Euthanasie
Der Autor hält es hier für unerlässlich und sinnvoll, in der Diskussion um die Formen der Sterbehilfe auch den Begriff der Euthanasie aufzugreifen. Denn für viele Menschen, ganz besonders der älteren Generation, ist der Begriff der (aktiven) Sterbehilfe durch Assoziationen mit der des Euthanasie-Programms der Nationalsozialisten vorbelastet. Das Wort „Euthanasie“ stammt aus dem Griechischen und bedeutet der gute, schöne, leichte Tod, stellt also keinen per se negativ besetzten Begriff dar. In den Niederlanden wird der Begriff beispielsweise noch heute unbelastet in der „Euthanasiegesetzgebung“ verwendet. In Deutschland wird indes auch die jüngere Generation, die die Thematik der Euthanasie in der Schule durchgenommen hat, von Assoziationen zu dieser Zeit des Nationalsozialismus geprägt sein. Bei diesem menschenverachtenden Programm der Nationalsozialisten ging es jedoch nicht um Tötung auf Verlangen, sondern ganz klar um Massenmord an denjenigen, die von den Ausführenden als lebensunwertes Leben eingestuft worden sind – also keineswegs selbst den Wunsch zu sterben äußerten. Die Verwendung des Begriffs „Euthanasie“ von damals und heute hat also nichts mehr mit einander gemeinsam. Trotzdem ist eine Verwirrung durch diese negativ behafteten Gefühle vor allem in Deutschland verständlich. Die Folge davon ist allerdings, dass auch noch heute diese negativen Gefühle an den aktuellen Diskussionen rund um die Sterbehilfe haften, besonders explizit an der aktiven Sterbehilfe (vgl. Borasio 2013: 160). Die im Nationalsozialismus praktizierte Erwachseneneuthanasie, wurde parallel zu Beginn des Weltkrieges begonnen. Diesem Tun wurde im Herbst 1941 zwar offiziell ein Ende gesetzt, doch die Aktion lief bis 1944 weiterhin unter dem neuen Namen 14 f 13 (vorher als Aktion T4 bekannt) und hatte bis zu ihrem Ende ca. 300.000 Opfer das Leben gekostet. Andere Angaben beziehen sich auch auf eine spätere Anordnung (vgl. Roggendorf 2011:16).
Sterbehilfe
Der Überbegriff der Sterbehilfe bezeichnet Maßnahmen, die das Ziel verfolgen, einem schwerkranken oder auch sterbenden Menschen zu einem so schmerzfreien Tod wie möglich zu verhelfen (vgl. Grimm 2009: 9). Aufgrund der vielen verschiedenen Bedeutungsmöglichkeiten/Bedeutungsebenen des Begriffes der Sterbehilfe, ist es innerhalb der ethischen Diskussionen zu einer Untergruppierung in verschiedene Sterbehilfeformen gekommen. Innerhalb dieser Formen hat sich eine Suche nach allgemein sinngemäßen und gesellschaftlich akzeptierten ethischen Ansätzen und ethischen Perspektiven entwickelt (vgl. Häcker 2008: 13-14). In bestimmten Fällen liegt der Sterbehilfe die bedeutsame Entscheidung zugrunde, dass man bei einem vergehenden menschlichen Leben den Tod dem Weiterleben vorzieht. Die Thematik der Sterbehilfe gestaltet sich indes schwierig, weil immer Ärzte, Pflegepersonen und Angehörige an den Entscheidungsprozessen beteiligt sind, die alle jeweils unterschiedliche Einstellungen und Standpunkte zu diesem Themengebiet in sich tragen (vgl. Grimm 2009: 9). Aus allen Studien und Forschungen, die bezüglich Sterbehilfe bereits angestellt worden sind, lässt sich zusammenfassen, dass sich hinter diesem Begriff eine Reihe von möglichen Bedeutungen verbergen, die sich einander zum Teil widersprechen oder sich gegenseitig ausschließen. Das Spektrum reicht dabei von der hospizlichen Sterbebegleitung über das Sterbenlassen und der Beihilfe zur Selbsttötung bis hin zur aktiven Sterbehilfe (vgl. Borasio 2013: 159).
Für Deutschland kann bis heute nicht gesagt werden, ob diese Sterbehilfeform in der Praxis überhaupt eindeutig erfolgt. Es existieren keine Beweisgrundlagen dafür, ob sie eine lebensverkürzende Wirkung hat oder das Leben des Patienten durch sie verlängert wird (vgl. Roggendorf 2011: 25). Der Grund könnte plausibel in der Definition des Begriffes liegen, denn er bezeichnet
„(…) die Inkaufnahme eines früheren, unbeabsichtigten Todeseintritts bei einem sterbenden oder todkranken Menschen, als Folge von Nebenwirkungen der Medikamente bei Durchführung einer Schmerztherapie.“ (Roggendorf 2011: 24)
In den Grundsätzen der Bundesärztekammer zur ärztlichen Sterbebegleitung wird unter dem Punkt der ärztlichen Pflichten bei Sterbenden, das Erlauben der indirekten Sterbehilfe wie folgt ausgedrückt:
„Bei Sterbenden kann die Linderung des Leidens so im Vordergrund stehen, dass eine möglicherweise dadurch bedingte unvermeidbare Lebensverkürzung hingenommen werden darf.“ (BÄK 2011a: A 346)
Der mögliche Tod als so genannte Nebenwirkungen darf niemals das Ziel oder Absicht der Schmerztherapie sein. Denn die Linderung der Schmerzen steht hier an oberster Stelle und beabsichtigt mit dieser Therapie keinen früheren Todeseintritt. Die indirekte Sterbehilfe strebt also nach dem Ziel, eine optimale Schmerzkontrolle zu erreichen (vgl. Roggendorf 2011: 24-25). Sie ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs straffrei. Auch in der Literatur besteht eine überwiegende Einigkeit über die Straflosigkeit dieser unbeabsichtigten, aber in Kauf genommenen, nicht immer vermeidbaren, Nebenfolge dieser Form der Sterbehilfe (vgl. Kolb 2013: 16). Es können hierbei (schmerzlindernde) Medikamente ausgewählt werden, die eventuell lebensverkürzende Wirkungen/Nebenwirkungen haben können, wenn keine anderen Medikamente der gleichen Wirkung mit weniger Nebenwirkungen zur Verfügung stehen und eine andere Schmerzlinderung nicht die entsprechende Wirkung erreicht. Damit ist die Gabe solcher Medikamente zur Schmerztherapie erlaubt und durchaus akzeptiert (vgl. Hell 2010: 185 und vgl. Giese 2006: 23-24).
Die Beihilfe zur Selbsttötung kann hierbei bezüglich der ausführenden Akteurs unterschieden werden. Unterschieden werden hier Privatpersonen und Ärzte. Diese Differenzierung ist wichtig, da sich eine Beihilfe zur Selbsttötung durch eine Privatperson in besonderer Weise von der ärztlichen Beihilfe zur Selbsttötung unterscheidet. Da beide Formen dieser Sterbehilfe für die weiteren Ausführungen der Thematik relevant sind, werden diese auch hier zur besseren Verständlichkeit unabhängig voneinander beleuchtet.
Privatperson (Nicht-Garant)
Die Beihilfe zur Selbsttötung wird immer mehr als legale Form der aktiven Sterbehilfe diskutiert (vgl. Häcker 2008: 13). Denn wie auch die aktive Sterbehilfe ist diese Form, u. a. unter Ärzten, in ihrer Beurteilung im Bereich des Rechts und der Ethik, höchst umstritten. Die folgende Begründung der strafrechtlichen Regelung der Beihilfe zur Selbsttötung könnte daher logisch klingen (vgl. Borasio 2013: 171). Da der Suizid beziehungsweise der Suizidversuch in Deutschland keinen Straftatbestand darstellt, liegt auch bei der Beihilfe zur Selbsttötung keine Straftat vor. Hier können dem Sterbewilligen tödliche Medikament bereitgestellt werden. Am Ende muss der lebensmüde Mensch die Medikamente selber einnehmen oder eine tödliche Substanz eigenständig in die Vene injizieren. Dann liegt für den Helfer eine straffreie Teilnahme am Suizid vor und die Beihilfe zur Selbsttötung ist nicht unter der aktiven Sterbehilfe einzuordnen. Der Gesetzgeber möchte hier die Autonomie des Suizidenten sichern und die letztendlich tödliche Handlung dem Sterbewilligen überlassen. Grund dafür ist der Schutz gegen fremdbestimmtes Handeln. Dies ist ein Schutz davor, dass andere Menschen den tödlichen Akt zum Sterben vollziehen (vgl. Frieß 2010: 43). Fällt der Sterbewillige in die Bewusstlosigkeit und der Helfer befindet sich noch im Zimmer, wird die Sachlage aber komplizierter und die Rechtslage ändert sich. Denn dann muss die anwesende Person Hilfe leisten, ansonsten macht sie sich durch unterlassene Hilfeleistung strafbar. Eine versuchte Selbsttötung wird juristisch als Unglücksfall angesehen, wenn eine zweite Person während der Bewusstlosigkeit anwesend ist. Spätestens dann muss jeder Mensch, jede Privatperson sofort Hilfe leisten (Hick 2007: 111).
Arzt (Garant)
Für einen Arzt ist die Sachlage ebenfalls kompliziert bzw. noch komplizierter. Denn dieser steht unter der Garantenpflicht (näher beschrieben in 2.7) und hat eine besondere Verantwortung gegenüber dem Sterbewilligen. Auch er muss ab der Bewusstlosigkeit mit lebensrettenden Maßnahmen beginnen. Hier entscheidet der Arzt, ob Wiederbelebungsmaßnahmen noch möglich sind. Folgen bei einer Nichthilfe ist eine Anklage der Tötung durch Unterlassen (vgl. Hick 207: 111). Der Arzt muss aber in den individuellen Situationen eigenverantwortlich handeln (vgl. BÄK 2011a: A 347).
Wie zu Beginn dieser Arbeit aufgeführt worden ist, wird von der Gesellschaft und anderen Institutionen eine ausdrückliche Zulassung der Beihilfe zur Selbsttötung gefordert. Hierfür setzt sich besonders die Bioethik-Kommission des Landes Rheinland Pfalz ein.
Denn sie sieht eine klare...