„Leicht lesbares Material auf lokaler, nationaler und europäischer Ebene, dessen Inhalt klar vermittelt wird, hilft jedem Menschen, nicht nur denen mit Lese- und Schreibproblemen. “ (Freyhoff1998, 7)
Unsere Welt birgt zahlreiche sprachliche Barrieren. Überall kann man auf Formulierungen treffen, die nur schwer verständlich und interpretierbar sind - in Bereichen wie der Politik, der Wirtschaft, Wissenschaft, Technik, Hygiene, Recht, dem Zusammenleben, der Presse und in vielen anderen mehr (vgl. Langer et al. 2006, 15). „Die hochdeutsche Sprache [ist] von Verwirrung bedroht“, betont Illgner (2001, 7) und kritisiert die Verwendung von Anglizismen, Mode-, Fach- und Fremdwörtern sowie die Unverständlichkeit der Sprache (vgl. ebd., 7f.) So haben es Bürger, die sich informieren und kundig machen möchten, oftmals nicht leicht: Sie treffen auf verschachtelte Satzkonstruktionen, verworrene Gedankengänge und weitschweifige sowie umständliche Erklärungen - auf schwer zu verstehende Informationen (vgl. Langer et al. 2006, 15; Wagner; Kämpf de Salazar 2004, 207). Eine schwer zu verstehende Information lässt sich jedoch nicht inhaltlich begründen - „Der Inhalt ist meistens gar nicht so kompliziert. Er wird erst kompliziert gemacht.“ (Langer et al. 2006, 16). Die Verantwortung, ob Sachverhalte komplex und schwierig dargestellt sind, liegt demzufolge vorwiegend bei den Autoren von Texten, Berichten etc., dem Gesprächspartner oder meinem Gegenüber. Zudem betonen Schlenker-Schulte (vgl. 2004b, 199), dass Sachinformationen sprachlich unterschiedlich komplex, jedoch inhaltlich gleichwertig formuliert werden können. Eine einfache Darstellung bezüglich der Inhalte von Informationen, Texten, 30Berichten und Broschüren etc. ist demnach grundsätzlich möglich. Dies beweist beispielsweise Stephen Hawking mit seiner einfach formulierten Ausarbeitung der Relativitätstheorie „Eine kurze Geschichte der Zeit“ (vgl. Wagner; Kämpf de Salazar 2004, 207).
Der Gebrauch einer schwer verständlichen Sprache wirft die Frage auf, aus welchem Grund sich viele Menschen so schwer verständlich ausdrücken. In der Literatur finden sich häufig folgende Antworten und Gründe (vgl. ebd., 16f.; Wagner; Kämpf de Salazar 2004, 207; Hellbusch 2005, 98): Zunächst sind sich viele Menschen ihrer schwer verständlichen Sprache nicht bewusst und reflektieren ihren Sprachgebrauch folglich auch nicht. Einige Personen intendieren zudem, durch einen komplizierten Sprachstil ihre fachlichen Kompetenzen hervorzuheben sowie Anerkennung und Achtung zu erlangen. Andere wiederum errichten absichtlich sprachliche Barrieren, um die Sprach-Empfänger zu verwirren und in Unwissenheit zu belassen (z.B. das Kleingedruckte in Verträgen) oder eigene Interessen durchzusetzen. Den Hauptgrund bezüglich des Gebrauchs einer schweren Sprache sehen Langer et al. jedoch darin, dass viele Menschen nicht wissen, wie sie sich einfach und verständlich ausdrücken können, denn „sie haben es nie gelernt.“ (Langer et al. 2006, 17) Der Einsatz einer leichteren Sprache und das Verfassen verständlicher Texte sind jedoch von großer Bedeutung: Für viele Menschen stellen sie die Voraussetzung dar, „sich im Alltagsleben orientieren zu können.“ (Kupke; Schlummer 2010, 68) Besonders Menschen mit Lernschwierigkeiten benötigen zur Alltagsbewältigung eine leichte Sprache und verständliche Texte: Sie eröffnen ihnen die Möglichkeit „selbstständig die eigenen Interessen zu verfolgen und so ihre Persönlichkeitsentwicklung voranzutreiben.“ (ebd.)
Eine leicht verständliche Sprache und Verständlichkeit spielt bezüglich der Teilhabe an Informationen und am alltäglichen Leben eine immer größer werdende Rolle. Mittlerweile ist das sogenannte Konzept Leichte Sprache entwickelt worden, das einen wesentlichen Beitrag zum Abbau sprachlicher Barrieren leisten kann und sich im Besonderen den Belangen der Menschen mit Lernschwierigkeiten widmet. Was Leichte Sprache genau bedeutet, wie es zu der Forderung nach dem Gebrauch einer leicht verständlichen Sprache kam, welche Regeln es in Bezug auf das Konzept Leichte Sprache zu beachten gilt und inwiefern diese Regeln in die Praxis umgesetzt werden können, soll daher in den folgenden Kapiteln beleuchtet und anschließend kritisch reflektiert werden.
Sprache ist ein bedeutsames Element alltäglicher in unserem Leben. Durch Sprache drücken wir uns aus, teilen etwas mit. Sobald das Mitgeteilte jedoch nicht verstanden wird, sind unsere Bemühungen vergebens und der bezweckte Kommunikationsprozess gescheitert (vgl. Miles-Paul 2008, 4). Leichte Sprache soll die Verwirklichung eines Kommunikationsprozesses für alle ermöglichen. Dies impliziert: „Man schreibt oder sagt etwas so, dass es jeder verstehen kann.“ (Wessels 2008, 264) Eine Betroffene unterstreicht zudem: „Bei Leichter Sprache ist wichtig, dass man es gut verstehen kann. Was es heißen soll. Um was es geht. [...] Dann verstehen auch Menschen ohne Behinderung besser um was es geht. Wenn die Sätze einfach geschrieben sind. Gute Erklärungen, was es heißen soll. Beispiele, was es heißen soll.“ (Mensch zuerst 2008, o.S.) Dementsprechend konstatiert das Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Familie und Frauen Rheinland-Pfalz (MASGFF):
Mit Leichter Sprache wird eine barrierefreie Sprache bezeichnet, die sich durch einfache, klare Sätze und ein übersichtliches Schriftbild auszeichnet. Sie ist deshalb besser verständlich, besonders für Menschen mit Lernschwierigkeiten oder mit Behinderungen. [...] Zu Leichter Sprache gehören immer erklärende Bilder, Fotos oder Grafiken. (MAGFF 2008, 6; 11)
Da Leichte Sprache von Menschen mit Lernschwierigkeiten angeregt sowie verbreitet wurde und es diesbezüglich bisher weder wissenschaftliche Definitionen noch wissenschaftliche Erkenntnisse aus der Forschung gibt, sollte die definitorische Macht m.E. bei den Betroffenen liegen.
Aufgrund der bereits beschriebenen vielfältig vorhandenen Kommunikations- und Informationsbarrieren bezweckt das Konzept Leichte Sprache, Texte ohne Verständnisbarrieren entstehen zu lassen. Dies gewährleistet eine schnelle(re) und einfache(re) Informationsaufnahme für alle Menschen (vgl. Prinz; Bierstedt 2004, 249). Vor allem Menschen mit Lernschwierigkeiten soll somit ermöglicht werden, sich frei und ohne fremde Hilfe in ihrem Alltag bewegen bzw. ihren Alltag bewältigen zu können - Tagesnachrichten lesen, Konsumenteninformationen einholen, Rechte und Verpflichtungen kennenlernen, Dienstleistungsangebote wahrnehmen, öffentliche Verkehrsmittel nutzen sowie Freizeitangebote in Anspruch nehmen, stellen lediglich einige tägliche Aufgaben dar, die im Hinblick auf die Umsetzung Leichter Sprache überwiegend selbstbestimmt gemeistert werden könnten (vgl. Freyhoff et al. 1998, 10). Menschen mit Lernschwierigkeiten werden auf diese Weise neue Erfahrungs- und Lernprozesse eröffnet (vgl. Wessels 2008, 265f.). „Neben der Bedeutung des Einsatzes von leichter Sprache im Alltag - zur lebenspraktischen Bewältigung - zielt leichte Sprache [also] besonders auch ab auf die Weiterentwicklung der eigenen Persönlichkeit.“ (Kupke; Schlummer 2010, 71)
Das Konzept der Leichten Sprache hat es sich zur Aufgabe gemacht, „komplexe Sachzusammenhänge einfach und verständlich darzustellen“ (Miles-Paul 2008, 4), damit jeder Mensch Zugang zu Informationen erhalten kann. Das einfache und verständliche Darstellen von Sprache kann anhand festgelegter „Kriterien Leichter Sprache“[19] erfolgen, die vom Netzwerk Leichte Sprache[20] ausgearbeitet wurden und gleichzeitig als Leitfaden zum Verfassen von u.a. leicht lesbarer/ verständlicher Texte dienen. Diese Kriterien finden sich u.a. in dem vom „Mensch zuerst - Netzwerk People First“ herausgegebenen wieder. Die Herstellung eines leicht lesbaren Texts ist laut Freyhoff et al. (1998, 8) dann erreicht, wenn er „nur die wichtigste Information enthält und auf die direkteste Weise präsentiert wird, so dass er die größtmögliche Zielgruppe erreicht.“ Das Leichte Sprache Konzept lässt sich jedoch nicht nur auf textuelle Medien reduzieren: „Die Vielfältigkeit der Medien und ihre stetige Weiterentwicklung sollten ebenfalls Beachtung finden.“ (Kupke; Schlummer 2010, 71). Alternative Medien, wie das Internet, Hörkassetten oder Videos sind demnach ebenfalls in einer leicht verständlichen Sprache zu gestalten. So kann gleichzeitig einem Ausschluss von z.B. Menschen, die nicht lesen können, entgegengewirkt werden.
In dem Wörterbuch von Mensch zuerst wird hervorgehoben, dass Leichte Sprache kein starres Konzept darstellt, sondern aufgrund des fortwährenden Wandels der Sprache einer ständigen Weiterentwicklung bedarf (vgl. Mensch zuerst 2008, o.S.). Bezüglich Leichter Sprache wird zudem die Abwendung von einer kindlichen oder banalen Sprache betont - Leichte Sprache verlangt eine angemessene (Aus)Formulierung, da z.B. viele Informationen für Erwachsene mit Lernschwierigkeiten bestimmt sind (vgl. Freyhoff et al. 1998, 8; Reiter 2010, o.S.).
Wie schon vorangehend erläutert, ist das Konzept der Leichten Sprache von Menschen mit Lernschwierigkeiten initiiert wurden und aus der Praxis heraus entstanden. Bisher bestehen keine wissenschaftlichen Definitionen und Erkenntnisse aus der Forschung. Eine Betrachtung anderer theoretisch erforschter Modelle,...