1. Sender und Empfänger: Bedingungen der kommunalen Medienarbeit
1.1 Bürgermeister und Journalisten: In weiter Ferne, so nah
Medienarbeit von Rathäusern wird oft missverstanden als ein Sich-selbst-auf-die-Schulter-Klopfen des amtierenden Stadt- oder Gemeindeoberhaupts. In Wahrheit aber ist Information Bürgerservice. Die Medienarbeit zielt darauf – wie es die Autoren einer Darstellung zur Öffentlichkeitsarbeit einmal formuliert haben –, „die Bürgerinnen und Bürger über die Möglichkeiten ihrer Mitwirkung aufzuklären und durch Informationsarbeit Beweggründe und Zusammenhänge kommunaler Entscheidungen zu verdeutlichen.”[1] Damit trägt Information nicht nur dazu bei, dass sich öffentliche Meinung bildet – was für eine funktionierende Demokratie von zentraler Bedeutung ist –, sondern sie kann auch helfen, das Interesse am Gemeinwesen insgesamt zu fördern und damit bürgerschaftliches Engagement zu stärken.
Dabei hat es die öffentliche Verwaltung leichter in die Medien zu kommen, als die Privatunternehmen. Was Behörden entscheiden, hat Konsequenzen für alle oder zumindest für viele. Die öffentliche Verwaltung ist gewissermaßen von uns allen beauftragt, sich um uns zu kümmern. Daher verschafft sie sich leichter Gehör als ein Unternehmen, das in letzter Konsequenz vor allem Kunden werben will. Zwar verkauft auch das Rathaus gewissermaßen ein Produkt, nämlich die Verwaltung, die Stadt. Aber der Kunde – sei es der Bürger, der Investor, das Unternehmen – kann sich diesem Angebot nicht entziehen; es sei denn, er flüchtet in eine andere Stadt.
Sieht sich ein Privatunternehmer mit unliebsamen Fragen konfrontiert, darf er einfach schweigen, ohne einen Grund dafür zu nennen. Anders das Rathaus: Als öffentliche Behörde muss es sich grundsätzlich äußern. Allerdings gelten bestimmte Einschränkungen, etwa der Datenschutz oder die Sicherheit von schwebenden Verfahren. Das aber muss der Bürgermeister den Medien plausibel machen; zunächst einmal hat er eine informationstechnische Bringschuld. So ist das Dasein als öffentliche Verwaltung, kommunikationstechnisch gesehen, Fluch und Segen zugleich.
Stärker noch als im Raumschiff Berlin mit seinen Heerscharen an Beratern, Büroleitern, Referenten, Pressestäben und Protokollwächtern sind sich Bürgermeister und Journalisten im Lokalen oft ziemlich nah. Unter dem Mantel des offiziell Gedruckten und Gesendeten bildet sich eine Vertraulichkeit, die einer Symbiose ähnelt. Da gibt es „Menschliches, allzu Menschliches”, um es mit einem Werktitel des Philosophen Friedrich Nietzsche zu sagen.
Hier ein paar reale Beispiele; keines von ihnen fand jemals seinen Weg in die Zeitung:
– | Ein Bürgermeister bittet einen Journalisten bei einem öffentlichen Festakt um Amtshilfe: Er soll das wieder einmal betrunkene Stadtoberhaupt aus der Nachbarkommune dezent aus dem Saal entfernen. |
– | Ein Journalist scheut sich nicht, in Gegenwart von Verwaltungsvertretern und Kollegen anderer Medien zu erzählen, wie er sich mit der Ex-Frau eines allen bekannten früheren Rathauschefs eingelassen habe. |
– | Ein Redakteur nutzt für die Ferien das südländische Urlaubsdomizil eines Bürgermeisters, mit dem er im gleichen Tennisclub spielt. |
– | Ein Magistratsmitglied lästert vor Journalisten über die Kochkünste seiner Frau. |
– | Ein Politiker vertraut Journalisten an, er habe vor einigen Jahren während einer Affäre an Selbstmord gedacht. |
So sitzen sie sich denn, wechselweise einander feindlich gesinnt oder treuherzig verbunden, gegenüber: die Journalisten und die Politiker.
Reichskanzler Otto von Bismarck wird das Wort zugeschrieben, ein Journalist sei jemand, der seinen Beruf verfehlt habe, und Bundeskanzler Helmut Schmidt soll Journalisten einmal als „Wegelagerer” abgekanzelt haben. Andere halten den Berufsstand generell für arrogant. Eine Zeichnung im Pariser Musée d’Orsay zeigt einen Journalisten des 19. Jahrhunderts, der die Füße auf den Schreibtisch gelegt hat, süffisant an einem Zigarillo zieht und für den die ganze Welt offenbar nur niederes Pack ist, über das alleine er zu urteilen berufen ist. Journalisten können ein Ärgernis sein, weil sie den Schleier des „Bla-bla” lüften und die Dinge auf den Punkt bringen wollen. Manche aber sonnen sich gerne im Schein lokaler Honoratioren und ecken bei ihnen lieber nicht an. Wieder andere führen einen Kreuzzug, sei er privat oder parteipolitisch motiviert. Von Sachargumenten unbehelligt, hangeln sie sich von Bericht zu Bericht, Kommentar zu Kommentar, um dem Bürgermeister oder wem auch immer eins auszuwischen, und lassen sich kaum vom Pfad der Untugend abbringen. Dann wiederum gibt es Journalisten, die ihre Verantwortung ernst nehmen, berichten und kommentieren ohne Rücksicht auf persönliche Sympathie, Antipathie oder politische Couleur, die sich einzig der Wahrheit (soweit dies jedenfalls möglich ist) verpflichtet fühlen, und ihren Lesern, Zuhörern oder Zuschauern mit sicherem Fachurteil Pfade durch den Informationsdschungel weisen. Unter Journalisten, das lernen wir daraus, gibt es „solche und solche” – es ist wie überall im Leben. Der Journalist ist nicht der bessere, aber auch nicht der schlechtere Mensch. Die Nachteile dieses Berufsstandes müssen wir unter „Folgekosten der demokratisch-freiheitlichen Ordnung”[2] verbuchen. Aber Gleiches könnten wir auch von manchem politischen Mandatsträger sagen.
Lästern Politiker über Journalisten, sind sie jedoch gelegentlich auch von Selbstzweifeln geplagt, was ihren Berufsstand angeht. Bisweilen sagen sie hinter vorgehaltener Hand, Politik sei ein schmutziges Geschäft, und mancher Politiker besteht darauf, er sei eigentlich gar keiner. Doch ähnliches wie bei den Journalisten gilt auch bei ihnen: Sie sind nicht besser und nicht schlechter als andere Menschen auch, grundsätzlich nicht fähiger oder unfähiger als Zollbeamte, Automechaniker, Seminarleiter, Universitätsdozenten, Gabelstaplerfahrer und Hals-Nasen-Ohren-Ärzte. Läuft etwas schief, erfahren es nur alle viel schneller. Dafür sorgt schon die Opposition, oder aber die Medien erledigen das.
Politiker und Journalisten leben in einer Symbiose. Sie kritisieren einander, lästern übereinander und brauchen doch einander: Der Politiker sucht die Publicity, der Journalist das Übel, und jeder nimmt dabei die negativen Züge des jeweils anderen in Kauf. Es ist eine Art Symbiose wie beim Hai, an den ein Putzerfisch andockt, um die Kleinlebewesen auf der Haut des Hais zu fressen, wodurch er den Raubfisch gleichzeitig säubert. Fragt sich nur, wie es einmal der Journalist Heribert Prantl von der Süddeutschen Zeitung formuliert hat, „wer der Hai ist und wer der Putzerfisch”[3].
Bisweilen müssen Journalisten nicht andocken, sondern werden eingeladen. Sich die Medien durch Geschenke gefügig zu machen, ist allerdings ein höchst riskantes Unterfangen. Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft, und eine Einladung zum Essen kann es auch einmal sein. Es ist aber wie vieles im Leben eine Frage des Fingerspitzengefühls und der Verhältnismäßigkeit. Bei einem allzu opulenten Fünf-Gänge-Menu kann sich der Journalist leicht korrumpiert fühlen – jedenfalls, wenn er sonst nicht in Kreisen verkehrt, in denen solche Geschäftsessen üblich sind. Aber die Würstchenbude muss es auch nicht sein – es sei denn, der Anlass gibt das her. Pressestammtische wiederum folgen ganz anderen Gesetzen. Doch davon später mehr.
Maßhalten jedenfalls gilt auch bei Geschenken. Sie sollten mehr durch Originalität glänzen als durch ihren Wert in Euro und Cent. Gemäß dem Pressekodex, der die journalistischen Standesregeln festlegt, müssen sich Präsente im Rahmen halten.[4] Diesen Rahmen zu setzen, gleicht bisweilen einem Drahtseilakt.
1.2 Rechtsfragen: Was Justitia spricht
1.2.1 Behörden müssen reden: Die Auskunftspflicht
Wir waren zu Anfang bereits auf die Auskunftspflicht zu sprechen gekommen. In mehr oder minder abgewandelter Form ist sie in den 16 Landesmediengesetzen festgeschrieben und letztlich die Basis der Medienarbeit in der öffentlichen Verwaltung. Wortwahl und Paragrafennummer unterscheiden sich zwischen den Ländern, die hessische Variante beispielsweise lautet: „Die Behörden sind verpflichtet, der Presse die gewünschten Auskünfte zu erteilen.”[5] Es folgen diverse Ausschlussgründe.
Der Auskunftsanspruch der Medien leitet sich ab aus dem Grundgesetz (GG), demzufolge alle das Recht haben, sich „aus allgemein zugänglichen Quellen zu unterrichten”[6]. Um ihrer Aufgabe nachzukommen, müssen sich Medien allerdings nicht an diese „allgemein zugänglichen Quellen” halten. Gegenüber Behörden haben sie einen weiter gehenden Anspruch auf Information; allerdings muss es ein öffentliches Interesse an einer Antwort...