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Das Management von Marktpreis- und Kreditrisiken im europäischen Stromgroßhandel

AutorAndreas Pschick
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2008
Seitenanzahl394 Seiten
ISBN9783638049610
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis39,99 EUR
Doktorarbeit / Dissertation aus dem Jahr 2008 im Fachbereich BWL - Unternehmensführung, Management, Organisation, Note: 2,0, Karl-Franzens-Universität Graz (Institut für Finanzwirtschaft), 500 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: Die Liberalisierungsschritte der Europäischen Kommission haben Veränderungen in den Handlungsweisen, Strategien und Einschätzungen der europäischen Stromhandelsunternehmen ausgelöst, um den neu aufgetretenen Risiken entlang der Stromhandelswertschöpfungskette Herr zu werden. Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, haben viele Stromhandelsunternehmen dementsprechend darauf reagiert und ihre Stromhandelskanäle für den temporeichen Wettbewerb bereits neu ausgerichtet. Ungeachtet der risikopolitischen Ausrichtung, der Unternehmensgröße, dem Handelsvolumen oder der Motive im Stromgroßhandel, steht das Management der Marktpreis- und das Kreditrisiken nach wie vor im Fokus aller europäischen Stromhandelsunternehmen. War man der Meinung, dass das Management von Preis- und Kreditrisiken einige Jahre nach Enron zur Routineangelegenheit werden würde, so wurden die Stromhandelsunternehmen eines Besseren belehrt. Stark gestiegene Rohstoffpreise, weitere Einschnitte der EU-Regulierer sowie die Einführung des Emissionshandels, stellen die europäischen Stromhändler immer öfter vor neue Aufgaben. Obwohl sich im Risikomanagement der europäischen Stromhandelsbranche in den letzten zehn Jahren Grundlegendes geändert hat, wird durch diese Arbeit sehr deutlich, dass die Qualität und die Möglichkeiten des Risikomanagements sowohl von der risikopolitischen Ausrichtung sowie der Umsatzstärke der Unternehmen abhängen. In welche Richtung sich das Risikomanagement im Stromgroßhandel in den nächsten Jahren entwickelt, wird sehr viel von künftigen Wettereinflüssen am Spotmarkt, Kapazitätsengpässen in der Stromerzeugung sowie der -übertragung, den regulatorischen Eingriffen der Europäischen Kommission und der Preisentwicklung der weltweiten Primärenergiemärkte abhängen. Die geplanten regulatorischen Eingriffe zur Schaffung eines besseren und vor allem transparenteren Wettbewerbes, notwendige Investitionen in neue Kraftwerkskapazitäten, die umweltpolitischen Ziele um Kyoto sowie die steigenden Primärenergiepreise lassen weiterhin stark steigende Strompreise in Europa in den nächsten Jahren erwarten. Dadurch werden die Stromhandelsunternehmen mit ständig neuen Risiken konfrontiert, denen mittels geeignetem Risikomanagement entgegengetreten werden muss.

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Leseprobe

1 Einleitung


 

1.1 Problemstellung und Ziel


 

Den Stromgroßhandel gibt es nicht erst seit den Liberalisierungsbestrebungen der Europäischen Union, sondern die Stromversorger handeln seit Jahrzehnten mit Elektrizität. Jedoch unterscheidet sich der Stromgroßhandel in den Aufgaben und Motiven von vor mit dem nach der Strommarktliberalisierung. Strom in großen Mengen wurde seit jeher gekauft und verkauft, wobei es sich weniger um den gewinnorientierten oder hedgenden Stromhandel, als mehr um einen kurzfristigen Austausch von Elektrizität zur Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit und Optimierung des eigenen Stromabsatzes, handelte. Bis Anfang der neunziger Jahre waren Stromhandelsmärkte durch eine monopolistisch staatliche Regulierung gekennzeichnet, wobei sich der Stromhandel ausschließlich innerhalb der Staatsgrenzen der europäischen Mitgliedsstaaten abspielte. Der Großhandel mit Strom beruhte auf zweiseitigen Lieferverträgen, die bilateral mit dem Käufer und Verkäufer oder dessen Vorlieferanten abschlossen wurden. Vor allem Stadtwerke und kleine Stromversorger deckten ihren Zusatzbedarf über fix vorgegebene Stromerzeuger, die ein Gebietsmonopol innehatten, ab und waren meist durch langjährige Stromliefervertrage gebunden. Große Stromkonzerne waren auch auf Ausgleichslieferungen von Konkurrenzunternehmen angewiesen, jedoch wurden diese nicht mit Geld sondern mit Ausgleichslieferungen bezahlt. Diese Zeit war von kaum volatilen Strompreisen innerhalb der Monopolgrenzen bestimmt, da einerseits eine Konkurrenz ausgeschlossen war und anderseits der Stromerzeuger als vertikal integriertes Unternehmen auftrat, in dessen Besitz die Wertschöpfungsstufen Erzeugung, Transport, Handel und Vertrieb waren.

 

Der wettbewerbsorientierte Stromgroßhandel und somit die Funktion des Stromgroßhändlers wie er heute vorherrscht, entstand erst mit der EU-Strommarktliberalisierung. Wurde vor der Liberalisierung der Stromgroßhandel gänzlich zwischen Vollversorger und Endkunde abgewickelt, so kommt seit der Liberalisierung dem organisatorisch und funktional getrennten Stromgroßhandel eine besondere Bedeutung zu. Im Sinne der Stromhandelswertschöpfungskette[1] stellt der Stromhandel das Bindeglied zwischen Stromproduktion und Stromvertrieb dar und ist somit indirekt die Verbindung zwischen Stromerzeugung und Endverbraucher. Zu Beginn der Liberalisierung galt der Stromgroßhandel als neue und unbekannte Disziplin im Energiehandelsgeschäft, wobei aber auf die Erfahrungen aus anderen Commodity-Bereichen wie Öl zurückgegriffen werden konnte. Es gilt jedoch zu berücksichtigen, dass das Commodity Strom physikalisch zu liefern ist und die Gesetze der Physik eingehalten werden müssen. Auch aufgrund der Eigenschaften des Commodities Strom ist ein direkter Vergleich mit anderen Energieträgern nicht möglich, was bei der Bewertung des Marktpreisrisikos dementsprechend zu berücksichtigen ist. Technisch gesehen bezeichnet Stromgroßhandel den Warenaustausch auf Höchstspannungsebene, der sich auf reine Stromlieferungen und finanzielle Geschäfte auf  Elektrizität bezieht.

 

Wie jedes Handelgeschäft findet auch der Stromhandel statt, um Angebot und Nachfrage in Einklang zu bringen, wobei dieser hauptsächlich zwischen den großen nationalen und internationalen Stromkonzernen, neuen Stromhändlern, unabhängigen Stromerzeugern und wenigen Stadtwerken, sowie an den Strombörsen stattfindet. Der physische Stromhandel wird hauptsächlich zur Beschaffungsoptimierung, also zur Optimierung des Einsatzes des eigenen Kraftwerksparks, durchgeführt und liefert einem vertikal integrierten Stromversorger alle Daten zur Kraftwerksoptimierung sowie Daten zur Vertriebssteuerung. Seit der Implementierung von börslichen Stromterminmärkten stehen den Marktteilnehmern jederzeit transparente Preise für ihre derivativen Absicherungsgeschäfte zur Verfügung. Im bilateralen Stromgroßhandel basierten die Absicherungsinstrumente Ende der neunziger Jahre auf Strompreisindices wie etwa dem deutschen GPI oder dem schweizerischen SWEP. Heute werden hauptsächlich die Preise von Strombörsen als Referenzpreise für bilaterale Stromhandelsgeschäfte herangezogen, was an den geringfügigen Unterschieden zwischen den Börse- und den OTC-Strompreisen erkennbar ist.

 

Den Stromversorgern ist es möglich, im Zuge des Fahrplanmanagements die Liefer- und Leistungspflichten in Termin- und Spotmarktprodukte zu zerlegen und zu handeln. Die Zusammenfassung aller Motive des Stromhandels und der dazu benötigten Stromhandelsprodukte kann als Portfoliomanagement verstanden werden. Wie in der nachfolgenden Abbildung ersichtlich, setzt sich das Stromhandelsportfolio eines Stromhändlers aus den verschiedensten physischen und derivativen Produkten zusammen. So werden neben den täglichen Optimierungsgeschäften am Spothandel auch Fahrpläne, Strom-Optionen zur  Bedarfsoptimierung, Forwards für Lieferungen in der Zukunft und Termingeschäfte mit einem Zeithorizont bis hin zu fünf Jahren gesteuert. Durch die Entwicklung von Spot- und Terminmärkten hat sich der Stromgroßhandel  hat gravierend geändert.  Stark steigenden Brennstoffpreise, zunehm-

 

 

Abbildung 1: Produkte im Stromgroßhandelsportfolio

 

[Quelle: E.ON]

 

ende Wetterturbulenzen, der vorgeschriebene Einsatz von Emissionszertifikaten, Vorwurf der Strommarktmanipulation sowie der Konkurs von Enron und die dadurch in Mitleidenschaft gezogenen Marktliquidität, haben erhebliche Unsicherheit und neu zu erkennende Risiken in die einst so sichere Strombranche gebracht. Das kurzfristige Geschäft über Spotmärkte unterliegt erheblichen Preisvolatilitäten und führt somit zu erheblichen Marktpreisrisiken, deren Besicherung vermehrt mittels Stromderivaten wie Forwards, Futures, Optionen oder Swaps erfolgt. Eine fehlende bzw. falsche Absicherungsstrategie gegen Preisrisiken mittels derivater Instrumente kann auch, wie am Beispiel der Metallgesellschaft, fatal enden.[2] Der Einsatz von Stromderivaten dient aber nicht nur dem Hedging von Marktpreisrisiken sondern auch zur Verfolgung der Strategie der Spekulation, die aber von nur sehr wenigen Stromhandelsunternehmen verfolgt wird.

 

Mit der Liberalisierung des Stromhandels hatten viele neue Marktteilnehmer diesen neuen Handelsmarkt betreten und auch bald wieder verlassen. So standen zu Beginn der Strommarktliberalisierung viele amerikanische Stromhandelsunternehmen, die ihre Stromhandelszentrale in England und Deutschland eröffneten, im Fokus der Stromhandelsbranche. Im Mittelpunkt des amerikanischen Engagements stand der Stromriese Enron, der mit seinen amerikanischen Mitstreitern für einen großen Liquiditätszufluss sorgte und somit viele kleine, jedoch finanzschwache und „non-rated“ Stromhandelsteilnehmer anlockte. Das jähe Ende des Enron-Gastspiels, das schließlich mit dem Konkurs des Stromgiganten endete, löste den Abzug aller amerikanischen Stromhandelshäuser aus, wodurch es zu einem drastischen Liquiditätseinbruch an den europäischen Strommärkten kam. Viele Stromhandelshäuser erlitten in dieser Zeit einen beträchtlichen, teilweise existenzbedrohlichen finanziellen Schaden aus Geschäftsbeziehungen mit Enron, wodurch ihre Ratings von den führenden Rating-Agenturen nach unten gesetzt wurden. Zu diesem Zeitpunkt war die seit Jahrzehnten geschützte Strombranche erstmals mit dem Kreditrisiko im Stromgroßhandel konfrontiert.

 

Der durch dieses Stromhandelsdilemma ausgelöste „Credit-Crunch“ hatte aber auch seine heilende Wirkung für die Stromhandelsbranche. Die Stromhandelshäuser lernten aus dieser Krise, verbesserten ihr Kreditrisikomanagement und implementierten strenge Limitsysteme, wodurch viele finanzschwache Geschäftspartner nur reglementiert oder gar nicht zum Stromhandel zugelassen wurden. Jedoch nicht nur die Stromhandelshäuser, die fast ausschließlich im bilateralen Stromhandel tätig waren, reagierten auf diese Krise. So bieten seit der Zeit nach Enron einige Strombörsen auch ein OTC-Clearing an, welches ein Kontrahentenrisiko ausschließt, da die Börse als zentraler Counterpart auftritt und offene Stromhandelspositionen mittels täglichem Margining ausgeglichen werden müssen.. Somit konnte mit der Implementierung des OTC-Clearings an Strombörsen ein wirkungsvolles Instrument gegen das Kreditrisiko im Stromgroßhandel geschaffen werden.

 

Neben den risikobedingten Erfordernissen zur Institutionalisierung eines Risikomanagements erweist sich auch die politische und regulatorische Komponente als nicht vernachlässigbar. In Zeiten stark steigender Primärenergieträgerkosten und den damit korrelierenden Strompreissteigerungen nimmt das Risiko staatlicher bzw. EU-weiter Eingriffe zur Regulierung dieser Strompreise immer stärker zu. Diese Eingriffe führen dazu, dass das Geschäftsergebnis eines Stromhandelsunternehmens einer sehr starken Unsicherheit und Schwankungsbreite unterworfen ist, was die Notwendigkeit eines unternehmensweiten Risikomanagements nur noch verstärkt. Neben dieser Gefahr der regulatorischen Eingriffe sehen sich Stromhandelsunternehmen zunehmend mit rechtlichen Vorschriften zur Transparenz, einer verpflichtenden Einführung  von Basel II sowie der wirtschaftlichen Notwendigkeit einer Einführung eines Risikomanagements konfrontiert. Obwohl sich Stromhandelsunternehmen einer Vielzahl an Risiken ausgesetzt sehen, legt der Autor den Fokus auf die Messung und Steuerung der Marktpreis- und Kreditrisiken, die...

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