeit des Merkantilismus, in der die Monarchen die Regierungspolitik auf die Förderung der eigenen Volkswirtschaft abstimmten. Sie erhofften sich durch eine verbesserte Volkswirtschaft Mehreinnahmen in Form von Steuer- und Zolleinnahmen. Gleichzeitig wollten die Regierenden die Außenwirtschaft dahingehend beeinflussen, mehr zu exportieren als zu importieren, denn durch den Export konnte ein Zufluss von Edelmetallen verzeichnet werden. Die Strategie zur Exportförderung „war und ist die ›beggar-my-neighbour-strategy‹“[31], die eine Bereicherung auf Kosten anderer darstellt. Möglichkeiten der Exportförderung sind z. B. Subventionierungen sowie hohe Zölle zur Verminderung von Importen.[32] In Deutschland sind auch heute noch merkantilistische Züge zu erkennen, etwa wenn die Kanzlerin verkündet, dass Deutschland wieder Exportweltmeister sei. Jedoch bezahlt heute niemand mehr mit Edelmetallen. Damals waren Edelmetalle in vielen Ländern so begehrt, dass sie als erstes internationales Zahlungsmittel akzeptiert wurden. Später, als das Gold bei Goldschmieden hinterlegt wurde, weil es zu wertvoll war, um es bei sich zu tragen, ist man dazu übergegangen, mit einer Art Banknote zu bezahlen. Der Goldschmied hat dem Besitzenden eine Quittung über den Goldbestand ausgestellt und mit dieser Quittung konnte man bezahlen.[33]
Neben dem Handel, der vor der Industrialisierung im Fokus der Gewinnorientierten stand, ist während der Industrialisierung die Produktion dazu gekommen. Im gleichen Zuge entfernte man sich vom Merkantilismus und näherte sich dem Liberalismus, dessen Kennzeichen der Freihandel ist. In eben dieser Zeit entstand auch die klassische Wirtschaftstheorie, die bis heute maßgeblich ist.[34]
2.2 Klassische Wirtschaftstheorie
Als „Vater der Nationalökonomie“ ging Adam Smith (1723-1790) in die Geschichte ein. Nach Smith wirken in einer liberalen Marktwirtschaft zwei Prinzipien: Freiheit und Notwendigkeit. Es seien sowohl notwendige ökonomische Gesetze als auch die Zurückhaltung des Staates wichtig, damit die Wirtschaft sich frei entfalten könne. Smith ging davon aus, dass jedes Individuum auf seinen persönlichen Vorteil bedacht und durch das eigennützige Vorgehen dem Allgemeinwohl gedient sei.[35]
David Ricardo (1772-1823) sieht im Kapitalismus nicht die Harmonie, die Smith erkannt haben will, vielmehr erkennt Ricardo die Verteilungsproblematik des Wertes des Produkts auf die drei Klassen: Arbeiter, Unternehmer und Bodenherrn, wobei für Ricardo der Grundherr als Sieger aus dem Klassenkampf hervorgeht. Auch wenn Ricardo die Ungerechtigkeit, die der Kapitalismus hervorbringt, erkannt hat, sah er im Kapitalismus eine Wirtschaftsform, die der Natur des Menschen entspreche und den größten Reichtum produziere.[36] Neben der Problematik der Verteilung des Volkseinkommens auf die Klassen der Gesellschaft hat sich Ricardo mit dem Währungsproblem beschäftigt. England verwendete zu der Zeit eine Goldwährung. Im Umlauf waren sowohl Münzen aus Gold als auch durch Gold gedeckte Banknoten, zudem war Gold selbst eine Ware, die teuer war.[37] Außerdem gilt Ricardo als Mitbegründer der „Quantitativen Geldtheorie“ die besagt, dass ein Land den nötigen Bedarf mit entsprechend viel Geld abdecken kann. Das bedeutet: Wenn eine bestimmte Geldmenge auf eine bestimmte Warenmasse trifft, ergibt sich „aus dem Verhältnis zwischen Geld und Waren […] der Preis.“[38] Sollte die Geldmenge variieren, verändern sich die Preise entsprechend. Wenn weniger Geld im Umlauf ist, sinken die Preise und wenn mehr Geld zirkuliert, steigen die Preise. Auch wenn sich die Umlaufgeschwindigkeit einer Banknote verändert, hat das Auswirkungen auf die Preise. Wird mit einer Banknote mehr umgesetzt, als zu einem früheren Zeitpunkt, z. B. statt zehnmal zwölfmal, kommt das einer Erhöhung der Geldmenge gleich und die Preise steigen. Die Preise fallen, wenn eine Banknote weniger Umsatz verursacht, also statt zehnmal nur achtmal umgesetzt wurde.[39] Durch die Regulierung der Geldmenge kann man sowohl gegen eine Inflation (steigende Geldmenge – steigende Preise bzw. Verlust der Kaufkraft des Geldes) als auch gegen eine Deflation (verminderte Geldmenge – sinkende Preise bzw. Kaufkraft des Geldes steigt) intervenieren.
Neben der Geldtheorie ist Ricardo unabhängig von dem Ökonomen Jean-Baptiste Say (1767-1832), der das nach ihm benannte Theorem aufstellte, dass sich jedes Angebot seine eigene Nachfrage schafft, zu der Erkenntnis gekommen, dass jeder Mensch in seinem Begehren unersättlich sei und es deshalb nicht zu einem Überangebot kommen könne, so dass eine Absatzkrise nicht entstehen könne. Sowie Güter hergestellt werden, wird im gleichen Maße das erforderliche Geld produziert, um die Waren zu erwerben. Das würde voraussetzen, dass Geld nur durch die reine Produktion von Waren entsteht. Daraus zog Ricardo den Schluss, dass Güter immer abgesetzt würden und so eine dauerhafte Arbeitslosigkeit nicht entstehen könne. Diesem Lehrsatz vom generellen Gleichgewicht folgten die Neoliberalen und forderten deshalb eine Beweglichkeit der Löhne und Preise, und zwar nach unten. Die Anhänger des Ökonomen...