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E-Book

Arbeitsrechtliche Folgen aus Unternehmensumstrukturierungen

AutorAndrea Sommerfeld
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl110 Seiten
ISBN9783656572985
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis34,99 EUR
Masterarbeit aus dem Jahr 2013 im Fachbereich Jura - Zivilrecht / Arbeitsrecht, Note: 1,7, Hochschule Osnabrück, Veranstaltung: Arbeitsrecht/ Gesellschaftsrecht, Sprache: Deutsch, Abstract: Mehr denn je sind Unternehmen durch die andauernde Finanz-und Wirtschaftskrise gezwungen ihre Finanzlage, ihre eigene Unternehmens-und Betriebsstruktur sowie künftige wirtschaftliche Chancen und Risiken zu überprüfen. Die Masterarbeit gibt einen zusammenfassenden Überblick über die arbeitsrechtlichen Folgen mit einer schwerpunktmäßigen kollektivrechtlichen Betrachtung. Im ersten Abschnitt werden zur Einführung der Begriff Umstrukturierung bestimmt und die relevanten arbeitsrechtlichen Begrifflichkeiten Betrieb, Unternehmen und Konzern kurz erläutert. Schwierigkeiten ergeben sich bei der Ermittlung der kollektiven Beteiligungsrechte und anderen arbeitsrechtlichen Folgen daraus, welche Ebene durch die Umstrukturierungsmaßnahme betroffen ist. Zu unterscheiden ist in die gesellschaftsrechtliche Unternehmensebene, die betriebliche Ebene oder gemischte gesellschaftsrechtliche und personell-betriebliche Vorgänge. Es werden zu jeder Ebene beispielhafte Umstrukturierungsmaßnahmen dargestellt und ihre arbeitsrechtlichen Folgen identifiziert. Im zweiten Abschnitt werden die ermittelten kollektiven Beteiligungsrechte dargestellt. Thematischer Schwerpunkt ist die Betriebsänderung mit ihren Tatbeständen nach § 111 BetrVG mit den Rechtsfolgen Interessenausgleich und Sozialplan nach § 112 BetrVG. Ein eigenständiger Unterlassungsanspruch im Wege der einstweiligen Verfügung durch den Betriebsrat bei Betriebsänderungen konnte auf Grund eines Widerspruches zur betriebsverfassungsrechtlichen Systematik von Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechten nicht bejaht werden. Daneben werden u.a. umwandlungsrechtliche Beteiligungsrecht, der Wirtschaftsausschuss nach § 106 BetrVG und als Exkurs die Massenentlassung nach § 17 KSchG betrachtet. Der dritte Abschnitt widmet sich dem zweiten Schwerpunktbereich der Masterarbeit dem Betriebsübergang nach § 613 a BGB. Es werden der Tatbestand und dessen Rechtsfolgen ausführlich erläutert. Das nationale Betriebsverfassungsgesetz und dessen Rechtsprechung unterliegen der Anpassung an europäische Vorgaben. Vermeidungs- und Abmilderungsstrategien werden aufgezeigt. Im abschließenden Teil werden zur Vervollständigung der Thematik individualarbeitsrechtliche Folgen überblickartig z.B. Versetzungen, betriebsbedingte Kündigung, Aufhebungsverträge dargestellt.

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Leseprobe

C. Ausgewählte arbeitsrechtliche Problemfelder aus Umstrukturierungen


 

Die kollektiven Beteiligungsrechte der Arbeitnehmervertretungen aus dem Betriebsverfassungsgesetz bestehen hinsichtlich sozialer (§§ 87-91 BetrVG), personeller (§§ 92-104 BetrVG) und wirtschaftlicher Angelegenheiten (§§ 106113 BetrVG). Sie sind ihrer Intensität nach abgestuft. Die schwächste Form der Beteiligung ist das Unterrichtungsrecht, gefolgt vom dem Anhörungsrecht, der Beratung und dem Widerspruchsrecht. Diese Rechte werden auch als Mitwirkungsrechte bezeichnet, die entweder ein eigenständiges Beteiligungsrecht darstellen oder eine Vorstufe des Zustimmungsverweigerungsrechts und dem bedeutendsten Recht, der Mitbestimmung sind.[95]

 

Die Beteiligungsrechte aus den §§ 87-113 BetrVG der betriebsverfassungsrechtlichen Organe stehen bei ihrer Einschlägigkeit nebeneinander.[96] Da es kein einheitliches Arbeitsgesetz gibt, sind die betriebsverfassungsrechtlichen Normen keine abschließenden Rechtsquellen. Vielmehr bestehen in weiteren Gesetzen u.a. dem UmwG und dem KSchG zusätzliche, beachtenswerte Rechte der Arbeitnehmervertretungen. Alle Beteiligungsrechte haben entscheidenden Einfluss auf die Ausgestaltung, den Zeitablauf und die Kosten einer Umstrukturierung.[97]

 

I. Betriebsänderung als Maßnahme einer Umstrukturierung


 

Der Begriff Betriebsänderung ist im Gesetz nicht definiert. Der § 111 S.3 BetrVG gibt Tatbestände wirtschaftlicher Entscheidungen an, die als Betriebsänderung nach § 111 S.1 BetrVG gelten. Bei Unsicherheit, ob eine organisatorische Maßnahme eine Betriebsänderung darstellt, kann dies vom zuständigen Arbeitsgericht vorab auf Antrag des Arbeitgebers oder des Betriebsrates im Beschlussverfahren geklärt werden.[98]

 

1. Geltungsbereich der Betriebsverfassung


 

Die Beteiligungsrechte aus §§ 111 ff. BetrVG und weitere betriebsverfassungsrechtliche Rechte sind grundsätzlich nur anwendbar, wenn der Sachverhalt in den sachlichen (Begriff des Betriebs) und persönlichen (Begriff des Arbeitnehmers) Geltungsbereich des Betriebsverfassungsrechtes fällt. Dieses ist nach dem Territorialitätsprinzip nur innerhalb der Grenzen der Bundesrepublik Deutschland einschlägig.[99]

 

Für die Definition des Betriebes wird auf den Abschnitt B.I.2. verwiesen. Das entscheidende Kriterium, neben dem arbeitstechnischen Zweck und dem Vorhandensein von Betriebsmitteln, ist die organisatorische Einheit. Diese drückt sich in einer eigenen einheitlichen Leitung aus, die selbstständig den Einsatz der Mitarbeiter steuert, insbesondere die Entscheidungsbefugnis in sozialen und personellen Angelegenheiten ausübt.[100]

 

In einem eigenständigen Betrieb kann als Betriebsverfassungsorgan nach § 1 I BetrVG ein Betriebsrat gebildet werden, wenn fünf oder mehr Arbeitnehmer beschäftigt sind. Hat ein Unternehmen mehrere Betriebe, wird auf Unternehmensebene durch die einzelnen Betriebsräte gem. § 47 I BetrVG ein Gesamtbetriebsrat gebildet.

 

Ein Betriebsteil ist ein räumlich, organisatorisch abgrenzbarer und relativ verselbstständigter Teil des Betriebes, d.h. eine in die Organisation eines Betriebes eingegliederte und auf dessen Zweck ausgerichtete Einheit.[101] Betriebsteile gelten, wenn sie die Voraussetzungen der §§ 1 I S.1, 4 S.1 BetrVG erfüllen, als selbstständige Betriebe. Es können auch mehrere Unternehmen einen gemeinsamen Betrieb führen (Gemeinschaftsbetrieb).[102] Diese Gestaltung findet sich in § 1 I S.2, II BetrVG.

 

Arbeitnehmer i.S.d. Betriebsverfassungsrechtes sind nach § 5 I BetrVG Arbeiter und Angestellte sowie Auszubildende. Der § 5 II, III BetrVG schließt Personengruppen wie Organmitglieder oder leitende Angestellte aus dem Anwendungsbereich aus. Von der Zahl der Arbeitnehmer hängt es ab, ob und welche Betriebsverfassungsorgane gebildet werden, sowie welche Beteiligungsrechte anwendbar sind.[103]

 

2. Anwendbarkeitsvoraussetzung nach § 111 S.1 BetrVG


 

Der § 111 BetrVG stellt die Grundnorm der Betriebsänderung dar und normiert unter welchen Voraussetzungen gem. § 111 S.1 BetrVG und in welchen Fällen gem. § 111 S.3 BetrVG eine Betriebsänderung vorliegt.[104]

 

a) Größe des Unternehmens und Arbeitnehmerzahl

 

Die Beteiligungsrechte greifen gem. § 111 S.1 BetrVG nur, wenn in der Regel mehr als 20 Arbeitnehmer in dem Unternehmen beschäftigt sind.

 

Nach der Betriebsverfassungsreform im Jahr 2001 ist als Anknüpfungsobjekt nicht mehr der Betrieb als betriebsverfassungsrechtliche Organisationseinheit und seine Größe maßgeblich, sondern die Personalstärke des Unternehmens.[105] Mit dem neuen Anknüpfungspunkt soll die Möglichkeit von größeren Unternehmen ihre Betriebe zu zerstückeln und damit eine Umgehung der Beteiligungsrechte zu erlangen, gemindert werden.[106] Führt daher ein Unternehmen mit mehr als 20 Arbeitnehmern mehrere eigenständige Betriebe ggf. mit weniger als 20 Arbeitnehmern, ist der Anwendungsbereich des § 111 BetrVG gleichwohl eröffnet.

 

Ausgenommen sind nur Kleinstunternehmen, die weniger als 20 Arbeitnehmer haben; auch wenn sie einem Konzern angehören. Eine planwidrige Regelungslücke und daher eine Konzernberechnung sind nicht ersichtlich, da dem Gesetzgeber diese Problematik bekannt gewesen sein dürfte.[107] Die Verselbstständigung von Betrieben unter 20 Arbeitnehmern zu Kleinstunternehmen kann dazu führen, dass § 111 S.1 BetrVG unterschritten wird.[108]

 

Der Anknüpfungspunkt des Unternehmensbegriffes bei Gemeinschaftsbetrieben ist strittig. Nach der herrschenden Meinung werden die Beschäftigungszahlen von den Unternehmen, die den Gemeinschaftsbetrieb führen, nicht mehr addiert.[109] Vielmehr soll auf Grund des Wortlautes für jedes Unternehmen getrennt geprüft werden, ob es die Voraussetzungen des § 111 S.1 BetrVG erfüllt.

 

Die Ermittlung der regelmäßigen Beschäftigungszahl ist immer wieder Streitgegenstand bei der Einschlägigkeit von Beteiligungsrechten. Im Regelfall wird sie durch einen Rückblick und eine Einschätzung der zukünftigen Entwicklung feststellt.[110] Schwierigkeiten ergeben sich beim Personalabbau in sogenannten ,Entlassungswellen4 bis hin zur endgültigen Betriebsstilllegung.

 

Beispiel 6: [111] Das Unternehmen A besteht seit dem Jahr 1998. Es hat zunächst 25 Arbeitnehmer. Wegen einer Rationalisierungsmaßnahme wurden zum März 2001 acht Arbeitnehmer gekündigt, sodass nur 17 Arbeitnehmer verbleiben. Die Auftragslage stabilisiert sich zunächst und das Unternehmen A führt den Betrieb fort. Im Dez. 2001 beschließt A die Stilllegung des Betriebes auf Grund eines massiven Liquiditätsengpasses.

 

Erweist sich der erste Personalabbau nur als eine Vorstufe im Sinne einer einheitlichen unternehmerischen Planung mit der nachfolgenden Maßnahme z.B. durch einen geringen Zeitabstand zur späteren Betriebsstilllegung, so bleibt die ursprüngliche Beschäftigungszahl maßgebend.[112] Sollte dagegen die erstmalige Personalverminderung eine Fortführung des Betriebes ermöglichen, so ermittelt sich die Zahl der in der Regel Beschäftigten aus der Belegschaftsstärke der Zwischenstufe.[113]

 

In Beispiel 6 wäre die Arbeitnehmerzahl von 17 maßgeblich und damit der § 111 S.1 BetrVG nicht erfüllt.

 

b) Wesentliche Nachteile für die Belegschaft

 

Eine weitere Voraussetzung ist das Vorliegen wesentlicher Nachteile für die Belegschaft durch die Betriebsänderung. Der Verlust des Arbeitsplatzes, ein geringerer Verdienst oder eine immaterielle Schlechterstellung sind entsprechende Kriterien.[114] Das tatsächliche Eintreten dieser wesentlichen Nachteile soll für die Erfüllung des Tatbestandes nicht erforderlich sein. Vielmehr reicht es aus, dass diese für die Arbeitnehmer nicht ausgeschlossen werden können.[115]

 

Bei den in § 111 S.3 Nr.1-5 BetrVG genannten Fällen wird gesetzlich vermutet, dass diese wesentliche Nachteile für die Arbeitnehmer mit sich bringen. Der Tatbestand wird fingiert.[116]

 

c) Erheblicher Teil der Belegschaft

 

Der § 111 S.1 BetrVG verlangt zudem, dass die wesentlichen Nachteile die ganze oder einen erheblichen Teil der Belegschaft berühren.

 

Die Rechtsprechung hat in Anlehnung an die Schwellenwerte der Massenentlassung in § 17 KSchG Richtwerte festgelegt, wann ein erheblicher Teil der Belegschaft betroffen ist. Abweichend von § 17 I S.1 KSchG müssen im Rahmen des § 111 BetrVG mindestens 5 % der Belegschaft betroffen sein.[117]

 

Schematisch dargestellt ergibt sich folgende Einteilung:[118]

 

 

Abbildung 4: Schwellenwerte der Erheblichkeit i.S.d. § 111 S.1 BetrVG

 

d) Bestehen und Zuständigkeit eines Betriebsrates

 

Die Zuständigkeit des Betriebsrates ergibt sich aus § 1 BetrVG für die örtlichen Einzelbetriebsräte. Wenn die Maßnahme auf einem unternehmenseinheitlichen oder zumindest...

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