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E-Book

Diagnostik bei Migrantinnen und Migranten

Ein Handbuch

VerlagHogrefe Verlag GmbH & Co. KG
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl406 Seiten
ISBN9783844427868
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis35,99 EUR
Obwohl der Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund in den letzten Jahren stark gestiegen ist, fehlte es bislang an einer systematischen Übersicht über diagnostische Verfahren für diese Zielgruppe. Das Handbuch trägt die verfügbaren diagnostischen Verfahren zusammen, die derzeit für Personen mit Migrationshintergrund in Deutschland vorliegen. Dabei finden neben Instrumenten aus dem Bereich der Pädagogischen und Klinischen Psychologie auch Verfahren Berücksichtigung, die für die Platzierung von Migrantinnen und Migranten auf dem Arbeitsmarkt von Bedeutung sind. Das Buch richtet sich an einen breiten Personenkreis aus Wissenschaft und Praxis. Es gibt Psychotherapeut/innen, Sozialarbeiter/innen, Lehrerinnen und Lehrern, Studierenden sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern einen schnellen und dennoch profunden Überblick über die aktuell zur Verfügung stehenden Instrumente und stellt ausgewählte Verfahren in acht Anwendungsbereichen (u.A. Entwicklungsdiagnostik, Sprachdiagnostik, klinische und Persönlichkeitsdiagnostik) vor. Die ausgewählten Tests und Fragebögen werden anhand eines Kriterienrasters dargestellt, das beispielsweise auch die Anwendbarkeit für einzelne Muttersprachen ausweist. Darüber hinaus beinhaltet das Herausgeberwerk grundsätzliche Einführungen in testdiagnostische Grundlagen, die Übersetzung und Adaptation von Messinstrumenten und in die Herausforderungen beim Vergleich von Bildungsabschlüssen.

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Leseprobe

|22|2 Testtheoretische Grundlagen der psychologischen Diagnostik: Ein Überblick


Alexandra Shajek, Débora B. Maehler & Heinz Ulrich Brinkmann

2.1 Einleitung


Das vorliegende Handbuch behandelt diagnostische Verfahren, die für in Deutschland lebende Migrantinnen und Migranten empfohlen werden. Diesen diagnostischen Verfahren liegen gemeinsame Grundannahmen der psychologischen Testdiagnostik zugrunde, die im Folgenden kurz skizziert werden.1 Dabei wird zunächst erklärt, was im Allgemeinen unter einem psychologischen Test verstanden wird (2.1.1), welche Anwendungsgebiete in Frage kommen (2.1.2), mit welchem Ziel psychologische Tests eingesetzt werden (2.1.3), aus welchen Bestandteilen ein psychologischer Test besteht (2.1.4) und welche Testarten unterschieden werden (2.1.5). Hieran schließt sich eine kurze Beschreibung der Gütekriterien an, die zur Beurteilung von Testverfahren herangezogen werden (2.2).

2.1.1 Was ist ein psychologischer Test?

Allgemein wird unter einem psychologischen Test ein standardisiertes Instrument bzw. Verfahren verstanden, mit dem ein oder mehrere psychologische Merkmal(e) (z. B. Persönlichkeitseigenschaften, Motivation, Einstellungen) erfasst werden.2 Diese Merkmale werden in der Regel als Konstrukte bezeichnet.

|23|2.1.2 Was sind die Anwendungsgebiete psychologischer Tests?

Psychologische Tests werden in den unterschiedlichsten Kontexten angewendet. Im vorliegenden Handbuch werden primär Testverfahren behandelt, die sich folgenden Bereichen zuordnen lassen:

  1. Klinische Diagnostik: In der klinischen Diagnostik geht es in der Regel darum, mit den entsprechenden Tests psychische Krankheiten festzustellen bzw. auszuschließen. Die entsprechenden Verfahren werden beispielsweise eingesetzt, um eine Posttraumatische Belastungsstörung zu diagnostizieren.3

  2. Pädagogische Diagnostik: Im Mittelpunkt der Pädagogischen Diagnostik steht die Analyse von Lernprozessen und ihren Voraussetzungen. Hierbei kommen diagnostische Verfahren beispielsweise dann zum Einsatz, wenn geklärt werden soll, ob eine Person an einer Lese-Rechtschreib-Schwäche leidet.4

  3. Sprachstanddiagnostik: Eine besondere Rolle spielt in diesem Band die Sprachstanddiagnostik. Mit den entsprechenden Tests lassen sich beispielsweise die Deutschkenntnisse einer Person ermitteln.5

  4. Eignungsdiagnostik: Die Eignungsdiagnostik spielt beispielsweise eine Rolle im Zusammenhang mit der Integration von Einwanderinnen und Einwanderern in den hiesigen Arbeitsmarkt. Verfahren aus diesem Bereich werden etwa eingesetzt, um festzustellen, ob eine Person, die über keine formalen Qualifizierungsdokumente verfügt, für eine zu besetzende Stelle geeignet ist.6

2.1.3 Mit welchem Ziel werden psychologische Tests durchgeführt?

Unabhängig vom konkreten Anwendungsbereich lassen sich psychologische Tests auch danach unterscheiden, mit welchem Ziel sie durchgeführt werden (Schmidt-Atzert & Amelang, 2012). Am häufigsten klassifiziert werden sie anhand folgender Merkmale:

  1. Status- vs. Veränderungsdiagnostik: Eine Statusdiagnostik wird mit dem Ziel durchgeführt, einen momentanen Zustand zu beschreiben – in der Regel um anzuzeigen, ob bestimmte Maßnahmen (z. B. eine Sprachförderung) indiziert sind (Schmidt-Atzert & Amelang, 2012; Petermann & Macha, 2005). Mit einer Veränderungsdiagnostik lässt sich überprüfen, ob eine Maßnahme erfolgreich |24|war. Sie kann entweder als Erfolgskontrolle nach Beendigung einer Maßnahme oder aber kontinuierlich im Rahmen einer Verlaufs- oder Prozessdiagnostik erfolgen (Schmidt-Atzert & Amelang, 2012).

  2. Selektion oder Modifikation: Häufig wird ein diagnostisches Verfahren angewendet, um eine Passung zwischen bestimmten Bedingungen und Personen festzustellen (ebd.). Im Rahmen einer berufsbezogenen Eignungsdiagnostik7 soll durch die Selektion beispielsweise für eine ausgeschriebene Stelle eine geeignete Bewerberin bzw. ein geeigneter Bewerber ausgewählt oder für eine Person in einer Organisation die bestmögliche Position gefunden werden (Platzierung). Daneben steht im Rahmen der Eignungsdiagnostik jedoch auch manchmal eine Modifikation der Person oder der Bedingungen im Vordergrund: In diesem Fall zielt die Diagnostik darauf ab, zu beschreiben, wie sich eine Person (z. B. durch eine Schulung) verändern müsste, um die Anforderungen einer Stelle erfüllen zu können bzw. wie sich ein Arbeitsplatz verändern müsste, damit er von den zur Verfügung stehenden Personen erfolgreich ausgeführt werden kann (ebd.).

2.1.4 Wie ist ein psychologischer Test aufgebaut?

Ein psychologischer Text beinhaltet nach Petermann & Macha (2005) in der Regel drei Bestandteile:

Erstens ein Testmanual (auch Handbuch genannt), das die theoretischen Grundlagen des Verfahrens sowie dessen Entwicklung erläutert und der Anwenderin bzw. dem Anwender des Tests die Durchführung, Auswertung und Interpretation des Verfahrens so beschreibt, dass er/sie genau weiß, wie er/sie vorgehen muss (ebd.). Ferner beinhaltet das Manual eine Beschreibung der Qualität des Tests (anhand von Gütekriterien, vgl. Abschnitt 2.2) und die für den Test relevanten Normwerte (vgl. Abschnitt 2.2.2.6).

Zweitens das Testmaterial, das von der zu testenden Person bearbeitet wird (ebd.). Dieses kann je nach Test sehr unterschiedlich aussehen – so enthält ein Intelligenztest bspw. Bilder, die sortiert werden müssen oder Figuren, die in eine bestimmte Reihenfolge gebracht werden sollen. Die einzelnen Aufgaben in einem Test bzw. die einzelnen Aussagen in einem Fragebogen werden dabei als Items bezeichnet. Bei einem Set von Items, die ein bestimmtes Merkmal messen, wird von einer Skala gesprochen.

Drittens Protokollblätter zum Protokollieren der Testdurchführung sowie ggf. Auswertungshilfen wie Schablonen oder Messgeräte (ebd.).

|25|2.1.5 Welche Arten von psychologischen Tests gibt es?

In Abhängigkeit von dem zu messenden Merkmal werden im Allgemeinen unterschiedliche Arten von Tests voneinander abgegrenzt (Moosbrugger & Kelava, 2012). Zu den am häufigsten angewandten gehören:

Leistungstests: Diese messen Aspekte der kognitiven Leistungsfähigkeit einer Person und sind üblicherweise so konstruiert, dass die Antworten der Getesteten als logisch richtig oder falsch klassifiziert werden können (Moosbrugger & Kelava, 2012). Zu den bekanntesten Leistungstests gehören Aufmerksamkeits- und Konzentrationstests sowie Intelligenztests.

Persönlichkeitstests bzw. Persönlichkeitsfragebogen: Bei diesen wird nicht das kognitive Leistungsvermögen erfasst, sondern die zu testenden Personen werden aufgefordert, ihr typisches Verhalten einzuschätzen (Moosbrugger & Kelava, 2012). Neben klassischen Persönlichkeitstests werden solche Verfahren zu dieser Kategorie gezählt, die beispielsweise Interessen einer Person oder ihre Einstellungen erfassen (Moosbrugger & Kelava, 2012).

2.2 Gütekriterien für psychologische Tests


Um die Qualität in der Entwicklung, Bewertung und Anwendung psychologischer Tests sicherzustellen, sind von unterschiedlichen Organisationen Standards und Richtlinien erarbeitet worden, die zum Teil auch auf Deutsch vorliegen. Zu den bekanntesten gehören die Richtlinien der International Test Commission (ITC) (2016; s. a. Schmidt-Atzert und Amelang, 2012). Üblicherweise werden zur Beurteilung der Qualität eines psychologischen Tests bestimmte Qualitätskriterien herangezogen. In der Regel werden drei Hauptgütekriterien – Objektivität, Reliabilität und Validität – sowie verschiedene Nebengütekriterien unterschieden. Diese werden in den Abschnitten 2.2.1 und 2.2.2...

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