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E-Book

Populäre Religion

Auf dem Weg in eine spirituelle Gesellschaft

AutorHubert Knoblauch
VerlagCampus Verlag
Erscheinungsjahr2009
Seitenanzahl311 Seiten
ISBN9783593405612
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis27,99 EUR
Wandern auf dem Jakobsweg, New Age, Feng-Shui und Engelskult: Die individuelle Suche nach Spiritualität, so zeigt Hubert Knoblauch in diesem Buch, stellt die neue Sozialform des Religiösen dar. Ihren Kern bilden besondere Erfahrungen der Transzendenz, die nicht mehr nur in freikirchlichen Gemeinden oder esoterischen Zirkeln gepflegt werden, sondern tief in die Alltagskultur hineinreichen. Gleichzeitig nehmen heute auch die Kirchen gezielt Formen der populären Kultur auf, wie etwa die Auftritte des Papstes in den Medien zeigen. Hubert Knoblauch beleuchtet das ganze Spektrum kirchlicher, populärer und esoterischer Spiritualität in der Gegenwart. Angesichts dessen konstatiert er einen grundlegenden Wandel der Religion, der zur Auflösung der alten Grenzen von sakral zu profan geführt hat. Der gesellschaftliche Fluchtpunkt dieses Wandels ist das aufgewertete Subjekt und seine individuelle Sinnsuche.

Hubert Knoblauch ist Professor für Allgemeine Soziologie an der Technischen Universität Berlin.

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Leseprobe
Vorwort Dieses Buch behandelt ein sehr aktuelles Phänomen, doch hat es auch eine Vorgeschichte. Als ich vor mehr als 20 Jahren mein erstes eigenes Soziologie-Seminar zur Religion abhielt, nannte ich es: 'New Age, Esoterik und Okkultismus'. Ich hatte meinen Lehrer Thomas Luckmann überredet, dieses Thema zu behandeln, weil ich unter diesem Titel einige auffällige Entwicklungen vermutete. Selbst in einer religiösen Umgebung groß geworden, war ich in meiner Jugendzeit - mit einem Großteil meiner Kohorte - von der kirchlichen Religion abgefallen. Zwar hatte ich noch den Religionsunterricht besucht und in konfessionellen Jugendgruppierungen mitgearbeitet, doch war mir die kirchliche Religion immer antiquierter erschienen, und zwar gerade auch dann, wenn sie sich vermeintlich zeitgenössischer Formen wie der 'Beat-Messe' oder der 'Jugendmesse' bediente. So wenig ich mit dieser Art der Erneuerung anfangen konnte, so sehr schien mir dagegen die Diagnose von Thomas Luckmann zuzutreffen: Dass die alte Form der Religion (und darin inbegriffen auch das damals taufrische Aggiornamento des Katholizismus) nicht mehr so recht in die Zeit passte, ohne dass damit die Religion selbst verloren zu gehen schien. Diese Diagnose fand auch bald einen sichtbaren Ausdruck in einer Reihe von Phänomenen: 'Jugendreligionen', 'New Age', 'Esoterik' und (auch 'Jugend'-)'Okkultismus'. Freilich muteten diese Bewegungen damals noch als modische Erscheinungen an, und ich konzentrierte mich deswegen in meiner Dissertation auf eine etwas bodenständigere Form der unsichtbaren Religion: Die 'unsichtbare Strahlenwelt' der Wünschelrutengänger und Pendler, die sich als viel moderner herausstellte, als ihr folkloristisches Klischee vermuten ließ: als eine moderne Form, genauer: eine modernisierte Form der Magie. Obwohl die Arbeit über weite Strecken ethnographisch war, begeisterte mich selbst die historische Dimension: Das Wünschelrutengehen war nämlich nicht erst mit dem 'New Age' wieder modern geworden. Es war auch nicht, wie man mit Weber hätte vermuten können, mit der Moderne 'entzaubert' worden. Vielmehr zeigte sich sehr deutlich, wie es sich an die Moderne angepasst hatte: Es hatte schon im frühen 20. Jahrhundert die Organisationsform des bürgerlichen Vereins und Betriebes angenommen, verlagerte seinen Gegenstand auf das urbane und kommerziell besser verwertbare Heilwesen ('Krebs'), vollzog allmählich auch eine Theoretisierung und Verwissenschaftlichung, und geriet dabei in die Nachbarschaft des New Age. Obwohl ich damals schon ahnte, wie ungewöhnlich und umwälzend die These war, dass die Moderne keineswegs durch die Entzauberung zu kennzeichnen war, erwies sich mein Gegenstand doch offenbar als zu marginal, um sie schon überzeugend belegen zu können. Jedenfalls wurde die These nur zögernd aufgenommen. Deswegen erschien es mir ratsamer, meinen Blick auf andere Phänomene zu richten, die damals in der akademischen Welt mehr Aufmerksamkeit auf sich zogen als religiöse Themen. Das New Age wäre zwar gewiss ein reizvoller Gegenstand gewesen, doch war die Religion vor 20 Jahren in der Soziologie nur ein Randthema. Auch in der bundesdeutschen Öffentlichkeit ging man noch so selbstverständlich vom Absterben der Religion aus, dass der Beschäftigung mit ihr beinahe etwas Morbides anhaftete, und wer sich dazu noch mit marginalen Formen der Religion beschäftigte, lief schnell Gefahr, selbst marginalisiert zu werden. Diese Marginalisierung wurde von jenen noch befördert, die mit aufwändigem Zahlenwerk beweisen zu können glaubten, dass New Age, Esoterik und all die anderen religiösen Erscheinungen im Lichte des zahlenmäßig zu erfassenden großen Ganzen vernachlässigbar seien - eine Behauptung, die von den großen Kirchen gerne aufgenommen wurde, auch wenn dieselben Zahlenkünstler die Erodierung der Kirchen gleich mit prophezeiten. Vor dem Hintergrund solcher Prognosen stellt die gegenwärtige Rede von der Rückkehr der Religion einen deutlichen Umbruch dar. Nicht erst seit dem von islamischen Fundamentalisten veranstalteten Inferno vom 11. September 2001, dem Aufschwung der Evangelikalen in Amerika, der Diskussion um die christliche Leitkultur bei uns und der Wahl von Papst Benedikt XVI. schien die Religion für viele wieder aufzuerstehen. Was von vielen als caput mortum schon abgeschrieben worden war, erwies sich als neue Macht im 21. Jahrhundert. Allerorten war von der Renaissance der Religion, der Wiederverzauberung, ja vom Ende der Säkularisierung und der 'postsäkularen Gesellschaft' die Rede. Während die einen, die am allmählichen Verschwinden der Religion nicht zweifelten, von dieser Entwicklung überrascht wurden, verwunderten sich andere über die plötzlich wieder so aktuelle Bedeutung der Religion, weil sie die Religion lange ignoriert hatten. Dies gilt nicht nur für die Sozialwissenschaften, sondern auch für die Öffentlichkeit, die Medien und den Journalismus. Waren zuvor noch kritisch-atheistische Positionen deutlich in der Mehrheit, so stellte sich selbst in der liberalen Presse nicht nur Verwunderung über die Religion, sondern teilweise auch eine unverhohlene Bewunderung ein.
Inhaltsverzeichnis
Inhalt6
Vorwort10
I Einleitung: Die Transformation der Religion16
Die Säkularisierungsthese17
Die Differenzierung der Religion19
Die Privatisierung der Religion24
Nach der Säkularisierung?28
»Entsäkularisierung« oder »Resakralisierung«?32
Die Transformation der Religion39
II Religion, Transzendenz und Sozialität – eine theoretische Klärung44
Schwierigkeiten mit der »Religion«44
Die Religionen der Achsenzeit47
Transzendenz statt Religion54
Der anthropologische und der phänomenologische Begriff der Transzendenz57
Der soziale Ursprung der Transzendenz66
Religion und ihre Rekomposition70
III Fundamentalismus, New Age und alternative Spiritualität82
Fundamentalismus83
Erfahrungsorientierte christliche Bewegungen: Evangelikale, Neupfingstler und Charismatiker88
Größe und Erklärung dieser Bewegungen94
Islam und Individualität97
Das New Age, Esoterik und Okkultismus101
Das New Age – Merkmale und soziale Rekrutierung109
Alternative Spiritualität115
IV Erfahrung, Spiritualität und ihre Popularisierung122
»Spiritualität« und »Religiosität«122
Soziologische Aspekte der Spiritualität125
Eine kleine Phänomenologie der Transzendenzerfahrung131
Exkurs: Die Marienerscheinungen in Marpingen132
Transzendenzerfahrung und kulturelle Prägung149
Die Popularität des Spirituellen: Die Verbreitung der Transzendenzerfahrung153
Die Entgrenzung des Religiösen I: Religiöses und Spirituelles160
Die Entgrenzung der Religiosität II: Paranormale Erfahrungen163
Die populäre Spiritualität167
Heilung und Krankheit167
Ayurveda, Feng Shui und Yoga169
Engel und Reinkarnation173
Taizé und Hape Kerkeling176
Der Code der Spiritualität und die spirituelle Atmosphäre182
V Die populäre Religion194
Private und öffentliche Religion202
Entgrenzung von Privatheit und Öffentlichkeit208
Die populäre Religion und die Medien211
Medienwandel und Religion211
Online Religion216
Sind die Medien selbst religiös?220
Medien, Marienerscheinungen und die populäre Religion223
Der Markt der Religion228
Der freie Markt der Religion?230
Zivilreligion, institutionelle Regulierungen und die Auflösung des religiösen Feldes233
Populäre Kultur und populäre Religion237
Populare Religion, populäre Religion, Wünschelruten und Halloween240
Exkurs zum Wünschelrutengehen: Vom Aberglauben zur populären Spiritualität242
Grenzüberschreitungen zwischen Pop und Papst249
Der populäre Tod256
Private und öffentliche Religion202
VI Die Transformation der Religion und die Transformation der Gesellschaft266
Popularisierung und die doppelte Subjektivierung266
Die Transformation der Gesellschaft274
Literatur286
Personenregister304
Sachregister308

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