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E-Book

Der Euro

Geburt, Erfolg, Zukunft

AutorOtmar Issing
VerlagVerlag Franz Vahlen
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl220 Seiten
ISBN9783800643813
FormatePUB/PDF
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis27,99 EUR
Die Geschichte einer Währung erzählt vom »Vater des Euro« Zehn Jahre nach dem Beschluss zur Einführung im Jahr 1998 zieht der 'Vater des Euro' eine Zwischenbilanz: Wo sind die Ursachen für den guten Start und bisherigen Erfolg des Euro, und wo liegen mögliche Gefährdungen? Das Buch schildert die Vorgeschichte des Euro, den schweren Abschied der Deutschen von der D-Mark und belegt ausführlich die Gründe, die zum Erfolg des Euro und der Europäischen Zentralbank geführt haben. Der Verfasser beschreibt die Konfliktpotentiale der Währungshüter mit der Politik und die Gefährdungen für den Erfolg des Euro. Kann die Europäische Währungsunion ohne Politische Union überleben? Der Autor Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Otmar Issing war maßgeblich für den Erfolg des Euro verantwortlich. 1998 bis 2006 war er Chefvolkswirt und Direktoriumsmitglied der Europäischen Zentralbank. Er gilt als Vater der geldpolitischen Strategie der EZB.

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Leseprobe

III. Die EZB und die Grundlegung der Geldpolitik


1. Das Statut


a) Die Aufgaben

Die rechtliche Grundlage der Geldpolitik ist üblicherweise vom nationalen Gesetzgeber geregelt. Im Fall der EZB als einer europäischen, supranationalen Institution bedurfte es dazu einer internationalen Vereinbarung. Die Bestimmungen über die Europäische Währungsunion und die EZB sind im Vertrag über die Europäische Union[23] enthalten (Artikel 105ff.), die weiteren Vorschriften über die Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank in einem Protokoll, das integraler Bestandteil des Vertrags ist.[24]

Das Europäische System der Zentralbanken (ESZB) besteht aus der Europäischen Zentralbank (EZB) und den Zentralbanken der Mitgliedstaaten (nationale Zentralbanken). Die Verfassungsväter waren bei dieser Formulierung offenbar davon ausgegangen, dass alle Mitgliedstaaten der EU auch Mitglieder der Währungsunion sein werden. Nachdem dies jedoch nicht der Fall ist, schafft der Vertragstext terminologische Verwirrung, als er mit ESZB einmal neben der EZB die Zentralbanken aller EU-Mitgliedstaaten meint, an den meisten Stellen im Text jedoch ausschließlich die Notenbanken der Länder, die auch Mitglieder der Währungsunion sind. Die EZB hat daher den Terminus Eurosystem eingeführt, das aus der EZB und den Zentralbanken der Länder besteht, die der Währungsunion angehören. Der Begriff ESZB schließt dagegen immer die Notenbanken aller Mitgliedsstaaten der EU ein (siehe Abb. 4).

Nach Art. 105.2 des Vertrags und 3.1 des Protokolls hat das Eurosystem folgende grundlegende Aufgaben[25]:

   die Geldpolitik der Gemeinschaft festzulegen und auszuführen,

   Devisengeschäfte im Einklang mit Artikel 111 des Vertrags durchzuführen,

   die offiziellen Währungsreserven der Mitgliedsstaaten zu halten und zu verwalten,

   das reibungslose Funktionieren der Zahlungssysteme zu fördern.

Die EZB besitzt das Monopol der Banknotenausgabe, d.h. sie hat das ausschließliche Recht, die Ausgabe von Banknoten innerhalb des Euroraumes zu genehmigen. Sie hat ferner die Befugnis, die für die Geldpolitik nötigen statistischen Daten zu erheben. Das Eurosystem trägt schließlich zur reibungslosen Durchführung der von den zuständigen Behörden auf dem Gebiet der Aufsicht über die Kreditinstitute und der Stabilität des Finanzsystems ergriffenen Maßnahmen bei.

Andere Bestimmungen regeln u.a. die Vertretung des Systems nach außen. Fragen der Kompetenz für den Wechselkurs des Euro sind in Artikel 111 des Vertrags geregelt.

In diesem Aufgabenkatalog und seiner Formulierung spiegelt sich die besondere Situation der EZB als neue Notenbank in einem Umfeld einer Staatengemeinschaft wider, in der Kompetenzen auf die europäische und die nationale Ebene verteilt sind in einem Prozess, der – wie die Debatte um eine Verfassung für Europa zeigt – keineswegs abgeschlossen ist.

Die Frage der Geldpolitik ist jedoch eindeutig geklärt: Es gibt nur eine einheitliche Geldpolitik für den Euroraum, die Beschlüsse werden in zentralisierter Entscheidung gefasst. Auf diese einheitliche Geldpolitik konzentriert sich dieses Buch.

Die Geldpolitik der EZB steht – rechtlich gesehen – auf drei Pfeilern:

   Verbot der monetären Finanzierung

   Unabhängigkeit der Notenbank

   Vorrang für die Preisstabilität

b) Verbot der monetären Finanzierung

Um mit der monetären Finanzierung zu beginnen: Bedenkt man, dass so gut wie alle untergegangenen Währungen – und auf diesem „Friedhof“ gibt es viele Gräber – auf den Missbrauch durch den Staat zurückzuführen sind, ist diese Vorkehrung offensichtlich. Im Zeitalter der Papierwährungen haben Regierungen vor allem zu Kriegszeiten, aber nicht nur dann, die Notenpresse bedient, um öffentliche Ausgaben zu finanzieren. Die Notenbank wurde gezwungen, wenn sie nicht selbst Teil der Administration war, unbegrenzt staatliche Schuldtitel aufzukaufen oder direkte Kredite an die öffentliche Hand zu geben. Damit wurde der Geldumlauf immer weiter aufgebläht und die Inflation angeheizt. Am Ende blieb dann häufig nur als letztes Mittel, die Währung außer Kraft zu setzen, um den Staatsbankrott zu vermeiden. Die Bürger, die im Vertrauen auf den Schuldner Staat die öffentlichen Schuldtitel gekauft hatten, mussten diese Politik mit dem Verlust ihres Vermögens teuer bezahlen.

Artikel 101 des Vertrags schiebt dem einen Riegel vor, indem er der EZB und den nationalen Notenbanken solche Transaktionen untersagt. Verboten ist danach die Kreditvergabe an die öffentliche Hand und der unmittelbare Erwerb von öffentlichen Schuldtiteln.[26]

Der Vertrag verbietet aber nicht nur die monetäre Finanzierung öffentlicher Ausgaben, er enthält darüber hinaus auch Bestimmungen für eine solide Haushaltspolitik der Mitgliedsstaaten (Artikel 104 des Vertrags und Protokoll). Der im Jahre 1997 beschlossene Stabilitäts- und Wachstumspakt ergänzt das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit (wie in Art. 104 geregelt). Auf die Beziehungen zwischen Geldpolitik und Finanzpolitik wird noch näher einzugehen sein.

c) Unabhängigkeit der Notenbank

Artikel 108 des Vertrags regelt die Unabhängigkeit der EZB und der nationalen Notenbanken.

„Bei der Wahrnehmung der ihnen durch diesen Vertrag und die Satzung des ESZB übertragenen Befugnisse, Aufgaben und Pflichten darf weder die EZB noch eine nationale Zentralbank noch ein Mitglied ihrer Beschlussorgane Weisungen von Organen oder Einrichtungen der Gemeinschaft, Regierungen der Mitgliedstaaten oder anderen Stellen einholen oder entgegennehmen. Die Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft sowie die Regierungen der Mitgliedstaaten verpflichten sich, diesen Grundsatz zu beachten und nicht zu versuchen, die Mitglieder der Beschlussorgane der EZB oder der nationalen Zentralbanken bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben zu beeinflussen.

Jeder Mitgliedstaat stellt sicher, dass spätestens zum Zeitpunkt der Errichtung des ESZB seine innerstaatlichen Rechtsvorschriften einschließlich der Satzung seiner Zentralbank mit diesem Vertrag sowie mit der Satzung des ESZB im Einklang stehen.”

Diese Vorschriften gehen weiter als dies in entsprechenden nationalen Gesetzen üblich ist und verbieten sogar den Versuch der Einflussnahme. Wie die Erfahrung zeigen sollte, kann man allerdings nicht behaupten, dieses Verbot habe sich als sehr wirksam erwiesen.

Von fundamentaler Bedeutung ist die Unabhängigkeit der Notenbank bei ihren geldpolitischen Entscheidungen und deren Durchführung.[27] Dies setzt die Unabhängigkeit der handelnden Personen voraus. Die personelle Unabhängigkeit wird gewahrt durch langfristige Kontrakte, die nicht vorzeitig beendet werden können.[28] Diese Voraussetzung ist im Statut der EZB erfüllt. Die Amtszeit der Mitglieder des Direktoriums beträgt acht Jahre. Wiederernennung ist explizit ausgeschlossen.[29]

Als Ende der achtziger Jahre des letzten Jahrhunderts die Diskussion um das Statut einer zukünftigen Europäischen Zentralbank begann, stand Deutschland mit der Unabhängigkeit seiner Notenbank, der Deutschen Bundesbank, weitgehend allein. Wie konnte es kommen, dass am Ende alle Mitgliedstaaten der EU einem Vertrag zugestimmt haben, der die uneingeschränkte Unabhängigkeit der künftigen europäischen Zentralbank vorsah?

Polit-ökonomisch liegt eine einfache Antwort nahe: Die Wertschätzung der D-Mark und der Bundesbank in der deutschen Öffentlichkeit war überwältigend. Der Unabhängigkeit der Notenbank fiel dabei eine wichtige Rolle zu. Die Sorge um die Stabilität des Geldes nach einer möglichen Aufgabe der D-Mark bewegte die Bürger in Deutschland. Unter diesen Umständen hätte keine deutsche Regierung diesen Schritt wagen können, ohne auf einem Statut für die Europäische Notenbank zu bestehen, das weitgehend dem der Bundesbank entspräche. (Das schließt die Aufgabe „Wahrung der Preisstabilität“ der Notenbank ein.)

Diese Einstellung der deutschen Seite war den europäischen Partnern wohlbekannt. Es kam aber noch etwas anderes entscheidend hinzu. Die Geldpolitik hatte in den meisten Ländern in den siebziger Jahren eine verheerende Bilanz aufzuweisen: Hohe Inflationsraten im Gefolge des ersten Ölpreisschocks, anschließend eine Geldpolitik der Orientierungslosigkeit, des Stop-and-Go. Am Ende des Jahrzehnts herrschte die Situation der Stagflation, die Inflation war immer noch hoch, aber der davon erhoffte Gewinn an Beschäftigung und Wachstum war ausgeblieben, ganz im Gegenteil: Die Wirtschaft stagnierte.

Diese Erfahrung traf sich mit einer Entwicklung in der Wissenschaft,...

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