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E-Book

Hinter der Fassade

Entschlüsseln Sie Ihr Gegenüber mit den Techniken einer Kriminalpsychologin

AutorKatrin Streich
Verlagmvg Verlag
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl176 Seiten
ISBN9783864159961
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis12,99 EUR
Für Katrin Streich ist jeder Mensch ein offenes Buch, in dem sie lesen kann, was anderen verborgen zu bleiben scheint. Doch die Diplom-Psychologin geht noch weiter: Sie ist der Überzeugung, jeder von uns kann hinter die Fassade der anderen Menschen blicken. Die wichtigste Voraussetzung dafür ist ein wirkliches Interesse an den Menschen, und das Wissen über die nötigen Werkzeug der Kommunikation. Genau dieses Wissen gibt sie in ihrem Buch an die Leser weiter. Katrin Streich weiß sehr genau wovon sie spricht, denn sie war jahrelang als Polizeipsychologin tätig. In dieser Zeit konnte Streich unter anderem mithelfen Geiselnahmen sowie Entführungen zu beenden, musste dabei Kriminelle hinsichtlich deren psychischer Stabilität, Persönlichkeit und auch Gefährlichkeit einschätzen. Zahlreiche dieser Fälle greift Katrin Streich in ihrem Buch auf, und erläutert vor diesem Hintergrund äußerst spannend, wie und woran in den unterschiedlichsten Situationen die wahre Persönlichkeit eines Menschen zu erkennen ist. Daneben gibt die Psychologin hilfreiche Tipps, wie sich dieses Wissen in Alltagssituationen wie Gehaltsverhandlungen oder während einer Beziehungskrise nutzen lässt.

Katrin Streich ist Diplom-Psychologin. Sie war elf Jahre Polizeipsychologin im Landeskriminalamt Sachsen. Neben der operativen Tätigkeit in Fällen der Schwerstkriminalität, wie Geiselnahmen, Bedrohungslagen und Entführungen, gehörte die Analyse von Drohungen zu ihren Spezialgebieten. Sie war Teil des Profiler-Teams und hat an zahlreichen Profilings in Fällen von Tötungs- und Sexualdelikten sowie Erpressungen und Entführungen mitgewirkt.

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Leseprobe

Sich selbst kennen

Gerade in Betreuungssituationen oder auch beim Überbringen von Todesnachrichten wurde mir immer wieder deutlich, wie wichtig es ist, sich selbst zu kennen. Beispielsweise im Zusammenhang mit der Frage, wie wir selbst mit den Themen Tod und Sterben umgehen. Haben wir selbst mit diesen Themen ein großes Problem oder wissen wir, dass wir in einer Weise reagieren, dass uns solche Vorfälle nicht mehr aus dem Kopf gehen, dann wird es uns natürlich auch schwerer fallen, solche Aufgaben zu übernehmen. Wichtig ist also das Wissen über die eigene Einstellung zu einem derartigen Thema.

Ebenfalls wichtig ist das Wissen, wie wir es selbst schaffen können, aus einer solchen Interaktion wieder herauszukommen, wie wir also eine professionelle Distanz wahren. Denn es ist etwas anderes, ob man eine solche Aufgabe beruflich ausführt oder einem Freund eine Todesnachricht überbringt. Natürlich kann und soll man auch im beruflichen Fall Empathie zeigen, Menschen eventuell auch einmal in den Arm nehmen – aber es ist trotzdem etwas anderes, als wenn man einem Menschen wirklich persönlich nahesteht. Für meine Berufsgruppe ist es auch wichtig, die besagte professionelle Distanz zu wahren, um sich nicht verantwortlich beispielsweise für das Leid einer ganzen Familie zu fühlen. Tatsächlich ist genau das jedoch sehr schnell der Fall: Wir fühlen uns verantwortlich und meinen, die Probleme anderer lösen zu müssen. Wir denken, wir müssen beispielsweise den Schmerz von einer Familie nehmen. Doch das ist oft – zumal in einer solchen Betreuungssituation – nicht möglich, dafür sind auch andere Professionen da.

Genau deswegen ist es so enorm wichtig, sich selbst zu kennen. Wenn wir etwa bemerken, dass wir mit manchen Situationen wirkliche Probleme haben, dann ist es wichtig, dass wir zunächst einmal an uns arbeiten, bevor wir uns solchen Situationen aussetzen. Diese Arbeit an uns selbst besteht dann vor allem darin, dieses eigene Problem zu erkennen. Denn es nützt uns wenig, dass vielleicht andere uns sagen, wir seien viel zu nahe dran an dem Problem – oder einem Fall oder den darin involvierten Personen.

Ich erinnere mich an Fälle, in denen es um eine zeitlich lange Unterstützung von Familien ging. Da gab es immer wieder Kollegen, die es nicht schafften, diese notwendige Distanz aufrechtzuerhalten. Selbst wenn es sich nicht um einen Rund-um-die-Uhr-Kontakt handelte, fühlten sich diese Kollegen rund um die Uhr verantwortlich für die Person, die sie beispielsweise im Rahmen eines Entführungsfalls zu betreuen hatten. Sie waren 24 Stunden am Tag ansprechbar, und sie fühlten sich selbst schon fast als guter Freund der Angehörigen oder sogar als ein Familienmitglied.

Solche Kollegen sollte man eigentlich aus dem Einsatz herausnehmen, denn gibt man diesen Kollegen ein polizeitaktisches Ziel mit – etwa dass sie auf Unwahrheiten achten sollen –, dann kommt es womöglich zu dem Moment, dass sich der Kollege wegen der persönlichen Nähe überhaupt nicht mehr vorstellen kann, dass eine der betreuten Personen lügt. Denkt ein Kollege so, dann kann er im Grunde die Ziele nicht mehr umsetzen, die er eigentlich umzusetzen hat. Und ohne eine gute Selbstreflexion fehlt ihm womöglich auch die Einsicht, nicht mehr für den laufenden Einsatz geeignet zu sein. Das mächtige Gefühl der Verantwortungsübernahme trübt ihm den objektiven und ehrlichen Bick auf die eigene Situation und Leistung.

Was einmal mehr zurück zur Notwendigkeit der Selbstreflexion führt, die nicht nur für Polizeibeamte, sondern für alle Menschen so wichtig ist. Denn nur, wenn wir ein Problem erkennen, können wir eben auch dagegen angehen. Ein erster Schritt besteht darin, dass wir über das besagte Problemthema mit anderen Menschen sprechen. Hierbei muss es nicht um ein Thema gehen wie den Tod oder das Sterben. Bei der Polizeiarbeit kann es zum Beispiel vorkommen, dass ein Kollege immer dann Probleme bekommt, wenn es um Fälle mit Kindern geht. Weil er vielleicht selbst Kinder hat und der Identifikationsfaktor daher sehr hoch ist. Wann immer wir in Situationen kommen, die uns potenziell belasten, weil die Themen eben sehr schwierig für uns sind, sollten wir besonders auf uns achten.

Nehmen wir ein Beispiel: Die Mutter eines sehr guten Freundes hat die Diagnose bekommen, dass ihre Erkrankung einen tödlichen Ausgang nehmen wird. Ihr Freund ist verständlicherweise sehr mitgenommen und macht sich sehr viele Gedanken. Er hat Angst, dass die Mutter leidet, er hat Angst vor der Zeit ihres Sterbens und weiß nicht, wie er mit der Mutter emotional umgehen soll. Sie sind nun Stütze, Freund und Berater zugleich. Selbstreflexion heißt in diesem Falle, die eigenen Gefühle zu kennen und auch zuzulassen. Sie sollten wissen, wie Sie auf den möglichen hohen Erwartungsdruck des Freundes reagieren und wie Sie es schaffen können, die Verantwortung für die Genesung der Mutter nicht zu übernehmen. Denn das schaffen Sie nicht, egal, wie sehr Sie es sich auch wünschen. Verantwortung haben Sie Ihrem Freund und sich selbst gegenüber. Selbstreflexion heißt auch, die eigenen Grenzen zu kennen und auf sich selbst zu hören. Ein erster Schritt dahin kann sein, Erwartungen und Wünsche der anderen von den eigenen zu differenzieren. Das klingt erst einmal einfach, ist es aber leider ganz und gar nicht. Doch eine solche Differenzierung bringt eine erste Ordnung in die eigene Erlebenswelt. Natürlich können wir auch Erwartungen von anderen erfüllen, dann sollten wir aber wissen, dass unser Handeln nicht primär von uns selbst motiviert ist. Nur ein Ausdifferenzieren zwischen dem, was von uns selbst stammt, und dem, was von den anderen gewünscht oder erwartet wird, gewährleistet eine bewusste Selbststeuerung.

Wenn wir von diesem Punkt nun zurückkehren zu dem Fall Hannah L., dann hätte es natürlich auch passieren können, dass zu unserem Team ein Kollege zählte, der eine Tochter hat, die im gleichen Alter wie das entführte Kind ist, und deren Physiognomie außerdem eventuell auch an die Entführte erinnert. Dieser Kollege würde dann womöglich nicht mehr nur eine Familie erkennen, die es zu betreuen gilt, er würde sich vielmehr selbst in deren Situation versetzen.

Hat man tatsächlich selbst Kinder im Alter eines entführten Kindes, lässt sich natürlich wenig gegen eine potenzielle Identifizierung mit den Angehörigen machen. Der Fakt an sich ist nicht weiter problematisch. Nur wenn dies die eigene Arbeit behindert, wäre es aus der rein professionellen Warte betrachtet sinnvoll, die Aufgabe beziehungsweise die nahen Kontakte mit den Angehörigen anderen zu überlassen.

Allerdings können wir als Menschen auch Strategien entwickeln, die es uns ermöglichen würden, »so einen Fall trotzdem zu übernehmen«. Das allerdings kann sich sehr schwierig gestalten, weil es im Grunde auch den Versuch darstellt, uns selbst professionell wahrzunehmen. Wir müssten uns immer wieder auch zurückziehen und uns selbst sagen, es handle sich nicht um unsere eigene Situation. Es wäre also immer wieder eine bewusste Distanzierung erforderlich.

Ich erinnere mich in diesem Zusammenhang an den Fall eines Kindes, das zunächst verschwunden war und später tot aufgefunden wurde. Es handelte sich um ein Mädchen im Alter von etwa acht Jahren und auch in diesem Fall waren wir als Polizei in die Betreuung involviert. Dieser Fall erregte zudem große öffentliche Aufmerksamkeit – die Stadt war regelrecht gepflastert mit Plakaten, die das Gesicht des Mädchens zeigten, auch das Fernsehen berichtete.

Dieses Mädchen hatte etwas an sich, das mich persönlich sehr berührte. Bis heute bin ich mir nicht wirklich vollkommen sicher, was es war, wahrscheinlich hat mich ihr Gesicht an irgendwen oder irgendetwas aus meiner eigenen Vergangenheit erinnert. Ich hatte vorher schon mit Fällen von verschwundenen Kindern zu tun, bei denen die Wahrscheinlichkeit hoch war, dass sie nicht mehr lebten. Doch bei genau diesem Mädchen fühlte ich mich persönlich involviert. Ich habe während dieser Zeit auch festgestellt, wie schwer es ist, sich von einem derartigen Gefühl zu befreien. Selbst wenn ich nach der Arbeit nach Hause ging, habe ich immer noch an das Kind gedacht – was grundsätzlich bei solchen Fällen nicht untypisch ist, trotzdem war es hier doch noch etwas anderes. Ich musste mir immer wieder sagen, dass der Fall mit meinem eigenen Leben nichts zu tun hatte, und ich musste meine professionelle Betrachtung aufrechterhalten.

Was mir in der Situation vor allem geholfen hat, das waren Gespräche mit einem Kollegen. So etwas halte ich übrigens grundsätzlich für eine gute Idee. Ich hätte natürlich auch mit Menschen aus meinem privaten Umfeld sprechen können. Dann aber hätte ich das Berufliche aktiv in mein Privatleben hineingezogen. Eine solche Situation belastet ohnehin schon das Private. Es ist sicher manchmal unmöglich zu vermeiden, dass man etwas zu Hause erzählt. Günstiger ist jedoch die Variante, sich mit einem Kollegen auszutauschen.

Der erste wichtige Punkt in diesem Zusammenhang ist allerdings der, dass man das Thema überhaupt einmal ausspricht. Denn oftmals ist eine solche Situation gerade aus dem Grund belastend, weil sich das Thema im eigenen Kopf befindet und darin kreist und kreist. In meinen Fall war der Kollege ebenfalls in den Fall involviert, und er konnte daher auch berichten, wie er ihn persönlich empfand. Vor allem tat er das mit der gleichen professionellen Herangehensweise wie ich – ich fand mich also in seinen Äußerungen ein Stück weit wieder.

Ich habe aber noch etwas anderes getan: Ich habe mir ein Bild des Mädchens genommen und versucht, in mich zu gehen, um herauszufinden, was es denn wirklich...

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