Im vorigen Kapitel wurde das nationale Recht in den Blick genommen. In diesem Abschnitt wird das transnationale Recht der Vertragsstaaten behandelt insbesondere das Menschenrecht auf Bildung. Menschenrechte sind nicht nur Schutz- sondern auch Entwicklungsinstrumente. Demnach sollen Menschen ein selbstbestimmtes Leben in Gleichberechtigung führen können. Für die Entwicklung von Menschenrechten sind drei Tatsachen von Bedeutung: Erfahrung von Unrecht, Protest sowie die Idee es zu verändern. Der Mensch wird zum Träger der gleichen und unveräußerlichen Rechte. Nicht alle Menschenrechte kann man einklagen. Im Falle ihrer Verletzung ermöglichen sie eine Ausübung von effektiver Kritik, welche einen öffentlichen Druck herbeiführen kann. Menschenrechte bieten einen rechtlichen Rahmen für das Verhältnis Bürger zu Staat sowie moralische Standards für das Leben der Menschen miteinander (Fritzsche 2009, 146). Die Realisierung der Menschenrechte stellte eine Voraussetzung sowohl für die individuelle sowie gesellschaftliche Entwicklung dar und für die Befriedigung von sinnlich- vitalen und produktiven Bedürfnissen des Menschen. Soziale Arbeit steht vor der Aufgabe, die Individuen genau dort zu unterstützen, wo die adäquate Bedürfnisbefriedigung in Rahmen der Gesellschaft nicht gelingt. Soziale Arbeit als Menschenrechtsprofession kann nicht ohne politisches Engagement erfolgen (Burkhardt- Eggert 2012 285).
Der Mensch bedarf der Bildung, um als Subjekt sich entsprechend entfalten zu können (Kunze 2013, 17). Das Recht auf Bildung zählt zu den Menschrechten. Demnach hat jeder das Recht auf Bildung. Dieses ist in der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinigten Nationen vom Jahr 1948 niedergeschrieben und konstatiert somit den historischen Paradigmenwechsel von einem Verständnis von Bildung als Privileg des Einzelnen hin zu einem Recht für alle. Weitere Kodifizierungen wurden in der Folgezeit festgelegt: im Art. 13 des Internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte vom Jahr 1966, im Artikel 28 der UN- Kinderrechtkonvention vom 1989 sowie in weiteren Menschenrechtskonventionen. Das Recht auf Bildung umfasst mit seiner Gültigkeit alle Menschen. Grundlage dafür bildet die unantastbare Menschenwürde. Menschenrechte sollen allen Menschen unverletzlich, unveräußerlich und unabhängig von staatlicher Anerkennung zustehen. Positiv rechtlich verbürgt waren sie zuerst in der Virginia Bill of Rights von 1776, in der amerikanischen Bundesverfassung als Zusatzartikel von 1790 sowie in der französischen Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789. In Deutschland haben sie Eingang gefunden als Grundrechte in der konstitutionellen Frankfurter Reichsverfassung von 1848 und in der Weimarer Reichsverfassung von 1919 (Welti 2011, 589). Dr. jur. habil Felix Welti ist Professor an der Universität Kassel im Fachbereich Sozialwesen. Er geht auf die Unverletzlichkeit der Menschenwürde ein:
„Im Grundgesetz steht die Gewährleistung von Grundrechten unter der Verpflichtung aller staatlichen Gewalt, die unantastbare Menschenwürde zu achten und zu schützen und dem Bekenntnis zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten (Art.1 Abs.2 GG)“ (Welti 2011, 590).
Auf der internationalen Eben wurden Menschenrechte zunächst nur grundsätzlich deklariert als Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen von 1948. Im völkerrechtlichen Sinne sind zur Anerkennung der Menschenrechte in Deutschland mehre Verträge ratifiziert worden unter anderem der Sozialpakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (Welt 2011, 590).
Art. 13 des Sozialpaktes definiert:
„(1) Die Vertragsstaaten erkennen das Recht eines jeden auf Bildung an. Sie stimmen überein, dass die Bildung auf die volle Entfaltung der menschlichen Persönlichkeit und des Bewusstseins ihrer Würde gerichtet sein und die Achtung vor den Menschenrechten und Grundfreiheiten stärken muss. Sie stimmen ferner überein, dass die Bildung es jedermann ermöglichen muss, eine nützliche Rolle in einer freien Gesellschaft zu spielen, dass sie Verständnis, Toleranz und Freundschaft unter allen Völkern und allen rassischen, ethnischen und religiösen Gruppen fördern sowie die Tätigkeit der Vereinten Nationen zur Erhaltung des Friedens unterstützen muss.
(2) Die Vertragsstaaten erkennen an, dass im Hinblick auf die volle Verwirklichung dieses Rechts
a. der Grundschulunterricht für jederman Pflicht und allen unentgeltlich zugänglich sein muss;
b. die verschiedenen Formen des höheren Schulwesens einschließlich des höheren Fach– und Berufsschulwesens auf jede geeignete Weise, insbesondere durch allmähliche Einführung der Unentgeltlichkeit, allgemein verfügbar und jedermann zugänglich gemacht werden müssen;
c. der Hochschulunterricht auf jede geeignete Weise, insbesondere durch allmähliche Einführung der Unentgeltlichkeit, jedermann gleichermaßen entsprechend seinen Fähigkeiten zugänglich gemacht werden muss;
d. eine grundlegende Bildung für Personen, die eine Grundschule nicht besucht oder nicht beendet haben, so weit wie möglich zu fördern oder zu vertiefen ist;
e. die Entwicklung eines Schulsystems auf allen Stufen aktiv voranzutreiben, ein angemessenes Stipendiensystem einzurichten und die wirtschaftliche Lage der Lehrerschaft fortlaufend zu verbessern ist…“ (UN Sozialpakt Art.13,).
Lange Zeit galten die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte im Gegensatz zu bürgerlichen und politischen Rechten als keine „echten“ Rechte und konnten somit keine individuelle Rechtsposition begründen. Sie nahmen den Charakter von Programmsätzen oder rechtpolitischen Bestimmungen. Diese Auffassung änderte sich, was dazu führt, dass auch diese Kodierungen einklagbare Elemente enthalten (Cremer 2009 a, 6). Die Umsetzbarkeit des Rechtes auf Bildung ist mit gewissen Verpflichtungen des Vertragsstaates verbunden. Gemeint sind hier Achtungs- Schutz- und Gewährleistungspflichten, die zur Umsetzung dieser Rechte notwendig sind. Als Gewährleistungspflichten sind Maßnahmen gemeint, die finanziellen oder strukturellen Charakter haben. Die Schutzpflichten sollen beispielsweise während des Schulbesuchs vor Übergriffen oder Belästigungen schützen. Bei den Achtungspflichten des Staates handelt es sich um die Pflicht diese Maßnahmen zu unterlassen, die in die Rechte eingreifen. Im Kontext des Rechtes auf Bildung sei es zu vermeiden den Zugang zur Schulbildung zu erschweren (ebd.). Im Zusammenhang mit den Schutzpflichten haben die Staaten die Aufgabe sicher zu stellen, dass Eltern ihre Kinder nicht am Schulbesuch hindern. Im Sinne der Achtungspflichten ist festzuhalten, dass der Staat nicht entscheiden darf, ob ein Kind Zugang zur Schule haben soll oder nicht (Cremer 2009a, 7). Das Recht auf Zugang zu Bildungsinstitutionen behält seine Gültigkeit auch nach Ende der Schulpflicht und nach dem Eintritt der Volljährigkeit. Diese Gegebenheiten finden ihre rechtliche Grundlagen insbesondere im Artikel 13 des Sozialpaktes, in dem keine altersgemäße Einschränkungen vorgesehen werden. Infolge dessen, soll der Bereich des „höheren Schulwesens“ für alle zugänglich sein (ebd.).
Die polnische Regierung hat die UN- Kinderrechtkonvention initiiert. Im Jahr 1978 hat ein Vertreter der polnischen Delegation in der Menschenrechtskommission des UN-Wirtschafts- und Sozialrates vorgeschlagen, diese als verbindliche Übereinkommen zur Ratifikation bei Vertragsstaaten zu übergeben. Das Jahr 1979 wurde von den Vereinigten Nationen als „Internationales Jahr des Kindes“ proklamiert, daher sollte die „Konvention über die Rechte des Kindes“ schon in dem gleichen Jahr von der Generalversammlung verabschiedet werden. Dies ist aber nicht zu Stande gekommen. Die westlichen Staaten förderten eine Überarbeitung, die vor allem den familiären Schutz des Kindes mehr berücksichtigt. Im Oktober 1979 wurde von der polnischen Delegation ein neuerer veränderter Entwurf vorgestellt, wo auch politische und bürgerliche Rechte ausformuliert worden waren. Die Menschenrechtkommission hatte eine Arbeitsgruppe beauftragt, einen Konventionstext auszuarbeiten. Am 20 November 1989 wurde die Kinderrechtkonvention von der Generalversammlung der Vereinigten Nationen verabschiedet. Sie trat am 2 September 1990 in Kraft (Cremer 2009b, 159f).
Im Artikel 28 der UN- Kinderrechtkonvention ist das Recht des Kindes auf Bildung kodifiziert (Cremer 2009a, 8). Bis zum Jahr 2010 hat Deutschland die daraus resultierenden Verpflichtungen mit einem Vorbehalt gegen ausländische Kindern eingeschränkt. Nach 20 Jahren der Deklaration und 10 Jahren bundesweiten PRO- ASYL Kampagne „Alle Kinder haben Rechte“ wurde am 15. Juli 2010 die Rücknahme zu UN- Kinderechtkonvention in New York rechtsverbindlich festgehalten mit dem Ziel, in Deutschland lebenden Flüchtlingskindern dieselben Rechte zu gewähren wie den anderen Kindern (Kaufmann 2012, 8). Laut dem Artikel 1 der UN- Kinderrechtkonvention werden Kinder als junge Menschen bis zum 18. Lebensjahr bezeichnet. Deutschland als einziger Staat in der Welt enthält den Schutz der Konvention ab dem 16. Lebensjahr. Demzufolge sind diese Menschen rechtlich handlungsfähig und benötigen keinen...