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Offener Unterricht - Ein mögliches Konzept zur Unterstützung von selbstständigem Lernen

Ein mögliches Konzept zur Unterstützung von selbstständigem Lernen

AutorBenjamin Gsaxner
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2010
Seitenanzahl84 Seiten
ISBN9783640666683
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis31,99 EUR
Bachelorarbeit aus dem Jahr 2010 im Fachbereich Didaktik - Allgemeine Didaktik, Erziehungsziele, Methoden, Note: 1,3, Kirchliche Pädagogische Hochschule Wien / Krems, Sprache: Deutsch, Abstract: Die Arbeit beginnt mit der Analyse des Begriffes Selbstständigkeit und einer Beschreibung des offenen Unterrichts. Weiter werden zwei Modelle, die den Anspruch haben, offener Unterricht zu sein beziehungsweise selbstständiges Lernen zu fördern, betrachtet und hinsichtlich ihrer Möglichkeiten zur Offenheit und zum selbstständigen Lernen untersucht. Dabei kommt es zur Beschreibung des Stationenbetriebs und der Freien Lernphase. Nach einer qualitativ forschenden Beobachtung des Stationenbetriebs und der Freien Lernphase ist zu sagen, dass die beiden genannten Modelle bestimmte Möglichkeiten zum selbstständigen Arbeiten bieten können und somit einen Rahmen darstellen, selbstständiges beziehungsweise selbstgesteuertes Lernen zu ermöglichen.

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Leseprobe

3. Modelle offener Lernsituationen


 

Es gibt heute einige Unterrichtskonzepte, die sich mit dem Begriff des offenen Unterrichts verbinden lassen, wie zum Beispiel die Freie Arbeit oder der Stationenbetrieb. Diese beiden gängigen Konzepte sind oftmals an österreichischen Schulen zu finden und lassen möglicherweise einen bestimmten Grad an Offenheit und somit an Selbstständigkeit zu. Die Theorie dieser Konzepte wird im weitern Verlauf dargestellt und weiter wird aufgrund der Theorie analysiert, welche Bereiche dieser Konzepte von Offenheit gekennzeichnet sind und welche nicht.

 

3.1 Das Freie Arbeiten oder die Freie Lernphase


 


Ein Unterrichtskonzept, das möglicherweise offene Lernsituationen anbieten kann, ist die Freie Arbeit oder auch genannt die Freie Lernphase. In weiterer Folge werden zuerst allgemeine Zielsetzungen und die pädagogischen Grundintentionen der Freien Lernphase betrachtet. Anschließend wird das Konzept der Freien Lehrphase beschrieben und abschließend kritisch hinsichtlich der möglichen Offenheit betrachtet.

 

3.1.1 Pädagogische Grundideen der Freien Lernphase


 


Im folgenden Abschnitt wird auf die pädagogischen Grundintentionen der Freien Lernphase eingegangen. Hierbei werden Ziele zu verschiedenen Merkmalen der Freien Lernphase beschrieben. Diese sind von Franz Hammerer und Leopold Kratochwil ausgeführt worden.

 

Kratochwil hat unter der Überschrift „Die Freie Lernphase als Hochform offenen Unterrichts“[48] folgende allgemeinen pädagogischen Zielvorstellungen formuliert, die verwirklicht werden sollten:

 

„Die Kinder lernen ihr Lernen selbst zu organisieren beziehungsweise zu steuern und zu verantworten.

 

Die Kinder konzentrieren sich intensiv auf eine selbst gewählte Aufgabe und entwickeln dabei ihre Ausdauer und ihre Geduld.

 

Die Kinder lernen unter Umständen schriftliche Arbeitsanweisungen zu verstehen, ihnen gemäß zu handeln und ihre Arbeit selbst zu kontrollieren.

 

Die Kinder lernen eventuell sich durch andere zum Lernen anregen zu lassen und umgekehrt andere anzuregen.

 

Die Kinder steigern ihre Bereitschaft zum Lernen, die Freude am Lernen und die Fähigkeit  Lernen zu lernen.

 

Die Kinder fühlen sich für die vorbereitete Umgebung zunehmend verantwortlich.

 

Die Kinder werden für die Bedürfnisse anderer empfindsam, lernen abzuwarten, eigene Wünsche, etwa nach der Benutzung eines bestimmten Lernmaterials, aufzuschreiben und auf etwas zu verzichten.“[49]

 

Die Lehrperson ist verantwortlich, die erforderlichen Voraussetzungen beziehungsweise Bedingungen zu schaffen, welche die Verwirklichung dieser Ziele benötigt. Weiter hat Hammerer vier wesentliche pädagogische Grundintentionen formuliert, die im folgenden Verlauf beschrieben werden[50].

 

Selbstgesteuertes Lernen fördern

 

Die erste Grundintention der Freien Lernphase nach Hammerer betrifft das selbstgesteuerte Lernen. Es sollen Möglichkeiten zur Selbsttätigkeit geschaffen werden und in Verbindung damit die Fähigkeiten gefördert werden, aufgrund eigener Überlegungen Denkergebnisse zu finden, Entschlüsse in eigener Verantwortung zu fassen und danach zu handeln. Im Sinne des selbstgesteuerten Lernens können die Kinder demnach in der Freien Lernphase über Aufgaben, Methoden und Zeitaufwand mitbestimmen, um so lernen zu können Verantwortung für den eigenen Lernprozess zu übernehmen.[51] Schrittweise kann den Kindern zum Beispiel die Möglichkeit eröffnet werden, …

 

„sich spontan für eine Aufgabe zu entscheiden,

 

eigene Ideen zu entwickeln und zu verwirklichen,

 

besondere Interessen zu verfolgen und aufzubauen,

 

sich durch andere Kinder anregen zu lassen und Anregungen weiterzugeben,

 

einen Arbeitsprozess selbstständig zu planen,

 

sich Dingen sinnlich und handelnd anzunähern,

 

nach eigenem Rhythmus tätig zu sein,

 

Hilfe anzubieten und Hilfe anzunehmen,

 

Arbeitsprozesse und Arbeitsergebnisse selbst zu kontrollieren und zu verantworten.“[52]

 

Auch hier ist die Lehrperson verantwortlich, die erforderlichen Voraussetzungen beziehungsweise Bedingungen zu schaffen, welche die Verwirklichung dieser Ziele benötigt.

 

Staunen und konzentratives Tun ermöglichen

 

Als weitere pädagogische Grundintention der Freien Lernphase ist das Fördern von Staunen und konzentrativem Tun zu nennen. Mit Staunen ist dabei gemeint „jenes beunruhigendes Betroffensein, jenes Angezogensein von einer Sache, das in angeregtem Fragen und Drängen bemerkbar wird und ein selbstvergessenes ganzheitliches Eintauchen in ein ungewöhnlich Erscheinendes, Anmutendes nach sich zieht.“[53] Tätigkeiten die ihrem Zweck verhaftet bleiben, verhindern Staunen. Staunen ist gekennzeichnet von Lebendigkeit, welche sich erst in Verbindung mit Sinnhaftigkeit eröffnet. Konzentratives Tun im Zusammenhang mit dem erwähnten Staunen soll dann in weiterer Folge zur Polarisierung der Aufmerksamkeit oder anders ausgedrückt zum Flow-Erleben führen.

 

Nachdenklichkeit und Einwurzelung fördern

 

Als dritte pädagogische Grundintention der Freien Lernphase ist die Förderung von Nachdenklichkeit und Einwurzelung genannt. Diese beschreibt den Wunsch der Ruhe im Denken Einlass zu gewähren und die selbstständige und vorsichtige Haltung der Erkenntnis zu schätzen.[54] Wagenschein klagt zu Recht über die Hast, wenn er meint, dass sie beziehungslose Vielwisserei, Ungründlichkeit, nicht selten Gleichgültigkeit und inneren Widerstand in den Kindern erzeuge.[55] Folgendes Beispiel aus einer Freien Lernphase soll weiteren Aufschluss dazu geben:

 

Georg und Christian haben sich in der Reflexionsphase der vorangegangenen Freien Lernphase zu Versuchen mit Wasser anregen lassen. Sie überlegen gemeinsam, welchen Versuch sie durchführen wollen und teilen sich die Vorbereitungsarbeiten auf: Wasser holen, Geräte aufstellen, Kerze und Zündhölzer bereitstellen. Sie wollen Wasser soweit erhitzen, dass es in einem Glasröhrchen aufsteigt und in einen Behälter tropft. Nach einigen Minuten zeigt Georg auf das Wasser: „Schau, man sieht schon wie die ersten Bläschen aufsteigen.“ Dann beginnt das Wasser zu sieden aber es steigt nicht in das Röhrchen. „ Das gibt’s nicht, ich habe gestern gesehen, wie es aufsteigt.“ „Wenn es gestern aufgestiegen ist, muss es doch heute auch aufsteigen. Aber vielleicht haben wir zu wenig Wasser drinnen.“ „Wenn es noch länger so siedet, haben wir bald gar kein Wasser mehr drinnen.“ „Der Lehrer hat aber gesagt, dass sich das Wasser ausdehnt, wenn es wärmer wird und bei uns wird es immer weniger.“ Du, ich glaub, ich weiß, wieso es nicht funktioniert. Die Röhre ist zu weit oben.“ Während Christian hingreifen möchte, um das Röhrchen tiefer zu legen, ruft Georg: „Pass auf, es ist sicher heiß!“ Christian meint darauf: „Ah ja, dann warten wir.“ In regelmäßigen Abständen berühren sie vorsichtig das Glas. Nach ein paar Minuten sagt Georg: „Jetzt könnte es gehen.“ Sie stecken das Röhrchen weiter hinunter. „Stecken wir das Röhrchen nur soweit hinunter, dass es gerade das Wasser berührt. Schauen wir, ob es dann geht.“ „Nein, ich glaube nicht, aber probieren können wir es ja.“ Wieder warten sie beide, bis das Wasser heiß ist. „Schau, es steigt schon ein bisschen.“ „Nein, es schafft es wieder  nicht. Die Röhre muss doch ganz im Wasser sein.“ Mit einem Taschentuch greifen sie die Röhre an und stecken sie tiefer ins Wasser. „Das Wasser hat jetzt einen richtigen Ausgang.“ „Schau, es steigt.“

 

Unüberprüftes Wissen ist erschüttert worden und hat Verblüffung und Erstaunen ausgelöst und in eine Fragehaltung („Das gibt’s nicht.“) gebracht. Die Kinder wenden sich aber nicht an den Lehrer, sondern machen sich selbst auf die Suche nach einer Lösung. Sie sind nicht auf schleunige Beherrschung und schnelle Erledigung aus, sondern zeigen eine Beziehung zur Sache der Aufgabe, entwickeln Interesse, nehmen sich Zeit für Umwege und halten Unsicherheiten aus. Durch die freie Wahl der Aufgabe und der Möglichkeit im eigenen Tempo zu arbeiten, sind in der Freien Lernphase wesentliche Bedingungen für sinnvolles Lernen gegeben. Hindernisse können jedoch solche Lernmaterialien darstellen, die bloße Betriebsamkeit hervorrufen beziehungsweise Inhalte bequem und mundfertig zubereiten, dass Nachdenklichkeit und prüfende Vernunft ausgeschaltet...

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