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Verfassungs- und verwaltungsrechtliche Probleme der Novellierung des Atomgesetzes 2011

AutorLukas Zanzinger
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl62 Seiten
ISBN9783656432104
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis16,99 EUR
Studienarbeit aus dem Jahr 2011 im Fachbereich Jura - Öffentliches Recht / Staatsrecht / Grundrechte, Note: 12, Bayerische Julius-Maximilians-Universität Würzburg, Sprache: Deutsch, Abstract: Diese Seminararbeit behandelt das Thema 'Verfassungs- und verwaltungsrechtliche Probleme der Novellierung des Atomgesetzes 2011'. Die auf sechs Wochen befristete Bearbeitungszeit hierfür begann am 08. August 2011, zwei Tage nach Inkrafttreten des Gesetzes am 06. August 2011. Die Bearbeitung erfolgte somit als eine Erstbearbeitung der Thematik, ohne Rückgriff auf hierzu bereits veröffentlichte rechtliche Gutachten. Es bietet sich hierbei an, den Schwerpunkt der Betrachtungen auf einen möglichen Verstoß gegen das Verfassungsrecht zu legen. Der Aufbau gleicht daher einem rechtliches Gutachten, anhand dessen die Vereinbarkeit der dreizehnten Atomgesetznovelle mit dem Verfassungsrecht geprüft wird.

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Leseprobe

VI. materielle Verfassungsmäßigkeit in Bezug auf die Grundrechte


 

A. Verstoß gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG)


 

Für die Atomkraftwerke wurden nunmehr unterschiedliche Laufzeiten festgelegt[98]. Darin könnte ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG liegen. Um sich auf Art. 3 Abs. 1 GG berufen zu können, müssten die Betreiber grundrechtsfähig sein.

 

1. Grundrechtsfähigkeit der Betreiber (Art. 19 Abs. 3 GG)


 

Nach Art. 3 Abs. 1 GG sind alle „Menschen“ vor dem Gesetz gleich. Bei den Betreibern der betroffenen Kernkraftwerke handelt es sich aber um große Energiekonzerne. Diese sind allesamt Aktiengesellschaften[99], welche als juristische Personen des Privatrechts grundsätzlich grundrechtsberechtigt sind[100]. In unterschiedlichem Maße[101] ist zudem allerdings auch der Staat als Anteilseigner beteiligt.

 

Nach Artikel 19 Abs. 3 HS 1 GG gelten die Grundrechte nur für „inländische juristische Personen“. Merkmal für solch eine inländische juristische Person ist, ob sie ihren Sitz in Deutschland hat. Der „Sitz“ ist nicht unbedingt der satzungsgemäße Sitz[102]. Entscheidend sei, wo die Entscheidungen über die Geschäftsführung getroffen würden[103]. Während dies für die Betreibergesellschaften RWE, E.ON und EnBW als deutsche Unternehmen unproblematisch zutrifft, ist die Vattenfall Europe AG[104] ein Tochterunternehmen der schwedischen Vattenfall AB[105]. Der Sitz der Geschäftsführung ist aber Berlin[106]. Im Folgenden ist daher davon auszugehen dass es sich auch hierbei um eine inländische juristische Person handelt. Allerdings müssen die Grundrechte weiterhin auch „ihrem Wesen nach“ auf die Betreiber anwendbar sein (Art. 19 Abs. 3 HS 2 GG).

 

a) Grundsätzliches

 

Grundrechte sind Abwehrrechte des Individuums gegen den Staat (Art. 1 Abs. 3 GG). Nach Ansicht des BVerfG sollen juristische Personen sich nur dann auf Grundrechte berufen können, wenn deren Bildung und Betätigung gerade Ausdruck der freien Entfaltung der privaten natürlichen Personen ist, welche hinter der Organisationsform der juristischen Person stehen[107]. Juristische Personen des Privatrechts repräsentieren Privatpersonen und deren Interessen. Der „Durchgriff“ auf diese Menschen kann daher eine Grundrechtsfähigkeit der juristischen Personen des Privatrechts rechtfertigen[108].

 

Hinter juristischen Personen des öffentlichen Rechts hingegen steht keine natürliche Person sondern letzten Endes der Staat selbst. Gegen diesen aber richten sich die Grundrechte gerade, womit er, wenn gleichermaßen grundrechtsberechtigt und grundrechtsverpflichtet auf beiden Seiten stehen würde[109]. Damit sind diese grundsätzlich nicht Grundrechtsträger[110] [111]. Eine Ausnahme wird allerdings gemacht wenn eine juristische Person des öffentlichen Rechts „[...] einem grundrechtlich geschützten Bereich unmittelbar zugeordnet [...]“m sei[112].

 

Zwar haben die Betreiber die privatrechtliche Gesellschaftsform der AG gewählt, die teilweise Verflechtung der öffentlichen Hand in die Beteiligungsstrukturen der Betreiberunternehmen könnte aber problematisch sein. Hierbei handelt es sich um „gemischtwirtschaftliche“ Unternehmen, bei denen der Zusammenschluss von privaten Anteilseignern, welche sich auf Grundrechte berufen können, und des Staates, welcher Grundrechtsadressat ist, prinzipiell einen Widerspruch bilden.

 

b)„HEW-Entscheidung“ des BVerfG

 

Das BVerfG verneinte bereits die Grundrechtsfähigkeit einer Aktiengesellschaft, an welcher die öffentliche Hand beteiligt war[113]. Hierbei handelte es sich namentlich um die Aktiengesellschaft der „Hamburger- Electricitäts-Werke“ (HEW), an der die Stadt Hamburg Anteile in Höhe von 72 % hielt. Begründet wurde diese Entscheidung mit der hohen Beteiligungsrate und dem daraus folgenden entscheidenden Einfluss der Stadt Hamburg auf die Geschäftsführung.

 

Als weiteres Kriterium wurde die Funktion[114] der HEW herangezogen. Eine Grundrechtsfähigkeit sei nämlich grundsätzlich dann zu verneinen wenn die juristischen Personen des öffentlichen Rechts auch öffentliche Aufgaben wahrnehmen würden[115]. Die Versorgung mit Wasser und Energie stelle in der modernen Gesellschaft eine Aufgabe der „Daseinsvorsorge“ dar[116]. Die HEW habe daher durch die starken Bindungen an das EnWG und die darauf beruhende AVBEltV[117], insbesondere bezüglich der Stromversorgung, fast keine privatrechtliche Selbstständigkeit mehr[118]. Die Grundrechte seien daher ihrem Wesen nach nicht anwendbar.

 

c) Entscheidender Einfluss auf die Geschäftsführung

 

Das BVerfG hat somit mit den entscheidenden Einfluss des Staates auf die Geschäftsführung ein maßgebliches Kriterium für die Beurteilung der Grundrechtsfähigkeit juristischer Personen aufgestellt. Dieser Begriff ist allerdings noch ausfüllbedürftig. Fraglich ist demnach wann die Beteiligungsquote des Staates und der sich hieraus ergebende Einfluss ausreicht, um eine Grundrechtsfähigkeit zu verneinen.

Bei den Betreibergesellschaften handelt es sich durchweg um Aktiengesellschaften[119] (vgl. S. 12). Nach § 17 Abs. 1 AktG liegt Abhängigkeit eines Unternehmens von einem anderen, sogenannten „herrschenden Unternehmen“ vor, wenn dieses mittelbar oder unmittelbar einen „beherrschenden Einfluss“ ausübt. Dieser wird nach der Vermutung des Abs. 2 bei Mehrheitsunternehmen von dem größten Anteilseigner ausgeübt. Damit kann ein Anteilseigner auch mit weniger als der Hälfte der Aktien einen „beherrschenden“ Einfluss ausüben, solange kein anderer einen größeren Anteil auf sich vereint. Die Quote für sich allein kann demnach kein Kriterium für den geforderten entscheidenden Einfluss des Staates sein[120]. Dieser kann nach der Rechtsprechung des BGH durchaus ein „Unternehmen“ i.S.v. § 17 AktG sein[121]. Die Einflussnahme des Staates durch dessen Vertreter ist jedoch auch bei einer Aktienmehrheit nicht völlig unbeschränkt. Zwar müssen diese im Falle der Beteiligung des Bundes nach § 65 Abs. 6 BHO die Interessen des Bundes berücksichtigen, Vorstand (§ 93 AktG) und Aufsichtsrat (§ 116 AktG) sind aber an erster Stelle den wirtschaftlichen Interessen des Unternehmens verpflichtet[122]. Folglich müsste eigentlich die Satzung des Unternehmens die Wahrung der öffentlichen Interessen als Gesellschaftszweck beinhalten, um dem Mehrheitsaktionär „Staat“ weitgehende Handlungsfreiheit zu gewähren[123].

 

Da demnach die Bestimmung, ob die Beteiligung des Staates an einem Energieunternehmen ausreicht, um dem vorgegebenen Kriterium des entscheidenden Einflusses zu genügen, nicht allein anhand der Beteiligungsquote zu treffen ist, muss zusätzlich für jedes der Unternehmen separat untersucht werden, wann ein Beschluss möglich ist und welche Beschränkungen und Verpflichtungen hierfür gelten. Diese Beurteilung ist im Einzelfall zu treffen und kann für EnBW[124], durchaus zu einem anderen Ergebnis führen als bei E.ON[125].

 

Allein schon wegen der Beteiligung privater Minderheitsaktionäre jedem Unternehmen, welches in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft organisiert ist eine Grundrechtsträgerschaft zuzugestehen[126] ist allerdings verfehlt. Diese privaten Anteilseigner sind nämlich auch durch den Minderheitsschutz im Aktienrecht geschützt[127]. Handelt der

 

Mehrheitsaktionär Staat zudem entgegen der wirtschaftlichen Interessen des Unternehmens haftet er den Privaten gegenüber[128]. Dem Staat hingegen stünde durch die Beteiligung weniger Privater die vielbeschriebene „Flucht ins Privatrecht“[129] offen, mit der er sich dann konsequenterweise seiner Grundrechtsbindung aus Art. 20 Abs. 3 GG entziehen würde. Das BVerfG hat deshalb auch schon in früheren Entscheidungen festgehalten, dass die Rechtsform allein kein ausschlaggebendes Kriterium darstellt, sondern vielmehr die Funktion entscheidend sei[130].

 

d) Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben

 

In der HEW-Entscheidung[131] hat das BVerfG erneut[132] festgestellt, dass eine juristische Person, dessen Funktion in der Wahrnehmung gesetzlich zugewiesener und geregelter öffentlicher Aufgaben der Daseinsvorsorge besteht, nicht grundrechtsfähig sein kann. Der erste Senat ordnete die Stromversorgung als eine Aufgabe der „Daseinsvorsorge“132 [133] ein und argumentierte dabei mit den Bindungen an das EnWG[134]. Bei den Betreibergesellschaften liegt mit der Stromerzeugung aus Kernenergie möglicherweise eine vergleichbare Tätigkeit vor. Somit gilt es zu überprüfen, ob die vom BVerfG aufgestellte These hierauf anwendbar ist bzw. auch mehr als 20 Jahre später noch die Stromversorgung als „Daseinsvorsorge“ klassifiziert werden kann. Seit der Entscheidung im Jahre 1990 wurde das EnWG mehrfach inhaltlich verändert. Die einschneidendste Änderung wurde 1997 durch die Liberalisierung des Strommarktes durch das „Gesetz zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts“[135] beschlossen. Es sollte vor allem auf dem Strommarkt mehr Wettbewerb gewährleistet werden und die faktische Monopolstellung der vorhandenen...

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