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Werner Egk: Eine Debatte zwischen Ästhetik und Politik

AutorJürgen Schläder
VerlagHerbert Utz Verlag
Erscheinungsjahr2008
Seitenanzahl191 Seiten
ISBN9783831602698
FormatPDF
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis19,99 EUR
Werner Egk war ein Mann von ungewöhnlicher Reputation: Präsident des Deutschen Komponistenverbandes, Präsident des Deutschen Musikrates und Vorstandsvorsitzender der GEMA, sowie Präsidenten der CISAC, der internationalen Dachorganisation für den Schutz der Urheberrechte – Ausweis des Ansehens und Vertrauens, das Werner Egk in der Kulturpolitik genoß.

Ähnliches gilt auch für den Komponisten Egk, wenngleich vor gänzlich anderem Hintergrund. Das Urteil über Egks Bühnenwerke lag von Anbeginn fest: Seine Musik „öffnete die Ohren für die Moderne des 20. Jahrhunderts, die während der NS-Zeit aus den Konzertsälen verbannt gewesen war.“ Irrtum: Egks Musik entspricht keineswegs jener musikalischen Moderne, die unter das Nazi-Verdikt fiel. Sie repräsentiert vielmehr mit geringen Modifikationen jenen Musikstil, den Egk auch in der Zeit des Nationalsozialismus vertrat. Daß solche Musik nach 1945 in den Rang von moderner Musik aufzusteigen vermochte, spiegelt das Spannungsverhältnis von ästhetischer Wertung und kulturpolitischer Instrumentalisierung, die mit einem derartigen Gesamtwerk verknüpft ist. Dies wird in einigen Beiträgen dieses Bandes verhandelt.

Brisanter ist die redliche Aufarbeitung der NS-Zeit. Vor der Spruchkammer stand ein fünfjähriges Berufsverbot für Egk und die Konfiszierung seines halben Vermögens als Sühne für Nazi-Mitläufertum zur Debatte. Egk ging in die Offensive und beantragte eine Erhöhung des Strafmaßes auf zehn Jahre und auf Einziehung seines gesamten Vermögens, falls zwischen seiner beruflichen Tätigkeit und den KZ-Verbrechen ein ursächlicher Zusammenhang nachzuweisen sei. Diese infame Wendung führt mitten hinein in die Debatte um Ästhetik und Politik. Es wird in diesem Band geklärt, welche ästhetischen Phänomene Egks Musik dominieren, wie sie zu bewerten und zu politischen Fakten und Entscheidungen in Beziehung zu setzen sind. Die Aufgabe ist schwierig, aber sie anzugehen lohnt.

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Leseprobe
Aktiv im kulturellen Wiederaufbau.
Werner Egks verschwiegene Werke nach 1933


Robert Braunmüller

(Seite 33)

„Der Künstlerhaus-Saal, dessen prunkvoller Rahmen zu diesem bolschewistischen Kunsttreiben gar seltsam kontrastierte, war dicht gefüllt und das Publikum nahm die Neuheit sehr freundlich auf. Das Werk wurde am gleichen Abend wiederholt. Ich hatte an dem einen Male vollauf genug.“ Willy Krienitz, Musikkritiker der Münchner Zeitung, floh am 29. November 1931 vor dem Rigorismus von Bertolt Brecht und Kurt Weill, in deren Schuloper Der Jasager ein Knabe aufbricht, um Medizin für seine Mutter zu holen. Er versagt an der schwierigsten Stelle eines Bergpfads und wird mit seinem Einverständnis von den Mitreisenden in eine Schlucht geworfen.
Unmittelbare Gefahr eines Umsturzes ging von der geschlossenen Veranstaltung im Künstlerhaus am Lenbachplatz kaum aus. Zugelassen waren nur Mitglieder und geladene Gäste der Münchner „Vereinigung für zeitgenössische Musik“. Dennoch wurde die Aufführung in der Münchner Presse ausführlich besprochen und auch von überregionalen Musikzeitungen beachtet. Die Münchner Neuesten Nachrichten lobten die „Unmittelbarkeit und kristalline Klarheit“ des Jasagers. Andere polemisierten: „Wenn noch jemand Hoffnung hatte auf die Gesundung unseres Volks, mag er sie vor diesem Stück begraben“, so die Bayerische Staatszeitung. „Daß dieses Machwerk bisher schon 400mal von den Schülern aufgeführt worden ist, spricht nicht für das Werk“, meinte Anton Würz in der Münchner Telegrammzeitung. „Daß Kinder gerne singen und spielen, glauben wir: denn schließlich ist es auf alle Fälle lustiger, eine Oper einzustudieren, statt sich mit der oratio obliqua oder mit Algebra-Gleichungen abzuplagen.“
Brecht und Weill hatten nach der Berliner Uraufführung ihrer Schuloper im Sommer 1930 auch Beifall vom politischen Gegner erhalten. Die katholische Zeitschrift Hochland glaubte die „christlichen Grundwahrheiten“ seit Jahrhunderten nicht mehr schlichter und unzweideutiger vernommen zu haben als vom Jasager. Rechte Kreise begeisterte der Lobpreis des unbedingten Gesetzes und des Opfers für die Gemeinschaft.
Blick ins Buch
Inhaltsverzeichnis
Vorwort10
Von Weltoffenheit zur Idee der NS-Volksgemeinschaft. Werner Egk, Carl Orff und das Festspiel Olympische Jugend14
Aktiv im kulturellen Wiederaufbau. Werner Egks verschwiegene Werke nach 193342
Werner Egk in Paris: Musiktheater im Kontext der Besatzungspolitik79
Entnazifizierung und Rehabilitierung. Vergangenheitsaufarbeitung im Fall Egk112
Kontext und Hintergründe eines Skandals128
Freiheit der Kunst? Der Fall Abraxas143
Quantität als Qualität. Werner Egks Opern und die gemäßigte Moderne der fünfziger Jahre156
„… und dazu ein nicht zu übersehendes, höchst aktuelles Element.“ Werner Egks Oper Die Verlobung in San Domingo zum Zeitpunkt ihrer Uraufführung am 27. November 1963171

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