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Die Privatisierung von Krankenhäusern

Ethische Perspektiven

AutorArne Manzeschke, Friedrich Heubel, Matthias Kettner
VerlagVS Verlag für Sozialwissenschaften (GWV)
Erscheinungsjahr2010
Seitenanzahl196 Seiten
ISBN9783531924793
FormatPDF
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis26,96 EUR
Öffentliche Krankenhäuser zu privatisieren heißt, sie von Versorgungseinrichtungen in Unternehmen zu verwandeln, die in einem Markt agieren. Verträgt sich das mit den Erwartungen, die wir an Krankenhäuser haben? Die Intuitionen, dass Patienten keine Kunden sind und dass die Gesundheitsversorgung öffentlich verantwortet sein sollte, sind weit verbreitet. Der Band sammelt Fakten sowie Pro- und Kontra-Argumente und gewichtet sie anhand ethischer Kriterien. Die Kontra-Argumente erweisen sich als die stärkeren.

Dr. Friedrich Heubel ist Privatdozent für Medizinethik und Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, sowie Leiter der Arbeitsgruppe Klinikprivatisierung der Akademie für Ethik in der Medizin in Göttingen.
Dr. Matthias Kettner ist Professor für praktische Philosophie an der Universität Witten/Herdecke.
Dr. Arne Manzeschke ist Privatdozent für Systematische Theologie/Ethik, Akademischer Oberrat und Leiter der Arbeitsstelle für Theologische Ethik und Anthropologie an der Universität Bayreuth.

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Leseprobe
»Ohne Ansehen der Person« – Zur ethischen Unterbestimmtheit der ökonomischen Theorie im Privatisierungsdiskurs (S. 129-130)

Arne Manzeschke

1. Die Schädigung Dritter durch eigeninteressiertes Handeln als ethisches Problem


Die Privatisierung von Krankenhäusern trifft in Deutschland auf moralische Bedenken, die kurz gefasst lauten: Das privatwirtschaftliche Handeln von Krankenhausträgern als Unternehmen in einem (Gesundheits-)Markt orientiert sich zuallererst an ihrem spezifischen Eigeninteresse. Ein Krankenhaus ist nämlich als Unternehmen ein »wirtschaftlich-rechtlich organisiertes Gebilde, in dem auf nachhaltig ertragbringende Leistung gezielt wird, je nach der Art der Unternehmung nach dem Prinzip der Gewinnmaximierung oder dem Angemessenheitsprinzip der Gewinnerzielung. Das Gewinnstreben richtet sich zumindest auf angemessene Verzinsung des betriebswirtschaftlichen Kapitals«1.

Die moralischen Bedenken richten sich nun vor allem gegen die Annahme, dass dieses Gewinnstreben einer angemessenen medizinisch und pflegerischen Versorgung entgegenstehen könnte. Einen Anhalt bietet folgende Überlegung: In einer symmetrischen Markt-Konstellation von Akteuren, die sich mit ihrem jeweiligen Eigeninteresse in einem gemeinsamen Tauschgeschäft einigen, mag dieses eigeninteressierte Handeln des Unternehmens zielführend und ethisch unproblematisch erscheinen.

In der asymmetrischen Konstellation, in der Not leidende Menschen, die durch Unfall oder Krankheit der stationären Gesundheitsversorgung bedürfen, auf unternehmerische ›Gesundheitsdienstleister‹2 treffen, die in praktisch jeder Hinsicht (fachlich, emotional und hinsichtlich ihres Zeithorizonts) überlegen und besser ausgestattet sind, ist das primär eigeninteressierte Handeln des Gesundheitsdienstleisters ethisch bedenklich.

Eine weit verbreitete moralische Intuition lautet, dass private Dienstleister stärker als kommunale oder freigemeinnützige dazu neigen, ihr ökonomisches Eigeninteresse vor die Interessen der Patientinnen und Patienten zu stellen und ihnen damit schaden könnten3. Allgemeiner gesprochen wird gegen eine Privatisierung von Krankenhäusern argumentiert, weil die hier dominierende Marktlogik zu einer Interessenkollision führe, in der die Interessen der Schwächeren, also der Patientinnen und Patienten, zugunsten der Stärkeren, also der Krankenhausträger, vernachlässigt werden. Aus ethischer Perspektive hat jedoch der Gesundheitsdienstleister die Perspektive des anderen, Schwächeren nicht nur mit zu berücksichtigen, sondern sogar vor seine eigenen Interessen zu stellen und ihm auf keinen Fall durch die Verfolgung eigener Interessen zu schaden.
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis6
Einführung und Überblick 76
Bestandsaufnahme6
Reflexion6
Abschließende Stellungnahme der Arbeitsgruppe 1957
Einführung und Überblick8
Die Beiträge im Überblick10
Bestandsaufnahme13
Die Krankenhauslandschaft nach Trägern und Rechtsformen14
1. Einleitung14
2.15
3.17
staatlich nonprofit forprofit nicht verselb-ständigt verselbstän-digt Ziel18
Politiknähe18
staatliche För-derung18
Nutzung des Gutes18
Aneignung der Erträge / Ge-winnverwen-dung18
Veränderung des Gutes18
Verkauf des Gutes18
öffentlich-rechtliche Rechtsformen privatrechtliche Rechtsformen20
4.26
5.30
KH insgesamt33
öffentliche KH33
freigemein-nützige KH33
private KH33
Vergleichs-kriterien Indikatoren Daten/Studien zum Vergleich der Kran-kenhausträger37
6.40
Krankenhäuser als Wirtschaftseinheiten – ökonomische Aspekte und Herausforderungen41
1. Strukturwandel im Gesundheitswesen41
2. Motive der Privatisierung öffentlicher Güter und Leistungen44
3. Stand der Privatisierung von Krankenhäusern in Deutschland46
4 Erfolgsfaktoren privater Klinikbetreiber52
5. Perspektiven der Privatisierung von Krankenhäusern54
Krankenhausprivatisierung: Auch unter DRG-Bedingungen ein Erfolgsmodell?57
1. Einleitung57
2. Vom Grundsatzbeschluss zum Privatisierungsbeschluss – dargestellt am Beispiel eines städtischen Trägers59
3. Was kommt nach dem Trägerwechsel?61
4. Erwerbswirtschaftliche Zielsetzungen unter DRG-Bedingungen66
5. Zusammenfassung und Ausblick73
DDR-Polikliniken und Medizinische Versorgungszentren – ein Vergleich zweier umfassender Versorgungsformen175
1. Der Begriff Poliklinik76
2. Gemeinsamkeiten zwischen der DDR-Poliklinik und MVZ in der BRD86
3. Unterschiede zwischen Poliklinik und MVZ89
4. Zur Entwicklung der MVZs91
5. Schlussbetrachtungen und Fazit95
Reflexion97
Gesellschaftsvertrag und Recht auf öffentliche Gesundheitsversorgung98
1. Einleitung98
2. Gesellschaftliche Kooperation und die Grundgüter102
3. Bedeutung der Gesundheit für die Frage der gesellschaftlichen Gerechtigkeit106
4. Gesundheitsversorgung und private Institutionen108
5. Fazit112
Kann Ökonomisierung gut und muss Kommerzialisierung schlecht sein?113
1. Warum Ökonomisierung und Kommerzialisierung unterscheiden?113
2. Allgemeine Charakteristika der Marktförmigkeit116
3. Kommerzialisierungskritik aus Gesichtspunkten der Moral120
4. Vertiefung der Kommerzialisierungsanalyse: Kapitalistische Märkte125
5. Ausblick: Diskrepante Intuitionen127
»Ohne Ansehen der Person« – Zur ethischen Unterbestimmt-heit der ökonomischen Theorie im Privatisierungsdiskurs129
1. Die Schädigung Dritter durch eigeninteressiertes Handeln als ethisches Problem129
2. Eigeninteresse als natürliches und moralisches Moment131
3. Kant: Pflichten gegen sich selbst und gegen andere133
4. Exkurs: Empirische Beobachtungen aus der stationären Pflege136
5. Peter Ulrich: Integrative Wirtschaftsethik139
6. Ökonomisierung im Gesundheitswesen147
7. Emmanuel Levinas: Verantwortung für den Anderen152
8. Rückblick auf eine noch zu führende Debatte157
Therapeutische Interaktion und Funktionslogik des Marktes160
1. Einleitung160
2. Markt als Tausch161
3. Die Funktionslogik des Marktes und die Handlungslogiken der Akteure164
4. Marktelemente im Gesundheitswesen166
5. Die authentische Nachfrage und die Logik der therapeutischen Interaktion171
6. Öffentlicher und privater Akteur174
7. Implikationen der betriebswirtschaftlichen Rationalität im Krankenhaus178
8. Zwischenergebnis180
9. Exkurs: Marktverhältnisse ohne Tausch181
10. Die spezifische Regulationsaufgabe186
Abschließende Stellungnahme der Arbeitsgruppe190
Information zu den Autorinnen und Autoren195

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