Der zweite Teil der vorliegenden Arbeit gliedert sich in einen ethnographischen Teil (Kapitel 4) sowie dem Fallbeispiel der Subanon vom Mt. Canatuan (Kapitel 5). Nach einer Einführung zur Region des Fallbeispiels und ihrer Bevölkerung (4.1), wird zunächst die Wirtschaftsweise und das Landkonzept der Subanon beschrieben (4.2). Im Anschluss daran wird die gesellschaftliche Organisation der Subanon dargestellt (4.3) ehe das Gewohnheitsrecht (4.4) und die orale Geschichte der Siocon Subanon, zu der auch die Gemeinschaft am Mt. Canatuan gehört, im Mittelpunkt der Betrachtung steht (4.5).
Im fünften Kapitel erfolgt dann eine ausführliche Schilderung der Konflikte rund um ein im AD der Subanon befindliches und von TVIRD betriebenes Bergbauprojekt. Der Konfliktverlauf lässt sich meiner Ansicht nach sinnvoller Weise in drei Abschnitte unterteilen.
Im Ersten (5.1) werden die Umstände geschildert, die dazu führten, dass die lokalen Subanon damit begannen sich um Rechtssicherheit für ihr AD zu bemühen und schließlich ein CADT erwarben. Des Weiteren wird beschrieben, wie es TVIRD gelang für einen Teil des von den Subanon beanspruchten AD ebenfalls einen Rechtsanspruch in Form eines Mineral Production Sharing Agreement (i.F. MPSA) zu erwerben. Der zweite Abschnitt (5.2) setzt sich mit der Durchsetzung und Verwirklichung des Bergbauprojekts von TVIRD gegen den Widerstand von Teilen der Subanongemeinschaft und ihrer Rechtsansprüche auseinander. Zunächst wird dargestellt wie es zur militärischen Absicherung des Projektes kam und welche Auswirkungen dieses Vorgehen für die lokalen Subanon mit sich brachte (5.2.1). Anschließend wird aufgezeigt, wie die Gemeinschaft entlang der Frage der Zustimmung zum bzw. der Ablehnung des Bergbauprojektes zerbrach und welche Rolle dabei das Unternehmen sowie insbesondere die zuständigen Regierungsbehörden NCIP, DENR und MGB einnahmen (5.2.2). Es wird verdeutlicht, dass es keine FPIC der Gemeinschaft gab und dass die traditionellen Führungsstrukturen sowie die gewohnheitsrechtlichen Mechanismen der Entscheidungsfindung nicht respektiert wurden. Im letzten Abschnitt (5.3) werden dann die Versuche der aus den Entscheidungsfindungsprozessen ausgeschlossenen Bergbaugegner beschrieben ihre rechtlichen Ansprüche durch die Inanspruchnahme des Gewohnheits- und des internationalen Rechts durchzusetzen (5.3.1 & 5.3.2.). Es wird dargelegt, wie es zur Versöhnung der lokalen Subanon kam und wie es ihnen gelang, die Anerkennung ihrer traditionellen Führungsstruktur durch Regierung und Unternehmen durchzusetzen (5.3.3). Abschließend wird kurz auf die Rolle der NGOs in dem Konflikt eingegangen (5.4).
Die Subanon leben vor allem im Inneren der Halbinsel Zamboanga (Frake 1955:1). Ihre Bevölkerungszahl wird mit 330.000 (AMGP et al. 2007:1) bis 350.000 (ICHRDD 2007:39) angegeben, womit sie zu einer der größeren ‚indigenen Gruppen’ der Philippinen gehören (AMGP et al. 2007:1).
Zamboanga ist über einen schmalen Landstreifen mit Mindanao, der im Süden der Philippinen gelegenen zweitgrößten Insel des Landes, verbunden, und bildet nach Frake (1955:2) eine eigene geographische Einheit (Anhang:ii). Ihre zentrale Lage zwischen dem Sulu Archipel und Borneo im Südwesten, dem Hauptteil Mindanaos im Osten und den Visaya Inseln im Norden, hat dazu geführt, dass die hier lebenden Subanon unterschiedlichsten kulturellen Einflüssen ausgesetzt waren (Frake 1955:2-4). Im Inland Zamboangas erstreckt sich ein Gebirgszug, der vorwiegend aus niedrigen Bergen und Hügelketten besteht und nur im östlichen und südlichen Teil Höhen von über 1000 Metern aufweist. Der höchste Berg ist mit über 2400 Metern der Mt. Malindang in der Provinz Misamis Occidental (Frake 1955:40-42).
In der Literatur werden unterschiedliche Schreibweisen für die Subanon verwendet. Diese sind einerseits das Resultat kolonialer Bezeichnungen, andererseits Folge verschiedener regionaler Dialekte. So sprechen laut Frake (1990:102) die von ihm als östliche Subanon bezeichneten Gruppen ihren Namen als Subanen aus, während das –e bei den westlichen Gruppen zu einem –o werde. In der kolonialen Literatur fänden sich zudem unter anderem die Bezeichnungen Subano, Subanu und Subanun. Letztere Bezeichnung wird von Frake selbst in seinen Arbeiten verwendet. Die ‚indigene Bevölkerung’ in der Gemeinde Siocon bezeichnet sich als Subanon, weshalb diese Bezeichnung auch in dieser Arbeit verwendet wird (vgl. Gukom 2008, Anhang:iv; AMGP et al. 2007; ALG et al. 2009).
Die gängige Interpretation des Begriffs Subanon ist die, dass sich die Bezeichnung aus dem philippinischen Wortstamm suba, Fluss oder flussaufwärts, und einem Postfix zusammensetzt, das die Herkunft oder den Wohnort angibt. Dementsprechend werden die Subanon als Flussbewohner bezeichnet (Christie 1909:11; Frake 1955:9; Frake 1990:102). Nach Ansicht der Subanonföderation Pigsalabukan Bansa Subanon (i.F. PBS)[30] ist diese Interpretation jedoch falsch und suggeriere zudem, dass vor Ankunft der spanischen Kolonisatoren, keine Menschen in Zamboanga gelebt hätten. Die Bezeichnung entstamme vielmehr dem Wort Subangnon. Dieses werde von den Subanon als Selbstbezeichnung benutzt und bedeute soviel wie „the first rays of the moon or sun”, was darauf hinweise, dass die Subanon die ersten gewesen seien, die die Zamboanga Halbinsel bewohnten (PBS 2010:8).
Sowohl Frake (1955:11) als auch Christie (1909:16f.) unterscheiden aufgrund gewisser kultureller und linguistischer Merkmale zwischen vier Subanonuntergruppen, verwenden jedoch verschiedene Beschreibungen:
- die Malindang in Misamis Occidental (Christie: „[…] those occupying the high country behind the Christian towns in Misamis Province and the eastern part of Dapitan subdistrict“);
- die Sindangan im nordöstlichen Zamboanga del Norte („[…] the Subanuns living on or near Sindangan Bay“);
- die Sibugay im östlichen Zamboanga del Sur („[…] the Subanuns of the south coast of the peninsula from Tukuran to the neighborhood of Buluan“);
- die Siukun („[…] those occupying the small end of the peninsula, on both sides, from Buluan on the east coast to Kipit on the west).
Die Subanongemeinschaft am Mt. Canatuan gehört zur letztgenannten Gruppe der Siukun oder Siocon Subanon. Das sitio Canatuan auf der Kuppe des Berges ist ein Teil des Barangay Tabayo, das wie 25 weitere Barangays zum Verwaltungsbereich der etwa 25 Kilometer entfernt liegenden Küstenstadt Siocon, in der Provinz Zamboanga del Norte gehört (Sanz 2007:110f.; Ramo 2006:67).
Die Gemeinde Siocon spiegelt den für Mindanao typischen, sogenannten ‚Tri-Peoples- Charakter’ wider. Laut des Zensus von 1995 setzt sich die Bevölkerung aus 65 Prozent Christen, 27 Prozent Muslime und 8 Prozent Subanon zusammen. Die meist gesprochenen Sprachen sind Cebuano, mit fast 60 Prozent Sprecheranteil, Tausug mit etwa 13 Prozent und Maguindanao mit etwa 11 Prozent. Die regionale Wirtschaft zeichnet sich durch große Land- und Fischereiressourcen aus, ist aber auch durch große ökonomische Not der Bevölkerung gekennzeichnet.[31] Die Gemeinde hat eine Gesamtfläche von 50.320ha, von der über 31.000ha rechtsverbindlich als Waldgebiete klassifiziert sind (Municipality of Siocon n.d., Sanz 2007:111f.).
Die Gegend am Mt. Canatuan verfügt zudem über reichhaltige mineralische Ressourcen. Laut Vidal (2005:66) weist das Gebiet ein großes mehrmetallisches Sulfidvorkommen auf, das Kupfer, Zink, Gold und Silber enthält. Zugleich ist das AD der Subanon am Mt. Canatuan jedoch auch Quellgebiet mehrerer kleiner Flüsse und von zentraler Bedeutung für die Wasserversorgung der gesamten Großregion. Die Flüsse speisen den Siocon und Lituban Fluss, die unter anderem die Gemeinden Siocon, Sirawai, Sibuco und Baliguan, mit Wasser versorgen. Die Flüsse grenzen das traditionelle Territorium der lokalen Subanon, das sogenannte „Gebiet der sieben Flüsse“, rund um Mt. Canatuan ein (Sanz 2004:n.pag.; Sanz 2007:110f.). Dieses Gebiet umfasst die Gemeinden Labason, Baliguian und Siocon in Zamboanga del Norte sowie Titay und Rosseler Lim in Zamboanga Sibugay (Anhang:iii).[32]
Lange Zeit betrieben die Subanon als Hauptquelle ihres Lebensunterhalts kaingin bzw. Brandrodungswanderfeldbau, begleitet von Jagd und Fischerei (Sanz 2007:114). Bei dieser Anbaumethode werden Felder mit Hilfe von Äxten, Messern und Feuer urbar gemacht, für eine kurze zeitliche Periode (ein bis zwei Jahre) kultiviert und dann für einen längeren Zeitraum (fünf bis fünfzehn Jahre) brach liegen gelassen. Gepflanzt wird mit Hilfe von...