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Rechtspopulismus in Belgien und den Niederlanden

Unterschiede im niederländischsprachigen Raum

AutorGerd Reuter
VerlagVS Verlag für Sozialwissenschaften (GWV)
Erscheinungsjahr2009
Seitenanzahl289 Seiten
ISBN9783531921044
FormatPDF
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis46,99 EUR


Gerd Reuter, Dr. rer. pol., Ass. iur., promovierte bei Prof. Dr. Ralf Kleinfeld am Lehrstuhl für Vergleichende Politikwissenschaft der Universität Osnabrück. Er ist Mitarbeiter bei der EUREGIO, einem interkommunalen Zusammenschluss von 130 deutschen und niederländischen Städten, Gemeinden und (Land-) Kreisen.

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Leseprobe
EINFÜHRUNG (S. 21)

1 Aktuelle Problemstellung

Etwa seit der Mitte der 1980er Jahre verzeichnen rechtspopulistische Parteien in westeuropäischen Demokratien einen Zulauf. Einigen von ihnen gelang sogar bereits die Beteiligung an einer Regierung. Hierzu verschafft Tabelle 1 (s. S. 22) einen ersten Überblick.

Diese Phänomene traten auch in Belgien und den Niederlanden auf. Allerdings erfährt der Rechtspopulismus in den beiden Ländern eine äußerst unterschiedliche Ausprägung: Das bereits in der zweiten Hälfte der 1970er Jahre gegründete Vlaams Blok, welches inzwischen in Vlaams Belang2 (VB) umbenannt worden ist, hat inzwischen einen festen Platz unter den belgischen Parteien eingenommen.

Seine Wahlerfolge waren nicht von kurzer Dauer, vielmehr stellten sie sich regelmäßig ein. Offenbar war die Partei in den vergangenen dreißig Jahren in der Lage, ein solides Stammwählerpotential aufzubauen, das sie kontinuierlich auszubauen wußte. Die Niederlande schienen eine stabile Immunität gegen rechtspopulistische Erscheinungen aufzuweisen.

Am rechten Rand des Parteienspektrums zu verortende Parteien übten kaum Einfluß auf die öffentliche Diskussion aus und spielten nur eine marginale Rolle. Ihre Anwesenheit im Parlament relativierte sich angesichts der in den Niederlanden fehlenden Sperrklausel. Die sogenannten Leefbaar-Parteien sind der kommunalen Ebene zuzuordnen und werden Gegenstand eines Exkurses sein.

Zu Beginn des neuen Jahrtausends erfaßte dann aber die zu untersuchende „Fortuyn-Revolte“ das Land, in der die Lijst Pim Fortuyn (LPF) bei der Parlamentswahl 2002 aus dem Stand zweitstärkste Partei wurde (Tabelle 2, s. S. 23). Im Zuge dieses Wahlerfolgs wurde sie unmittelbar an der Koalitionsregierung beteiligt.

So rasch, wie sie die politische Bühne betrat, verließ sie dieselbe auch wieder. Die Regierungskoalition bestand nur wenige Monate, und die Partei rutschte bei den Neuwahlen vom Januar 2003 auf 5,7% ab (Tabelle 3). Bedingt durch die Ermordung Pim Fortuyns am 06. 05. 2002 strudelte die Partei zusehends in ein organisatorisches Chaos und konnte sich nicht mehr als glaubwürdige und handlungsfähige politische Alternative präsentieren. Schließlich trat die Lijst Pim Fortuyn zur Parlamentswahl 2006 überhaupt nicht mehr an. Trotz ihres Verschwindens von der politischen Bildfläche ist das Kapitel „Rechtspopulismus“ in den Niederlanden nicht beendet.

Die islamistisch motivierte Ermordung Theo van Goghs im Jahre 2004 und die Bedrohung von Ayaan Hirsi Ali, welche mit dem Fimproduzenten van Gogh zusammenarbeitete und für die rechtsliberale Partei VVD Mitglied der Zweiten Kammer war, löste in der niederländischen Gesellschaft Verunsicherung aus, da beide für ihre offene islamkritische Haltung bekannt waren. Vor dem Hintergrund der Bedeutung der freien Meinungsäußerung wurde die Diskussion um die Migrations- und Integrationsproblematik3 erneut entfacht.

Letztere bot zugleich Rechtspopulisten, wie Geert Wilders, eine geeignete Angriffsfläche für ein politisches Auftreten. Durch ihn war die gesellschaftspolitische Situation im Jahre 2008 abermals angespannt: Wilders veröffentlichte einen islamkritischen Film via Internet. Von den politisch Verantwortlichen wurden in diesem Zusammenhang gar Anschläge auf niederländische Einrichtungen im In- und Ausland befürchtet, die jedoch nicht eintraten. Geert Wilders – ein ehemaliger VVD-Politiker – ist mit seiner rechtspopulistischen Freiheitspartei „Partij voor de Vrijheid“ (PVV) seit dem Jahr 2006 mit neun Sitzen im Parlament vertreten (Tabelle 4).

Darüber hinaus war inzwischen auch die als „Eiserne Rita“ betitelte ehemalige VVD-Integrationsministerin Rita Verdonk bemüht, mit ihrer neuen Bewegung „Trots op Nederland“ (ToN) unter Ausnutzung der Migrations- und Integrationsproblematik politisch eigene Wege zu gehen. Gänzlich anders stellen sich die Verhältnisse in Belgien dar. Der Erfolgskurs des Vlaams Belang blieb auch bei der Parlamentswahl des Jahres 2007 erhalten. Gleichwohl ist zu berücksichtigen, daß sich sein Aufstieg nicht mit einer solchen Rasanz wie bei Fortuyns Partei vollzog.

Die im Zusammenhang zu betrachtenden Tabellen 5 und 6 machen deutlich, daß das Vlaams Belang mit knapp 20 Sitzen eine Stärke erreicht hat, die es im Verhältnis zu den flämischen Christdemokraten, Sozialisten und Liberalen als ebenbürtig erscheinen läßt. Dennoch blieb das Vlaams Belang aufgrund eines Abkommens zwischen den etablierten Parteien bis heute von einer aktiven politischen Mitarbeit ausgeschlossen.
Inhaltsverzeichnis
Geleitwort6
Vorwort8
Inhaltsverzeichnis9
Abbildungsverzeichnis14
Tabellenverzeichnis15
Kurzbezeichnungen der Parteien17
EINFÜHRUNG19
1 Aktuelle Problemstellung19
2 Aufbau der Arbeit25
3 Konzeption – Operationalisierung – Methodik27
4 Forschungsstand und zentrale Begriffe32
4.1 Rechtsextremismus und Rechtspopulismus32
4.2 Modernisierung38
4.3 Wertewandel40
4.4 Politische Kultur46
4.5 Protest48
4.6 Vergleichende Populismusforschung mit einem Bezug zu Belgien und den Niederlanden – Forschungsdefizit50
5 Forschungsfragestellung und Fallauswahlbegründung52
5.1 Approach und theoretischer Bezugrahmen52
5.2 Leistungsfähigkeit von Verhandlungsdemokratien54
5.3 Leistungsdefizite der Verhandlungsdemokratie an der Schnittstelle zum Rechtspopulismus55
5.4 Begründung der Fallauswahl im Lichte der Forschungsfragestellung57
ERSTER TEIL: HERKUNFT DES RECHTSPOPULISMUS59
ERSTES KAPITEL: POLITISCHE KULTUR59
1 Historische Rahmenbedingungen59
1.1 Historische Entwicklungen in Belgien60
1.2 Historische Entwicklungen in den Niederlanden76
2 Sozioökonomische Rahmenbedingungen117
2.1 Untersuchungsziele117
2.2 Ökonomische Entwicklungen in Belgien118
2.3 Ökonomische Entwicklungen in den Niederlanden122
2.4 Ergebnisse Ein Zusammenhang zwischen zyklischen, ökonomischen Prozessen und dem Erfolg von Rechtspopulisten kann weder durch objektive Wirtschaftsdaten noch durch dies-bezügliche Wahrnehmungen in der Wahlbevölkerung Belgiens und der Niederlande nachg125
3 Soziokulturelle Rahmenbedingungen125
3.1 Untersuchungsziele125
3.2 Modernisierung und Erfolgschancen für Rechtspopulisten126
3.3 Theorienkreuzung127
3.4 Soziokulturelle Tendenzen in Belgien und den Niederlanden Mit Hilfe des Mischtyp- Modells läßt sich am Beispiel der Migrations-Integrations-problematik verdeutlichen, daß dieselbe Problematik ein Wertecleavage und auch ein Verteilungscleavage bediene131
3.5 Ergebnisse Für Flandern und die Niederlande konnte nachgewiesen werden, daß die soziokul-turelle Konfliktlinie ( Wertecleavage) durch die Migrations- und Integrationsproble-matik138
ZWEITES KAPITEL: POLITISCHE STRUKTUR139
1 Untersuchungsziele139
2 Politisches System140
2.1 Wahl- und Parlamentssystem140
2.2 Regierungssystem141
2.3 Parteien und Parteiensystem143
3 Ergebnisse153
DRITTES KAPITEL: WÄHLERVERHALTEN – SCHNITTSTELLE ZWISCHEN POLITISCHER KULTUR UND POLITISCHER STRUKTUR155
1 Untersuchungsziele155
2 Wählerverhalten hinsichtlich des Vlaams Belang157
3 Wählerverhalten hinsichtlich der Lijst Pim Fortuyn164
4 EXKURS: KOMMUNALWAHLEN169
4.1 Belgien170
4.2 Niederlande172
5 Ergebnisse176
ZWEITER TEIL: GESTALT DES RECHTSPOPULISMUS178
1 Untersuchungsziele178
2 Akteure179
2.1 Führende Köpfe des Vlaams Belang179
2.2 Pim Fortuyn182
3 Inhalte, Strategien und Management185
3.1 Der Umgang mit anderen Ethnien in Partei- und Wahlprogrammen185
3.2 Entwicklung und Umsetzung der Programmatik188
3.3 Strategien und politisches Management190
4 Ergebnisse200
DRITTER TEIL: AUSWIRKUNGEN DES RECHTSPOPULISMUS202
1 Untersuchungsziele202
2 Reaktionen und Gegenstrategien der Gesellschaft einschließlich der etablierten Parteien unter besonderer Berücksichtigung der Migrations- bzw. Integrationspolitik202
2.1 Vergleichender Überblick zur Migrations- bzw. Integrationspolitik202
2.2 Belgien209
2.3 Niederlande212
3 Politische Landschaft nach den Parlamentswahlen von 2006 und 2007217
3.1 Belgien217
3.2 Niederlande223
4 EXKURS: MEDIEN229
4.1 Mediale Landschaft229
4.2 Pim Fortuyn in den Medien234
5 Ergebnisse242
SCHLUSSTEIL: ANALYTISCHER ERTRAG244
ANHANG250
Anhang 1:251
Anhang 2:253
Literaturverzeichnis255
Summary278
Samenvatting281

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