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E-Book

Der dressierte Mann

AutorEsther Vilar
Verlaghockebooks
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl133 Seiten
ISBN9783957511447
FormatePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis2,49 EUR
In ihrer unkonventionellen Streitschrift dreht Esther Vilar die stereotypen Rollenmuster um und wurde damit zur Bestsellerautorin: Bei ihr ist die Frau der Herr im Haus. Sie dressiert den Mann, lässt ihn für sich arbeiten, für sich denken, für sich Verantwortung tragen. Der Mann ist stark, intelligent, phantasievoll, die Frau ist schwach, dumm und phantasielos. Warum wird trotzdem der Mann von der Frau ausgebeutet und nicht umgekehrt? Esther Vilar enttarnt ihre feministischen Geschlechtsgenossinnen als abgebrühte Ausbeuterinnen, die sich vor allem ihr äußeres Erscheinungsbild zu Nutze machen. Esther Vilar ist mit »Der dressierte Mann« das beste Beispiel dafür, dass auch provozierende Bücher zu Klassikern werden können.

Esther Vilar ist Argentinierin deutscher Herkunft. Sie studierte Medizin und Soziologie und arbeitete unter anderem als Aerztin. Mit vielen ihrer Bücher und Theaterstücke hat sie Aufsehen erregt. Heute lebt sie hauptsächlich in London.

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Leseprobe

Die weibliche Libido


Die weibliche Sexualität bereitet den Männern Unbehagen. Denn sexuelle Erregbarkeit und Orgasmus lassen sich bei der Frau – ganz im Gegensatz zum Mann – schwer kontrollieren. Die Männer sind also bei ihren Untersuchungen hauptsächlich auf jene Informationen angewiesen, die ihnen die Frauen freiwillig zukommen lassen. Und da eine Frau an wissenschaftlich exakten Ergebnissen in keiner Weise interessiert ist und immer nur an den nächstliegenden Vorteil denkt, wird sie immer nur gerade das aussagen, was ihr in dieser oder jener speziellen Situation opportun erscheint. Deshalb führen die vielen Untersuchungen – etwa über die Frigidität der Frau, über ihre Genussfähigkeit beim Geschlechtsakt, ob sie einen mit dem des Mannes vergleichbaren Orgasmus hat – zu genau entgegengesetzten Resultaten (es sei unterstellt, dass auch Masters & Johnson die Durchschnittsfrau nicht auf ihren Prüfstand bekamen). Der Mann schwankt daher zwischen der Annahme, die Frau habe überhaupt keinen Sexualtrieb, und alles sei nur Komödie, und der Furcht, sie sei in Wirklichkeit viel potenter als er (und verschweige ihm das aus Mitleid), ständig hin und her. Um sich Gewissheit zu verschaffen, arbeitet er immer neue, noch besser ausgeklügelte Fragen und Fragebogen aus, in der selbstverständlichen Erwartung, die Frauen beantworteten sie im Dienst der höheren Sache gewissenhaft. Eine trügerische Erwartung!

Die Wahrheit liegt vermutlich irgendwo in der Mitte: Die Frauen sind zwar nicht wild auf Geschlechtsverkehr (sonst gäbe es sicher mehr männliche Prostitution), andererseits ist ihnen der Geschlechtsakt auch nicht verhasst, wie oft behauptet wird.

Die Frau existiert auf einem animalischen Niveau, sie isst gern, trinkt gern, schläft gern, und auch Sex gefällt ihr – vorausgesetzt, sie versäumt dadurch nichts Besseres und muss sich dafür nicht übermäßig anstrengen. Im Gegensatz zum Mann würde sie nie größere Strapazen auf sich nehmen, um einen Partner ins Bett zu bekommen: Wenn sie ihn aber schon in ihrem Bett hat (und wenn sie nicht gerade eine kosmetische Großaktion beabsichtigt oder im Fernsehen ein Programm läuft, das sie gern sehen würde), ist sie – vorausgesetzt, dieser Mann übernimmt die aktive Rolle – dem Geschlechtsverkehr durchaus nicht abgeneigt. Denn auch die schöne Bezeichnung »aktiv« für den männlichen Part und »passiv« für den weiblichen kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich die Frau auch im Bett – wie sonst überall im Leben – vom Mann bedienen lässt. Auch wenn er dem Mann Lust verschafft, ist der Geschlechtsakt doch letzten Endes nichts weiter als eine Art Service an der Frau, bei dem der Mann der bessere Liebhaber ist, der einer Frau geschickter, rascher und länger Lust verschafft.

Weil die Männer zumindest ahnen, dass eigentlich sie diejenigen sind, die während des Geschlechtsakts missbraucht werden, hatten sie schon immer eine gewisse Angst vor der weiblichen Libido. Man findet diese Angst in vielen Riten vergangener Kulturen, in den philosophischen Werken Schopenhauers, Nietzsches, in den Romanen Baudelaires, Balzacs, Montherlants, in den Dramen von Strindberg, Tennessee Williams, O'Neill. Doch seit der Erfindung der Geburtenkontrolle durch Ovulationshemmer – der sogenannten Anti-Baby-Pille – hat diese Angst hysterische Formen angenommen. Es werden ganze Bücher darüber geschrieben, ob und wie sehr der Mann die Frau in sexueller Hinsicht fürchten müsse, ganze Zweige der Publizistik leben davon, den Männern Ratschläge für eine überlegene Rolle im Geschlechtsverkehr zu verkaufen.

Denn mit der Erfindung der medikamentösen Empfängnisverhütung hat sich der Mann (natürlich hat er diese Erfindung gemacht) des einzigen Triumphs beraubt, den er bei all seiner sexuellen Abhängigkeit von der Frau noch hatte: Sie war ihm in diesem Punkt in gewisser Weise ausgeliefert. Jetzt ist sie plötzlich auch hier überlegen: Sie kann Kinder haben, soviel, sowenig und von wem sie will (also möglichst von einem Reichen), und auch wenn sie keine Fortpflanzungsabsichten hat, kann sie den Geschlechtsakt vollziehen, sooft es ihr vorteilhaft erscheint.

Der Mann kann das nicht. Er hat sich immer den Anschein gegeben, seine sexuelle Potenz sei unendlich groß, und nur die Zurückhaltung der Frau hindere ihn daran, sie unter Beweis zu stellen. Doch heute muss er Farbe bekennen, heute kann sich jede Frau in der erstbesten Illustrierten darüber informieren, wie es um die männliche Potenz bestellt ist. Sie weiß jetzt, wie potent ein Mann in einem bestimmten Alter zu sein hat, ob er nachmittags potenter ist als nachts, ob er vor dem Essen potenter sein sollte als nachher, ob See- oder Gebirgsluft seine Potenz steigern, und wie oft hintereinander er in der Lage sein muss, eine Frau zu befriedigen. Und da die Männer die Statistik nie belügen – der männliche Mann lügt überhaupt nicht, Lügen ist für ihn ein Eingeständnis der Schwäche –, kann sie sich auf diese Daten hundertprozentig verlassen. Anhand der Tabellen, welche die Männer für sie ausgearbeitet haben, kann sie die Potenz eines bestimmten Mannes exakt feststellen. – Nicht nur feststellen, sondern, da der Geschlechtsverkehr kein Risiko mehr für sie birgt, mit der eines jeden beliebigen anderen vergleichen. Doch sie wird nicht – wie der Mann in seiner Angst glaubt – die Potenzen gegeneinander abwägen und sich für den Potentesten entscheiden. Da sie – wie bereits gesagt wurde – nicht wild ist auf Sex, wird sie (falls die anderen Bedingungen gleich sind) eher den weniger Potenten bevorzugen und mit ihren Intimkenntnissen erpressen.

Denn der Mann ist auf sexuellem Gebiet mehr noch als sonst ein Opfer des Leistungsprinzips, nach dem er dressiert wurde. Er gibt sich selbst Zensuren: dreimal hintereinander = sehr gut, zweimal = gut, einmal = befriedigend. Sexuelles Versagen bedeutet für ihn Versagen auf jedem Gebiet (auch wenn er ein brillanter Wissenschaftler ist, wird er nicht mehr glücklich werden). Die Frau weiß das und sieht darin mehrere Möglichkeiten, sich Vorteile zu verschaffen: a) Sie kann so tun, als wisse sie nicht, dass ihr Mann eine geringe Potenz hat, und ihn trotzdem für seine Potenz loben (vermutlich die am meisten verbreitete Methode). b) Sie kann den Mann glauben machen, seine geringe sexuelle Leistungsfähigkeit sei ein großes Handikap, und er könne sich glücklich schätzen, wenn sie trotzdem bei ihm bleibe. c) Sie kann drohen, ihn öffentlich bloßzustellen, wenn er sich ihr nicht genügend versklavt. Und weil der Mann sich noch lieber einen Dieb oder Totschläger schelten lässt als einen Impotenten, wird er sich in jedem Fall beugen und tun, was sie von ihm verlangt.

Die Potenz des Mannes hängt noch mehr als jede andere Körperfunktion von psychischen Faktoren ab, und wenn es einmal angefangen hat, gerät er tatsächlich mit der Zeit in immer größere Potenzschwierigkeiten. Er steigert sich in die Angst, die Frau nicht mehr zu brauchen, denn aufgrund seiner Dressur identifiziert er diese Abhängigkeit mit seiner Männlichkeit. Man muss sich den Widersinn einmal klarmachen: Er tut alles, um sich die Abhängigkeit von der Frau zu erhalten. Aphrodisiaka – früher unter dem Ladentisch verkauft und von Quacksalbern zubereitet – sind längst salonfähig geworden und Bestseller der pharmazeutischen Industrie. Sogar in seriösen Blättern häufen sich die Artikel über Beischlafschwierigkeiten, und Herrenwitze – die bekanntlich der männlichen Kastrationsangst entspringen – haben mehr denn je Hochkonjunktur, obwohl ihnen der »Witz« meistens fehlt. Die zahlreichen pornografischen Magazine kauft sich der Mann bestimmt nicht zum Vergnügen – amüsieren würde er sich auf einem anderen Niveau besser –, sondern in der verzweifelten Hoffnung, durch diese starken Reize immer fit zu sein und auf der Höhe seines Männlichkeitsmythos zu bleiben.

Und bei alledem ist er wieder einmal das Opfer seiner Gewohnheit, die eigenen Wertmaßstäbe für die Beurteilung der Frau anzuwenden. Er glaubt, die Frau habe nun, da es eine zuverlässige Verhütungsmethode gibt, nichts anderes mehr im Kopf, als alles Versäumte nachzuholen und nur noch das zu machen, was er – wegen seiner gründlichen Dressur – für das höchste aller Vergnügen hält – Sex. Das ist selbstverständlich ein Irrtum – denn Sex ist zwar ein Vergnügen für die Frau, aber lang nicht das größte. Die Freude, die einer Frau ein Orgasmus verschafft, rangiert auf ihrer Wertskala weit hinter der, die ihr zum Beispiel der Besuch einer Cocktailparty bereitet oder der Kauf von einem Paar auberginefarbenen Lackstiefeln.

Die Angst der Männer, durch die neugewonnene Freiheit der Frauen von diesen sexuell übertroffen oder gar physisch geschwächt zu werden, ist deshalb absurd. Eine Frau wird einen Mann, der für sie sorgt, immer nur so weit außer Gefecht setzen, dass er am darauffolgenden Morgen pünktlich in seinem Bürosessel Platz nehmen kann. Weshalb sollte sie in diesem Punkt Risiken eingehen? Selbst eine feurige Geliebte wird, wenn ihrem Mann wegen durchtobter Nächte auch nur der geringste Nachteil in seiner beruflichen Laufbahn entstehen könnte, den Geschlechtsverkehr sofort auf ein ungefährliches Maß reduzieren. Nymphomanische Frauen gibt es fast nur im Film und im Theater. Gerade weil sie im Leben selten sind, ist das Publikum auf sie neugierig (aus demselben Grund handeln so viele Filme und Romane von extrem reichen Leuten, deren Anteil an der Gesamtbevölkerung ja auch sehr gering ist).

Wenn die Frauen an der männlichen Potenz interessiert sind, so hauptsächlich wegen der zu zeugenden Kinder. Kinder braucht die Frau – wie wir später noch sehen werden – zur Verwirklichung ihrer Pläne. Viele Frauen wären vermutlich froh, wenn die sexuelle Potenz ihres Ehepartners nach...

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