2.1 Paradigmenwechsel
In diesem Kapitel wird der Begriff „Paradigma“ definiert, um hieraus den Ausdruck „Paradigmenwechsel“ abzuleiten. Dies geschieht an Hand Thomas Samuel Kuhns Werk „Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen“.
Laut Kuhn muss eine Theorie, um als Paradigma angenommen zu werden, „besser erscheinen, als die mit ihr im Wettstreit liegende[…].“[20]. Das Paradigma wird als vorherrschendes Denkmuster einer bestimmten Zeit angesehen. Der Schritt zum Paradigmenwechsel erfolgt nach Kuhn auf Grund bestimmter Anomalien, die mit der gültigen Lehrmeinung nicht übereinstimmen.[21]. Erweist sich die Wissenschaft als fähig, diese Anomalien bzw. Probleme zu lösen, spricht Kuhn von einer „wissenschaftlichen Revolution“ bzw. einem „Paradigmenwechsel“: „[...] ein älteres Paradigma wird ganz oder teilweise durch ein nicht mit ihm vereinbares neues ersetzt“[22]. Ein solcher Paradigmenwechsel fand generell in der Wirtschaft beim Wechsel von der Produkt- zur Kundenorientierung statt und lässt sich auch auf die Krankenhauslandschaft übertragen. Dies wird in Kapitel 5.2 näher ausgeführt.
In der betriebswirtschaftlichen Literatur finden sich nur sehr wenige exakte und umfassende Definitionen des Begriffs „Kunde“. Allgemein gelten Kunden seit dem 16. Jahrhundert als Subjekte, die in Geschäften einkaufen und deshalb dort bekannt sind.[23] Die Auslegung des Begriffs hängt stark von der Art des konsumierten Produkts bzw. der Dienstleistung ab. Nach der Deutschen DIN EN ISO 8402 sind Kunden „Empfänger eines vom Lieferanten bereitgestellten Produkts“[24] und können im Rahmen einer Vertragssituation auch als Auftraggeber bezeichnet werden. Sie können überdies in Beziehung zur Organisation entweder extern oder intern sein.[25]
Homburg und Krohmer leiten ihre Erklärung aus den Teilnehmern eines Marktes[26] ab (Anbieter und Nachfrager). Demnach treten Kunden als Nachfrager am Markt auf, die Produkte eines Unternehmens kaufen oder gekauft haben, um ihre Bedürfnisse[27] zu befriedigen. Kunden können (ebenso wie Anbieter) Individuen oder Organisationen sein.[28] Bei Institutionen, die nicht direkt vom Empfänger der Dienstleistungen beauftragt werden, ist der Kunde eher gleichzusetzen mit dem Leistungsempfänger, bzw. dem Akzeptierenden eines Produkts oder einer Organisation dem es möglich ist, dessen Qualität (mit-) zu bestimmen.[29] Dies verspricht eine Identifikation des Kunden mit dem Unternehmen.[30]
Dem Marketing kommt in Unternehmen die Aufgabe zu, Marktveränderungen rechtzeitig zu erkennen und auf sie zu reagieren. Da es immer schwieriger wird Wettbewerbsvorteile zu generieren und Kunden langfristig an ein Unternehmen zu binden, spielt Marketing als zentrale Denkhaltung im Unternehmen eine zentrale Rolle: „[Marketing] konkretisiert sich in der Analyse, Planung, Umsetzung und Kontrolle sämtlicher interner und externen Unternehmensaktivitäten, die durch eine Ausrichtung der Unternehmensleistungen am Kundennutzen im Sinne einer konsequenten Kundenorientierung darauf abzielen, absatzmarktorientierte Ziele zu erreichen.“ [31] Diese Definition beruht auf Veränderungen der wirtschaftlichen und wettbewerblichen Rahmenbedingungen der letzten Jahrzehnte, in denen verschiedene Entwicklungsphasen der Unternehmensführung durchlaufen wurden. Dem schließen sich Homburg und Krohmer an, schließen jedoch zusätzlich die externen Aktivitäten eines Anbieters und die internen Voraussetzungen für den Markterfolg mit ein: „[Marketing umfasst] die Konzeption und Durchführung marktbezogener Aktivitäten eines Anbieters gegenüber Nachfragern oder potenziellen Nachfragern seiner Produkte (physische und/ oder Dienstleistungen) [...]. [Es bedeutet] die Schaffung der Voraussetzungen im Unternehmen für die effektive und effiziente Durchführung dieser marktbezogenen Aktivitäten [...] nach der Leitidee der Marktorientierung [und zielt] auf die optimale Gestaltung von Kundenbeziehungen ab.“[32]
In der Phase der Produktorientierung der fünfziger und sechziger Jahre konnte der Markt mit Massenprodukten befriedigt werden. Es herrschte eine Unternehmensführung auf Basis der hergestellten Produkte, der sogenannte Verkäufermarkt, vor. In den siebziger Jahren folgte eine Wandlung vom Verkäufer- zum Käufermarkt. Dieser beruhte auf einem Überangebot an Waren und somit einer Wahlmöglichkeit der Konsumenten. Um die Bedürfnisse der Kunden zu identifizieren und bedienen zu können, stieg der Einsatz von Methoden zur Marktforschung, Marktsegmentierung und Produktpositionierung. Die achtziger Jahre waren dadurch gekennzeichnet, dass es nun notwendig wurde die eigenen Produkte und Dienstleistungen von denen der Konkurrenz abzugrenzen. Von hier an spielte das Wort „Kundenorientierung“ basierend auf einer Untersuchung von Peters und Waterman[33] zunehmend eine Rolle. In den neunziger Jahren gewann die kundenbezogene Unternehmensführung und damit die flexible, individuelle Behandlung der Kunden zunehmend an Bedeutung[34].
Die konsequente Ausrichtung der Unternehmensaktivitäten entlang der Bedürfnisse und Wünsche der Kunden, um langfristig profitable Geschäftsbeziehungen aufzubauen, wird laut Goetz Greve als aktuell letzte Stufe dieser historischen Entwicklung gesehen.[35] Vielfach ist daher auch die Rede von einem Wechsel vom Ad-Hoc-Marketing oder transaktionsorientierten Marketing zum Customer Relationship Management [36], bzw. zur Kunden- und Beziehungsorientierung [37]. Manfred Bruhn nennt ausgehend von einer prognostizierten Situation des „Hyperwettbewerbs“ noch eine Phase der Netzwerkorientierung. Diese weitet den Fokus auf den Aufbau kernkompetenzbasierter Unternehmensnetzwerke aus, um mittels strategischer Allianzen potenzielle Wettbewerbsvorteile generieren zu können. [38]
Der Produktlebenszyklus zeigt die Entwicklung eines Produktes am Markt. Er basiert auf der Annahme, dass die Entwicklung eines Produktes oder einer Produktklasse nach einem festgelegten idealtypischen Schema erfolgt, wobei unterschiedliche (Lebens-) Phasen durchlaufen werden (und zwar unabhängig von der Lebensdauer). Die eigenen Produkte und die der Konkurrenten werden in diese eingeteilt. Das Konzept des Produktlebenszyklus stammt aus dem strategischen Marketing und erlaubt die Ableitung von Entscheidungen zur Marktbearbeitung.[39] In der Literatur existieren diverse Ableitungen und Weiterentwicklungen des Produktlebenszyklus (Arthur D. Little Produktlebenszyklus, McKinsey Produktlebenszyklus, BCG Matrix u.a.).
Abbildung 1: Produktlebenszyklus (Quelle: M&DC, http://www.mdcegypt.com, Zugriff am 19.04.2010)
Die Produktlebenszyklusanalyse basiert auf der Lebenszyklusanalyse der Adaptions- und Diffusionsforschung.[40] Diese bezieht sich auf strategisch relevante Planungsobjekte, wie Produkte, Marken, Branchen, Kunden u.a.[41]
Aus dem transaktionsorientierten Produktlebenszyklus abgeleitet ergibt sich der beziehungsorientierte Kundenlebenszyklus, auf welchem das Customer Relationship Management basiert. Hierbei werden je nach Lebensabschnitt, in welchem sich der Kunde befindet, das spezifische Leistungsangebot, die Betreuung und die Ansprache individuell auf den Kunden zugeschnitten. Lebenssituation und Eigenheiten des Kunden müssen dabei berücksichtigt werden.[42]
Der Kundenlebenszyklus beschreibt ebenso wie der Produktlebenszyklus einen idealtypischen Verlauf über verschiedenen Phasen einer Kundenbeziehung. Somit wird die periodenübergreifende Betrachtungsweise des beziehungsorientierten Marketings miteinbezogen[43]. Die Phasen des Kundenbeziehungslebenszyklus sind Akquisition, Bindung und Rückgewinnung.
Mit dieser Methode ist es möglich die Dauer einer Kundenbeziehung an Hand ihrer Intensität bzw. Qualität zu beschreiben. Hierbei können drei verschiedene Indikatoren angewandt werden: [44]
1. Psychologische Indikatoren (Vertrauen, Loyalität u.a.)
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