Das Zweite Buch des Sozialgesetzes (SGB II) – Grundsicherung für Arbeitsuchende wurde als 4. Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt am 05.09.03 von der damaligen SPD/Grünen-Koalition in den Bundestag eingebracht[2]. Vorausgegangen waren drei weitere Gesetze für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt, mit der die 2002 gegründete, nach ihrem Vorsitzenden Peter Hartz benannte Hartz-Kommission erste Änderungen zur Reform des SGB III und der Arbeitsagentur verabschiedete. Die Kommission war ins Leben gerufen worden, um die anhaltend hohe Arbeitslosigkeit infolge einer konjunkturellen Krise sowie die strukturellen Defizite durch das Nebeneinander von Arbeitslosen- und Sozialhilfe zu bekämpfen – der Gesetzgeber erhoffte sich dadurch ein erhebliches Einsparpotential[3].
Durch die Einführung des SGB II zum 01.01.2005 erfolgte die Zusammenlegung der Leistungen der Sozialhilfe als laufende Leistung nach dem BSHG sowie der bisherigen Arbeitslosenhilfe nach dem SGB III durch die Gewährung einer Grundsicherung für Arbeitsuchende. Das SGB II, welches im Volksmund als „Hartz IV“ bezeichnet wird, sehen die einen als die größte, längst überfällige Reform zum Umbau von Sozialleistungen und als notwendiges Instrument zur Wirtschafts- und Arbeitsmarktförderung, von anderen wird es als der Beginn vom Ende des Sozialstaats bezeichnet.
Mit der Einführung des SGB II erfolgte ein derart massiver Systemwechsel mit Auswirkungen auch auf zahlreiche andere Gesetze, so dass sich relativ rasch zeigte, dass Nachbesserungen des Gesetzes erforderlich wurden, so dass bereits mehrere Änderungs- und Fortentwicklungsgesetze die Folge waren.
Während bisher die Leistungen nach dem BSHG kommunal-, die Leistungen der Arbeitslosenhilfe nach dem SGB III steuerfinanziert über den Bund waren, werden die Leistungen des SGB II vollständig durch den Bund steuerfinanziert. Derzeit – Stand November 2009 - erhalten insgesamt über 6,7 Mio. Menschen in Bedarfsgemeinschaften – einem Wortkonstrukt zur Abbildung der Einstandsgemeinschaft aller im Haushalt lebenden Personen – Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II. Von dieser Gesamtzahl sind knapp 4,9 Mio. Menschen erwerbsfähig[4] - das ist nach der gesetzlichen Definition jeder, der nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 8 SGB II).
Das geplante Finanzvolumen des Bundes für das Jahr 2009 beträgt 33,21 Mrd. €, hinzu kommen weitere 9,8 Mrd. € kommunale Leistungen für Unterkunft und Heizung[5]. Die erhofften Einsparpotentiale sind bisher nur in geringem Umfang eingetreten – auch vor dem Hintergrund der globalen wirtschaftlichen Krise und fehlender Arbeitsplätze für wettbewerbsschwache Bewerber. Allerdings lässt sich Arbeitslosigkeit und Armut seitdem besser „erfassen“, da durch die Einführung des SGB II die Parallelität der Leistungen nach dem BSHG und dem SGB III (Arbeitslosenhilfe) beseitigt und die betreuten Personen und Leistungshöhen nunmehr systematisch statistisch erfasst werden.
Bereits ein Blick in § 1 SGB II macht deutlich, dass trotz der Eingliederung in das Sozialgesetzbuch keine sozialethische Aussage zu Menschenwürde oder Sozialstaatlichkeit zu finden ist, dass vielmehr nach § 1 I SGB II die Eigenverantwortung von erwerbsfähigen Hilfebedürftigen gestärkt werden soll, so dass sie ihren Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln bestreiten können („Hilfe zur Selbsthilfe“). Das erste Kapitel trägt entsprechend der Intention des Gesetzes die Überschrift „Fördern und Fordern“.
Kapitel 2 des SGB II behandelt die allgemeinen Voraussetzungen für die Leistungen, das dritte Kapitel definiert die Leistungen zur Eingliederung sowie zur Sicherung des Lebensunterhaltes, Anreize zur Aufnahme einer Arbeit (§ 29 SGB II) sowie Sanktionsregelungen. Das Kapitel 4 befasst sich mit den gemeinsamen Vorschriften für Leistungen, Kapitel 5 mit der Finanzierung und Aufsicht. Die Kapitel 6 bis 7 enthalten Daten- und Statistikregelungen. Mitwirkungspflichten sowohl des Hilfebedürftigen wie auch Dritten sind in Kapitel 8 zu finden, die Bußgeldvorschriften finden sich in Kapitel 9. Regelungen zur Bekämpfung von Leistungsmissbrauch sind in Artikel 10 und die Übergangs- und Schlussvorschriften in Kapitel 11 geregelt. Ich gehe im Nachstehenden nur auf die für die Rolle des persönlichen Ansprechpartners relevanten Vorschriften, die sich weitestgehend auf die Aktivierung der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen beziehen, ein.
Leistungen nach dem SGB II erhalten nach § 7 SGB II Personen zwischen 15 Jahre und Renteneintrittsalter, die erwerbsfähig und hilfebedürftig sind und ihren Aufenthalt in Deutschland haben sowie die mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen.
Hilfebedürftig ist nach § 9 SGB II derjenige, der „seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln … sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält“.
Nach der Gesetzesbegründung[6] ist Ziel der Grundsicherung
- Schnelle und passgenaue Vermittlung der Betroffenen in Arbeit.
- Ausreichende materielle Sicherung bei Arbeitslosigkeit in Abhängigkeit vom Bedarf.
- Vermeidung einseitiger Lastenverschiebungen zwischen den Gebietskörperschaften.
- Effiziente und bürgerfreundliche Verwaltung.
- Breite Zustimmungsfähigkeit.
Im Gesetz selbst findet sich die Grundaufgabe – Aufgabe und Ziel der Grundsicherung für Arbeitssuchende – in § 1 SGB II, wonach die Eigenverantwortung des Hilfebedürftigen und der Personen, die mit ihm in der Bedarfsgemeinschaft leben, gestärkt werden soll, so dass diese ihren Lebensunterhalt unabhängig von der Grundsicherung aus eigenen Mitteln und Kräften bestreiten können – „Hilfe zur Selbsthilfe“. Aus § 1 Abs. 2 SGB II ist bereits die Priorität der aktivierenden Leistungen ersichtlich: primär werden Leistungen zur Beendigung oder Verringerung der Hilfebedürftigkeit gewährt, sekundär Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts.
Grundlegender Ausgangsgedanke ist, dass der Sozialleistungsempfänger aktiv dabei unterstützt werden muss, vom passiven Objekt staatlicher Hilfe zum aktiven Subjekt und Gesellschaftsmitglied zu werden. Die Wurzeln des Konzepts vom aktivierenden Sozialstaat liegen im angelsächsischen Raum[7]. Dieser Wechsel vom welfare- zum workfare-Gedanken – zu dem Begriff später noch mehr - stellt darauf ab, dass jeder Erwerbsfähige, der Leistungen beziehen will, dafür uneingeschränkt seine Arbeitskraft zur Verfügung stellen muss – quasi eine Entgeltsicherung auf Gegenleistung.
In § 2 SGB II formuliert der Gesetzgeber den Grundsatz des Forderns. Danach hat der erwerbsfähige Hilfebedürftige und die mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen alle Möglichkeiten zur Beendigung oder Verringerung der Hilfebedürftigkeit auszuschöpfen und aktiv an allen Maßnahmen zur Eingliederung in Arbeit mitzuwirken, eine Eingliederungsvereinbarung abzuschließen sowie ggf. eine zumutbare Arbeitsgelegenheit aufzunehmen.
§ 3 SGB II normiert die Leistungsgrundsätze, wobei auch hier erneut vorrangig Leistungen zur Eingliederung in Arbeit erbracht werden (Abs. 1) und erwerbsfähigen Hilfebedürftigen unter 25 Jahren unverzüglich Arbeit, eine Ausbildung oder eine Arbeitsgelegenheit zu vermitteln ist (Abs. 2). Erst Abs. 3 befasst sich mit den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, die nur erbracht werden dürfen, wenn die Hilfebedürftigkeit nicht anderweitig beseitigt werden kann. Nach der Gesetzesbegründung wird damit der Grundsatz des Förderns und Forderns aufgegriffen und die Subsidiarität der Leistungen festgelegt[8]. Hier wird erneut die Nachrangigkeit der Lebensunterhaltssicherung deutlich[9].
Nach § 4 SGB II können Leistungen der Grundsicherung in Form von Dienstleistungen, Geldleistungen sowie Sachleistungen erbracht werden. Auch hier findet sich bei der Aufzählung des Punktes Geldleistungen der Zusatz „insbesondere zur Eingliederung … in Arbeit und zur Sicherung des Lebensunterhalts“ und macht damit erneut das vorrangige Ziel einer Arbeitsaufnahme statt einer Alimentierung deutlich.
Nachdem § 2 SGB II den Grundsatz des Forderns normierte, findet sich erst in § 14 SGB II der Grundsatz des Förderns. Danach werden erwerbsfähige Hilfebedürftige umfassend mit dem Ziel der...