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Für Volk, Land und Thora

Ultra-Orthodoxie und messianischer Fundamentalismus im Vergleich

AutorSteffen Hagemann
VerlagVerlag Hans Schiler
Erscheinungsjahr2011
Seitenanzahl200 Seiten
ISBN9783899303407
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis8,99 EUR
Die vorherrschende Gegenüberstellung einer anti-zionistischen Ultra-Orthodoxie und eines messianischen Siedlerfundamentalismus als Antipoden des jüdischen Fundamentalismus treffen nicht mehr die heutige Realität in Israel. Beide Strömungen haben sich einander angenähert. Sie teilen die neo-zionistische Vision einer ethnisch-religiösen Theokratie als bestes Mittel, um den inneren und äußeren Probleme Israels zu begegnen. In einer Zeit innerer Polarisierung und äußerer Spannung, gar kriegerischer Auseinandersetzung, bieten sie ihre Ideologie als Ausweg an. Um zu einem Verständnis dieser Dynamik des Fundamentalismus zu kommen, reicht es nicht aus, die Ideologie zu betrachten und zu vergleichen. Erst die politisch-kulturelle Kontextualisierung und Situierung sowie die Einbeziehung der strukturellen Voraussetzungen für die Mobilisierung in den jeweiligen historischen Traditionen, sozio-ökonomischen Strukturen und politischen Institutionen trägt zu einem Verständnis der Entstehung, Funktions- und Wirkungsweise des Fundamentalismus bei.

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Leseprobe
"Annäherung und Abgrenzung: Betar Illit als Beispiel (S. 141-142)

Die bisherige Analyse des jüdischen Fundamentalismus hat eine Tendenz der Annäherung zwischen Charedim und messianisch-religiösen Siedlergruppen ergeben. Am Beispiel der ultra-orthodoxen Siedlung Betar Illit wird in diesem Kapitel der gleichzeitige Prozess der Annäherung und Abgrenzung zwischen beiden Strömungen des Fundamentalismus zusammenfassend untersucht. Die Darstellung einer ultra-orthodoxen Siedlung dient als ein Beispiel für die potentielle Dynamik des Fundamentalismus in Israel. An diesem Einzelfall lassen sich allgemeine Entwicklungstendenzen exemplarisch aufzeigen.

Seit Beginn der achtziger Jahre, mit der Gründung von Immanuel (1983) existieren separate, exklusiv ultra-orthodoxe Siedlungen in der Westbank. Nach zunächst zögerlichem Zuzug machen Charedim heute etwa ein Viertel der insgesamt 243.900 Siedler in Jescha aus.87 Die größte ultra-orthodoxe Siedlung mit etwa 28.500 Einwohnern, Betar Illit, wird im Folgenden näher untersucht. Darüber hinaus existieren mit Modi’in Illit und Tel Zion, der charedischen Nachbarschaft von Kochav Ya’akov, weitere bedeutende ultra-orthodoxe Siedlungen.88 Seit den neunziger Jahren ist die Gruppe der ultra-orthodoxen Siedler die am schnellsten wachsende Gruppe in Jescha, etwa 70 Prozent der neuen Siedler sind Charedim.

Für dieses schnelle Wachstum sind vor allem zwei Faktoren verantwortlich: Zum einen der stetige Zuzug aus Israel in die Westbank, zum anderen die hohe Geburtenrate charedischer Familien. Die Gründung von Betar Illit geht nicht auf eine Initiative der Charedim zurück. Anfang der achtziger Jahre wollte Joseph Rosenberg, ein orthodoxer Neueinwanderer aus Südafrika, eine Siedlung errichten, um dort das Hauptquartier für die weltweite Betar-Bewegung und eine Bildungseinrichtung im Geiste Jabotinsky’s zu bauen.90 Doch außer einer kleinen Gruppe nationalreligiöser Siedler, Absolventen der Merkaz Harav Jeschiwa und Machon Meir in Jerusalem, fanden sich trotz der Unterstützung der Begin-Regierung keine geeigneten Siedler.

Verschiedene Ministerien entwickelten daraufhin in Zusammenarbeit mit der charedischen Hilfsorganisation Mishkenot Jeruschalajim das Projekt der Ansiedlung von Charedim in der neuen Siedlung Betar Illit. Mishkenot Jeruschalajim hatte sich zur Aufgabe gemacht, die drängende Wohnungsnot in charedischen Gemeinden zu bekämpfen. Das starke Wachstum der charedischen Bevölkerung und die geringen räumlichen Ausdehnungsmöglichkeiten bestehender Gemeinden in Jerusalem oder Bnei Brak hatten den Mangel an Wohnraum zum dringendsten Problem der Charedim gemacht. In dieser Situation gab die Regierung im Jahr 1985 die Zustimmung zum Bau von Betar Illit.

Yosseph Shilhav charakterisiert diese Zusammenarbeit zwischen Staat und charedischer Gemeinde in seiner Studie folgendermaßen: »Diese Partnerschaft zwischen der Regierung und der charedischen Gemeinde basierte nicht auf einem ideologischen Band oder einer Strategie, sondern eher auf teilweiser Vereinbarkeit: die Regierung wollte eine neue Siedlung in den Gebieten bauen und die Charedim suchten eine Lösung für ihre große Wohnungsnot. In diesem Fall diente die charedische Bevölkerung als eine riesige menschliche Ressource für die Realisierung der territorialen Politik…« (Shilhav 1998: 17)."
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