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Die italienische Kirchenfinanzierung als Alternative zum deutschen Kirchensteuersystem? Analyse und Vergleich beider Systeme

AutorIsabel Mellert
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl95 Seiten
ISBN9783668294660
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis34,99 EUR
Bachelorarbeit aus dem Jahr 2016 im Fachbereich Jura - Steuerrecht, Note: 13 Punkte (von max. 15 Punkten), Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen Ludwigsburg; ehem. Fachhochschule Ludwigsburg (Steuerrecht), Sprache: Deutsch, Abstract: Diese Arbeit wurde als Bachelorthesis im Rahmen des Studiums an der Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen in Ludwigsburg im Fachbereich 'Steuerrecht und Wirtschaftsrecht' verfasst. Rechtsprechung, Literatur und sonstige Quellen konnten größtenteils bis Februar 2016 berücksichtigt werden. Religionen gehören bis heute zu den wichtigsten tragenden Bestandteilen verschiedener Kulturen und sind ein bedeutender Integrationsfaktor in der Gesellschaft. Sie prägen Gesellschaftsformen und gleichermaßen das Handeln, Denken und die Entwicklung eines Staates. Die finanzielle Grundlage der Kirchen wird vor allem mit Hilfe der Kirchensteuer Kirchensteuer gesichert. Christliche Kirchen in anderen Ländern werden vorwiegend durch Beiträge und Spenden der Kirchenmitglieder finanziert. Die deutsche Kirchensteuer stellt hingegen eine spärliche Ausnahme dar. Hiernach stellt sich die Frage, ob die deutsche Kirchensteuer wirklich noch zeitgemäß ist oder ob es ein besseres Modell der Kirchenfinanzierung gibt. In vergangener Zeit wurde das deutsche Kirchensteuersystem immer wieder in den Medien thematisiert. Kritik an den Finanzinstrumenten wie der Kirchensteuer oder den Staatsleistungen, die Erhebung der Kirchensteuer als Zuschlag zur Kapitalertragsteuer oder die Affäre um Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst, bzw. der Finanzskandal um den Bau der Bischofsresidenz in Limburg, führten und führen vermehrt zu Kirchenaustritten. Es kommen Fragen bezüglich der Transparenz des kirchlichen Vermögens, der Verwaltung und des Kirchensteuersystems im Allgemeinen auf. Das italienische Modell der Kirchenfinanzierung sorgt mit der sogenannten Kultursteuer hingegen für Interesse und wird von vielen deutschen Bürgern als Vorbild für ein effektiveres Modell der Kirchenfinanzierung angesehen. Ob dieses Modell den Erwartungen und Vorstellungen vieler Bürger gerecht werden kann, und ob es verfassungsrechtlich umsetzbar ist, wird in dieser wissenschaftlichen Arbeit herausgearbeitet.

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Leseprobe

Teil 4 Kirchenfinanzierung in Italien


 

1 Historischer Hintergrund


 

Nahezu ein Jahrtausend lang bestand Italien aus vielen Kleinstaaten. Dazu gehörte ebenso der Kirchenstaat, in welchem der Papst zusätzlich die Rolle des Staatsoberhauptes einnahm.

 

Im Laufe des 19. Jahrhunderts kam es zu Einigungsbestrebungen, bis 1860 der größte Teil des Kirchenstaates dem neuen Königreich Italien eingegliedert wurde. Das Ende des Kirchenstaates führte der Ausbruch des deutsch-französischen Krieges im Jahre 1870 herbei. Zu diesem Zeitpunkt verließen die französischen Truppen Rom, so dass die Stadt am 20.9.1870 von königlich ital. Truppen besetzt wurde. Der Papst trat als Staatsoberhaupt zurück. Durch diesen Einigungsvorgang wurden die kirchlichen Güter und jene von Orden und Kongregationen in königlichen Besitz genommen. Außerdem kam es zur Abschaffung der kirchlichen Pfründen. Mit dem beschlagnahmten Vermögen wurde ein Kultfonds gegründet, mit dem die Priester finanziert wurden. Der Staat verwaltete 1897 den Hauptteil der kirchlichen Wohlfahrtseinrichtungen.

 

Nach etlichen Verhandlungen zwischen dem Heiligen Stuhl und Italien wurden am 11.02.1929 schließlich die Lateranverträge geschlossen. Diese Lateranverträge umfassten den Vertrag, mit dem der Vatikan als souveräner Staat errichtet und anerkannt wurde, das Konkordat, in dem das Staatskirchenverhältnis mit der  röm.-kath. Kirche geregelt ist und das Finanzabkommen. In diesem Abkommen war geregelt, dass das Königreich an die Kirche Entschädigungszahlungen für die im vorherigen Jahrhundert eingezogenen Güter zu zahlen hatte.

 

1945 wurde der in Italien bis dahin herrschende Faschismus gestürzt und drei Jahre später kam es, im Zuge einer Volksabstimmung, zu einer Aufhebung des Königreichs.

 

In der zum 1.1.1948 in Kraft getretenen republikanischen Verfassung gilt gemäß Art. 7, dass der Staat und die röm.-kath. Kirche – je im eigenen Ordnungsbereich – unabhängig und souverän handeln, und dass ihre Beziehungen durch Lateranverträge geeinigt sind.[181] Dieser Art. macht deutlich, dass die Lateranverträge verfassungsrechtlich verankert wurden. Infolge neuer Reformen und gesellschaftlichen, politischen und rechtlichen Veränderungen war das Konkordat von 1929 gegen Ende des zwanzigsten Jahrhunderts nicht mehr zeitgemäß, sodass es am 18.02.1984 zur Revision kam. Die anderen beiden Verträge blieben bestehen.[182] Das heutige System der Kirchenfinanzierung resultiert aus diesem Vertrag.[183]

 

Zwischen der Republik Italien und dem Heiligen Stuhl kam es zu einem neuen Konkordat, welcher neue Anordnungen bezüglich des kirchlichen Eigentums und der Verpflichtungen der Republik Italiens beinhaltete.[184] Das Konkordat stellte allerdings lediglich eine Rahmenvereinbarung dar. Details wurden durch Zusatzverträge zwischen der ital. Bischofskonferenz und der Regierung festgelegt. Im Vertrag waren sieben Zusatzverträge vorgeschrieben.[185]

 

Im Jahre 1989 ist das Gesetz Nr. 222 in Kraft getreten, welches kulturelle, gesell-schaftliche und kirchliche Änderungen mit sich brachte. Die Leistungen des Staates für den Klerus, welche u.a. Besoldung und Versorgung umfassten, fielen in Italien mit Inkrafttreten dieses Gesetzes weg.[186] Die zuvor bestehende direkte Finanzierung der Kirche durch den Staat wurde annulliert. Ersatzweise wurde die Absetzbarkeit von Spenden eingeführt[187] und der ital. Steuerbürger hat seit diesem Zeitpunkt die Wahl, ob er 0,8 Prozent der staatlichen ESt der Kirche, bzw. einer RG oder dem Staat zukommen lassen möchte. Das neue System beinhaltet mit der otto-per-mille (= OPM) keine neue Steuer, sondern definiert eine geänderte Verpflichtung des Staates, die Kirche finanziell zu unterstützen. Mit der Wahlmöglichkeit der Steuerbürger, hat sich nur die Vorgehensweise geändert.[188]

 

2 Zweckbestimmungen der otto-per-mille


 

Wie in dem Werk „Abschied der Kirchensteuer“ (Martin/Bald, 2002) aufgezeigt wird, stehen folgende aufgeführte Institutionen zur Wahl, denen die als OPM bezeichnete Kultursteuer gewidmet werden kann: Der Staat, gefolgt von der  röm.-kath. Kirche , die Adventisten, die Pfingstkirchen, die Waldenser, die Lutheraner und die Union der Juden.[189] Außerdem können 0,8 Prozent der staatlichen ESt an die Versammlungen Gottes, an die Orthodoxe Erzdiözese Italiens und Exarchat Südeuropa sowie an den Bund der Christlich- Evangelischen Baptisten, der Buddhisten und der Hindus zugewendet werden.[190]

 

Der Staat verwendet die Kultursteuer u.a. zur Bekämpfung von Armut, zur Unterstützung bei Naturkatastrophen und von Flüchtlingen sowie zum Erhalt von Kulturgütern.

 

Die röm.-kath. Kirche setzt die an sie gezahlte Kultursteuer für die Erhaltung kirchlicher Einrichtungen, der Bezahlung von Pfarrern und Bischöfen, zur Finanzierung christlicher Dienste sowie für karitative Arbeiten in Italien und den Entwicklungsländern ein.[191]

 

Die Union der Juden verwendet die Gelder für den Erhalt jüdischer Kulturgüter und deren Tradition sowie für soziale und humanitäre Zwecke, vor allem mit dem Motiv, dem Rassismus und Antisemitismus vorzubeugen.

 

Alle weiteren Organisationen setzen die Gelder größtenteils für soziale, kulturelle und humanitäre Zwecke im In- und Ausland ein.[192]

 

3 Finanzierung der römisch-katholischen Kirche, ihre Aufgaben und Vermögen


 

Die röm.-kath. Kirche Italiens ist eine Körperschaft des privaten Rechts. Sie darf sich nur in den Bereichen selbst organisieren, in denen sie durch das Konkordat oder durch Übereinkommen die entsprechende Befugnis hat. Beispiele sind, dass sich die Kirche an das staatliche Arbeitsrecht zu halten hat oder dass theologische Fakultäten nicht an öffentlichen Universitäten vorzufinden sind. Des Weiteren ist ihre Finanzierung nicht direkt vom Staat gesichert.[193]

 

Die Haupteinnahmequelle der röm.-kath. Kirche ist die Kultursteuer, die OPM, und die steuerlich absetzbaren Spenden, der sogenannte Obolus. Diese Spenden können bis zu einer gewissen Höhe vom zu versteuernden Einkommen abgezogen werden. Sie wird direkt an das Diözesaninstitut gerichtet und findet ihre Verwendung für den Unterhalt des Diözesanklerus. Die Spenden werden ergänzt durch Einkünfte aus Stiftungen und aus dem staatlichen Religions-unterricht. Sind diese Gelder unzureichend, werden Zuweisungen des Zentralinstituts, von wo aus die OPM landesweit verwaltet wird, zugesteuert.[194]

 

Gerechtfertigt wird die Teilzweckbindung der ESt durch Leistungen an die Allgemeinheit, wie z. B. kirchliche Angebote im Bildungsbereich oder Dienste im sozialkaritativen Bereich. Die Kirche unterstützt als privatrechtlicher Träger den Staat und übernimmt für die Gesellschaft wichtige Aufgaben.[195]

 

Verglichen mit den Kirchen in Deutschland, sind die Kirchen in Italien nicht vermögend. Damit die Kirche ihre Aufgaben trotzdem erfüllen kann, wird sie von vielen Freiwilligen in den verschiedensten Bereichen unterstützt.[196]

 

Etwa 85 Prozent aller Bürger Italiens sind Katholiken. Durchschnittlich widmet jeder ital. Katholik der Kirche seine OPM.[197] Obwohl die röm.-kath. Kirche den Großteil der Kultursteuer erhält, sind die Finanzmittel aber so niedrig, dass die Steuer nahezu gänzlich für die Klerusbesoldung verwendet wird. Doch selbst hier stellt sie lediglich ein Existenzminimum dar und muss durch interne Gebühren, Spenden und Kollekten ergänzt werden.[198]

 

4 System des italienischen Modells der Kirchenfinanzierung


 

Jeder Steuerbürger hat im OPM – System, unabhängig von seiner Konfession, jährlich die Wahl, welcher Institution er 0,8 Prozent der staatlichen ESt widmen will.[199] Abgestimmt wird allerdings nur über die Verteilung, nicht über die Widmung der persönlichen Steuerschuld. Die Widmung bezieht sich vielmehr auf 0,8 Prozent der gesamten staatlichen Einkommensteuereinnahmen. Anhand der Steuerschuldner wird somit lediglich der Verteilerschlüssel für die OPM bestimmt und nicht direkt der Zuwendungsempfänger.[200]

 

Aufgrund der Wahlmöglichkeit zwischen dem Staat und einer RG werden sowohl die negative wie auch die positive Religionsfreiheit tangiert.[201] OPM ist neben der ESt keine zusätzliche Steuer[202], sondern ein Verzicht des Staates auf 0,8 Prozent der staatlichen ESt, wenn der Staat nicht zur begünstigten Institution gewählt wird. Es handelt sich somit um eine obligatorische Steuer[203], die ohnehin von jedem Steuerbürger zu zahlen ist und somit keine weitere Steuerbelastung darstellt. Aufgrund des Verzichts, ist die OPM keine kircheneigene Steuer, sondern eine staatliche Steuer bzw. Staatsleistung.[204]

 

Im Falle, dass der Steuerbürger die Wahlmöglichkeit nicht in...

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