In diesem Abschnitt soll auf die Kommunikation in der Verhandlung eingegangen werden. In der Psychologie wird Kommunikation in seiner Bedeutung für die soziale Beziehung als elementar eingeschätzt. Der Stellenwert in der Verhandlung als Prozeß sozialen Austauschs ist besonders hoch. Kommunikation ist eine der grundlegenden Tätigkeiten in der Verhandlung. Demzufolge existiert ein mittelbarer Einfluß der Faktoren, die auch die Kommunikation beeinflussen.
Nach Chomski´s „linguistischer Kompetenz“ definiert sich die Fähigkeit zur Kommunikation a) aus der Tiefe, durch den Grad der syntaktischen Beherrschung und durch den Wortschatz – also das allgemeinen Sprachvermögen und b) an der Oberfläche, durch das Artikulationsvermögen – also die Fähigkeit die Worte zu gebrauchen. Diese rein strukturelle Betrachtung Chomskis erscheint jedoch mangelhaft. Wortschatz, grammatikalisches Vermögen und Handhabung der Sprache machen nicht allein den Erfolg der Kommunikation in Verhandlungen aus. Die Fähigkeit bzw. Fertigkeit des einen Partners allein ist nicht ausreichend. Notwendig ist ebenso die dialogische Komponente des abgestimmten Aufeinandertreffens kompatibler Sprachmodelle. Es geht um die intersubjektive Komponente der Sprache. Außer dem Inhalt sind die zentralen Aspekte der Kommunikation das Verstehen und das Verständigen. Neben der Struktur der Sprache beeinflußt also auch ihre Funktion die Kommunikation. Daraus folgen ganz praktische Faktoren, deren Berücksichtigung beim Verhandeln wichtig sind:
Was gibt es zu einem vorliegenden Angebot zu sagen? Ein Angebot abzulehnen eröffnet nur dann den Verhandlungsreigen, wenn darin nicht die Ablehnung des Verhandlungspartners oder des Verhandlungsgegenstandes steckt. Vor allem wenn gefeilscht werden soll, muß auf das Sorgfältigste überlegt werden, was genau zu einem Angebot gesagt wird. Die Botschaft kann höflich, dumm, bestimmt, empört, ehrlich, pauschal, freundlich, frech, dreist usw. sein. In der Art wie das Gesagte strukturiert ist, liegt eine Botschaft, die für sich genommen wirkt. So kann die Art und Weise, wie verbal auf ein Angebot reagiert wird, den Verhandlungsspielraum verkleinern oder erweitern. Die Schwierigkeit liegt darin, zu erahnen, wann welche Struktur das eine und wann sie das andere bewirkt.
Die Affinität der Körpersprache zu den informellen Aspekten der Kommunikation findet sich nicht nur bei Watzlawick. Die syntaktische Freiheit, der große Interpretationsspielraum und die damit verbundene semantische Vielfalt von nonverbalen Botschaften machen die Körpersprache zu einem wesentlichen Kommunikationsfaktor in der Verhandlung bzw. beim Feilschen von Angesicht zu Angesicht. Dabei unterstreicht die Körpersprache funktionsgemäß die analogen Modalitäten der Kommunikation. Sie dient der Kommunikation von emotionalen Zuständen (z.B. Entschlossenheit, Empörung, Enttäuschung, Freude, Zorn usw.) und sie wirkt konnotativ bewertend (z.B. durch Vermittlung von Glaubwürdigkeit, Kompetenz, Sachkunde, Erfahrung, Humor usw.).
In der Literatur wird dem „ersten Eindruck“ besondere Bedeutung zugewiesen. „Dennoch übt der erste Eindruck eine erhebliche Wirkung auf unsere nachfolgende Wahrnehmung aus, indem er uns bevorzugt solche Eigenschaften und Verhaltensweisen registrieren läßt, die ihn bestätigen.“[13]
Auch das Fehlen körpersprachlicher Äußerungen wirkt sich auf die Verhandlung aus. Das sprichwörtliche „Pokerface“ als Ausdruck nonverbalen Schweigens (siehe auch Seite 23), wirkt natürlich als Kommunikationsfaktor mit. Es sagt etwas über die Absicht des jeweiligen Verhandlungspartners, seine Ansichten (offensichtlich) zu verbergen aus. Damit geht eine negative Wirkung auf das Verhandlungsklima einher. Die Vertrauenswürdigkeit des Partners wird stärker in Frage gestellt. In sind mögliche Deutungen speziell in Bezug zur Glaubwürdigkeit zusammengestellt.
Die Art und Weise, wie der Verhandler die eigenen Angebote unterbreitet bzw. wie er auf Angebote reagiert, ist dem persönlichen Stil und Habitus unterworfen. Dabei ist die Vielfalt so groß, wie die Vielfalt der Individuen. Beispielhaft lassen sich Sprachstile nur schwer gruppieren. Beispielsweise kann die Art zu Sprechen den Partner mehr oder weniger stark mit einbeziehen (Partizipation), der Sprachstil kann durch Bildhaftigkeit und Vergleiche ausgeschmückt und blumig sein (Metaphern), er kann Macht und Asymmetrie zum Ausdruck bringen (Drohen), er kann plauderhaft und geprägt durch Nebensächlichkeiten sein (Ablenkung) – hier sollen nur einige Varianten genannt werden. Der persönliche Stil zieht sich durch die Verhandlung und ist ein Indikator, der etwas über die Persönlichkeit des Verhandler offenbart.
Tabelle 3 Glaubwürdigkeit und Körpersprache Auszug aus Rüdenauer S.432 f.
Mindestens ebenso wichtig wie die Sprache ist die Natur der Beziehung der Verhandelnden zueinander. „Jede Kommunikation hat einen Inhalts- und einen Beziehungsaspekt, derart, daß letzterer den ersteren bestimmt…“[14] schreibt Paul Watzlawick in seinem 3. Axiom zur Beschreibung der Kommunikation.
Durch die Art der Kommunikation wird umgekehrt auch die Beziehung der Verhandler selbst beeinflußt. Sie steht in einem interdependeten Verhältnis zu ihrer Kommunikation. Dabei zählt nicht nur ihre soziale sondern vor allem auch ihre dyadische Beziehung zueinander. Auch hier ist der Variantenreichtum nahezu unerschöpflich. Die Kommunikation in der harten Verhandlung findet in einem Grenzbereich der zwischenmenschlichen Beziehung statt. Dabei stehen das Interesse am Verhandlungsergebnis und das Interesse an der Beziehung (s.a. Abschnitt 5.1) einander konkurrierend gegenüber. Besonders brisant ist, daß stets die Gefahr besteht, daß die Beziehung kippt und die Verhandlung abgebrochen wird. Das harte Feilschen ist also kommunikativ eine Gradwanderung zwischen Abbruch der Beziehung und/oder Abbruch der Verhandlung einerseits und Erlangen eines günstigen Ergebnisses andererseits. In diesem Zusammenhang sei erwähnt, daß das Feilschen wegen seines schlechten Images in unserer Gesellschaft, zu einer nachhaltigen Schädigung der Beziehung führen kann. Dies geschieht aber nicht nur aktiv, sondern auch passiv.
Die Kommunikation in der Verhandlung wird durch verschiedene situative Komponenten beeinflußt. Nicht unerheblich ist der Einfluß der räumlichen Umgebung. Besonders konfliktbeladene Verhandlungen finden deshalb häufig an besonders ausgewählten Orten statt. Die Umgebung und ihre „Aura“ fördern oder behindern die Kommunikation in nicht unerheblichem Maße. „Das räumliche Verhandlungsklima beeinflußt die emotionale Befindlichkeit der Verhandlungspartner. Fühlen sie sich wohl, bewirkt das eine tendenziell positive Einstellung zum Gastgeber, begünstigt aber auch die optimale Nutzung ihrer Fähigkeiten zur Erreichung ihrer Ziele. Ein schlechtes räumliches Klima, beispielsweise infolge verbrauchter Luft, unbequemer Sitzgelegenheiten, zu kalter oder zu warmer Temperatur, zu schwacher oder blendender Beleuchtung, behindert tendenziell beim zielwirksamen Einsatz der persönlichen Fähigkeiten.“[15]
Einige experimentelle Arbeiten zum Einfluß von Kommunikationsbeschränkungen in Verhandlung werden bei Lamm vorgestellt. Verhandlungen fanden hier mit den Einschränkungen statt, daß nur über das Telefon, nur schriftlich bzw. nur durch Abgabe eines einzigen schriftlichen Angebotes verhandelt werden konnte. Interessanterweise enthüllen die Ergebnisse nicht nur, daß bei uneingeschränkter Kommunikation generell mehr und schneller Übereinkünfte erzielt wurden sondern auch, daß die Versuchspersonen angaben, zufriedener mit ihren Ergebnissen zu sein. [16]
Auch das Schweigen soll hier als Kommunikationsfaktor mitgenannt werden. Schweigen als Antwort auf ein Angebot kann, in Abhängigkeit von der Persönlichkeitsstruktur, das Verhandlungsgeschehen beeinflussen. In der Nichtpositionierung liegt zum einen eine Aussage zum Angebot (und zwar durch die Interpretation des Anbieters selbst) und zum anderen eine Einflußnahme auf das Verhandlungsgeschehen.[17] Durch das Schweigen kommt der Dialogfluß ins stocken. Die Verhandlung wird verlangsamt. Die Spannung zwischen den Parteien wächst und die Auseinandersetzung wird härter, weil ein Verhandlungsabbruch vermutet wird. Ein geschicktes Spiel mit dem Schweigen kann ein besonders wirkungsvolles Kommunikationsmittel sein.
Das Ergebnis des Feilschens ist nicht wirklich offen. D.h. im Rahmen des individuellen Verhandlungsspielraumes ist das (mögliche) Ergebnis der Verhandlung enthalten. Kommt es also nicht zum Abbruch,...